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II. Adressaten und Durchsetzbarkeit des Rechtsstaatsprinzips

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Die vorgenannten Anforderungen binden die EU-Institutionen (Art. 13 EUV) selbst und sind von allen Adressaten des Unionsrechts anhand der systematischen Auslegung des Primärrechts oder der primärrechtskonformen Auslegung des übrigen Unionsrechts zu beachten. Die Auswirkungen auf das EU-Rechtsschutzsystem verortet der EuGH normtechnisch in Art. 19 I EUV in Zusammenschau mit den Art. 258 ff. AEUV.

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Daneben strahlen die Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips auch auf die Rechtsordnungen und Rechtsschutzsysteme der EU-Mitgliedstaaten aus. Weil diese unionsrechtlichen Einwirkungen mitunter wesentliche staatsorganisationsrechtliche Entscheidungen der einzelnen Mitgliedstaaten betreffen, können sie politisch umstritten sein. Die betroffenen Mitgliedstaaten verweisen dabei auf ihre Eigenstaatlichkeit bzw. das völkerrechtliche Verbot, in innere Angelegenheiten eines Staates einzugreifen, sowie die (direkt)demokratische Legitimation der mitgliedstaatlichen Regierung.

Beispiele:

Auf Betreiben der ungarischen Regierungspartei wurden u.a. die Prüfungsbefugnisse des Verfassungsgerichts eingeschränkt und der Presse weitgehende Meldepflichten auferlegt. Außerdem war zuvor die Herabsetzung des Renteneintrittsalters für hohe Justizbeamte beschlossen worden. Diese erklärte der EuGH allerdings 2012 wegen Altersdiskriminierung für unionsrechtswidrig.[9] Ebenfalls rechtsstaatlich bedenklich war die diskutierte Wiedereinführung der Todesstrafe.[10]

Auch in Polen initiierte die nationalkonservative Regierung Gesetzgebung, die der Regierung die Kontrolle über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sichert und die Rolle des Verfassungsgerichts einschränkt. Dies führte u.a. dazu, dass die Regierung mittlerweile Urteilen des Verfassungsgerichts die Anerkennung verweigern kann. Außerdem kann die polnische Exekutive nun Richter des obersten Gerichtshofs entlassen oder deren Eintritt in den Ruhestand vorziehen.[11]

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Für EU-Beitrittskandidaten ist die Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips aufgrund der sog. Kopenhagener Kriterien[12] relevant. Diese Kriterien konkretisieren die Voraussetzungen, unter denen ein Beitritt zur EU möglich ist, darunter nach Art. 49 I EUV i.V.m. Art. 2 EUV auch die Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips. Die Beachtung und Umsetzung der Kopenhagener Kriterien wird von der Kommission in der Einleitungsphase des Beitrittsverfahrens vorläufig, und nach dem Beschluss des Rates zur Eröffnung von Verhandlungen ausführlich geprüft, bevor der Rat mit Zustimmung des Parlamentes über den Beitritt entscheidet. Der Beitritt erfolgt endgültig, wenn der Beitrittskandidat und alle EU-Mitgliedstaaten den ausgehandelten Beitrittsvertrag ratifizieren (Art. 49 II EUV). Der Beitrittsvertrag enthält letztmalig konkrete Forderungen i.S.d. Kopenhagener Kriterien, die der zukünftige Mitgliedstaat vor seinem endgültigen Beitritt erfüllen muss.[13]

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