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F. Zusammenfassung

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Das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 f. AEUV bietet sowohl der Kommission als „Hüterin der Verträge“ als auch den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, mitgliedstaatliche Maßnahmen, die ihres Erachtens gegen Unionsrecht verstoßen, einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch den EuGH zuzuführen. Während die Kommission von dieser Klagemöglichkeit regelmäßig Gebrauch macht, sind die Anwendungsfälle der Staatenklage aus Gründen der politischen Opportunität äußerst selten.

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Sowohl die Aufsichtsklage der Kommission nach Art. 258 AEUV als auch die Staatenklage nach Art. 259 AEUV setzen zwingend ein Vorverfahren voraus. Das Vorverfahren der Aufsichtsklage gliedert sich in das Mahnschreiben der Kommission, zu dem sich der betroffene Mitgliedstaat in einer begründeten Gegendarstellung äußern kann, sowie die abschließende begründete Stellungnahme der Kommission. Die Staatenklage setzt den Antrag eines Mitgliedstaates voraus, der zu einem kontradiktorischen Verfahren führt. Im Anschluss kann die Kommission eine abschließende Stellungnahme abgeben. Diese ist, im Gegensatz zur Aufsichtsklage, jedoch keine Zulässigkeitsvoraussetzung der Staatenklage. In beiden Fällen darf die Klage den im Vorverfahren festgelegten Streitgegenstand nicht erweitern.

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Das Vertragsverletzungsverfahren ist begründet, wenn der behauptete Sachverhalt zutrifft, der behauptete Verstoß rechtlich eindeutig dem Verhalten eines Mitgliedstaates zuzurechnen ist und dadurch tatsächlich Unionsrecht verletzt wurde.

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Der EuGH entscheidet das Verfahren durch ein Feststellungsurteil. Daneben kann der EuGH auf Antrag der Kommission Sanktionen verhängen, wenn ein Mitgliedstaat das Urteil des EuGH nicht befolgt. Die Sanktionen können nach Art. 280 AEUV i.V.m. Art. 299 II bis IV AEUV vollstreckt werden.

Vertiefende Literatur:

v. Borries, Überlegungen zur Effektivität des Vertragsverletzungsverfahrens, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), Europa im Wandel, Festschrift für Hans-Werner Rengeling, 2008, S. 485; Gurreck/Otto, Das Vertragsverletzungsverfahren, JuS 2015, 1079 ff.; Ionescu, Innerstaatliche Wirkungen des Vertragsverletzungsverfahrens, 2016; Lageder, Die Bindungswirkung von Urteilen im Vertragsverletzungsverfahren, 2015; Plessing, Lösung von Konflikten zwischen EU – Recht und nationalem Recht im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens – Erfahrungen aus der deutschen Rechtspraxis, in: Schwarze (Hrsg.), Das Verhältnis von nationalem Recht und Europarecht im Wandel der Zeit, Band 1, 2012, S. 75; Wendenburg/Reichert, EU-Kommission verschärft Vertragsverletzungsverfahren erheblich – Auswirkungen auf die Bundesländer, NVwZ 2017, 1338 ff.; Wunderlich, Das Verhältnis von Union und Mitgliedstaaten am Beispiel des Vertragsverletzungsverfahrens, EuR 2012, Beiheft 1, 49 ff.

Übungsfälle: Musil/Burchard, Klausurenkurs im Europarecht, 4. Aufl. 2016, Fall 15; Bast, Fortgeschrittenenklausur – Öffentliches Recht: Europarecht – Bestimmtheit strafrechtlicher Sanktionen im Binnenmarkt, JuS 2011, 1095 ff.; Krätzschmar/Nastoll, Wenn einer eine Reise tut…, JURA 2014, 63 ff.

Europäisches Prozessrecht

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