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3.5 Informationsmemorandum

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Nach Abschluss der Vertraulichkeitsvereinbarungen erhält der Bieter das Informationsmemorandum, in dem im Vergleich zum Teaser der Name der Zielgesellschaft offengelegt wird und die für die Abgabe eines indikativen Angebots (mit Kaufpreisindikation) erforderlichen Informationen erteilt werden. Dazu gehören etwa

 – (in der Regel aggregierte) Finanzkennzahlen (und zwar nicht mehr nur aus öffentlich zugänglichen Quellen, sondern oft auch aus Zwischenabschlüssen oder betriebswirtschaftlichen Auswertungen, den sog. Management Accounts), und zwar bezogen auf die Vergangenheit wie auf die Zukunft (Planungszahlen und deren Ableitung),

 – ein Überblick über die rechtliche Struktur der Zielgesellschaft, deren Geschäftsbereiche und Produkte, Lieferanten und Kunden, Management und Personal,

 – die Stellung der Zielgesellschaft am Markt (die dem Bieter ermöglichen soll, etwaige kartellrechtliche Schranken zu identifizieren) sowie

 – etwaige Problemfelder und Risiken, auf die ein Bieter nach den Umständen bereits zu diesem Zeitpunkt hingewiesen werden sollte.267

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Sind im Bieterkreis Wettbewerber, ist es empfehlenswert, kartellrechtlich zu prüfen, ob das Informationsmemorandum wettbewerblich sensible Daten enthält, die (jedenfalls in einer so frühen Phase) einem Wettbewerber nicht zur Verfügung gestellt werden dürfen. Das kann insbesondere bei nicht aggregierten oder anonymisierten aktuellen Angaben zu Preisen, Mengen, Margen, Kosten, Nachfrage, Lieferanten und Kunden der Fall sein. Als Daumenregel wird man allerdings davon ausgehen können, dass solche Daten typischerweise nicht schon im Informationsmemorandum aufgeführt werden.

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Auch wenn das Informationsmemorandum das Interesse potenzieller Bieter wecken soll, ist aus juristischer Sicht darauf zu achten, dass die darin enthaltenen Informationen zutreffend sind. Anderenfalls kommt schon bei Fahrlässigkeit eine Haftung des Verkäufers insbesondere gegenüber später ausscheidenden Bietern (deren potenzieller Schaden frustrierte Aufwendungen sein können) nach §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Das Verhalten seiner Berater (also etwa des M&A-Beraters des Verkäufers) muss sich der Verkäufer nach § 278 BGB zurechnen lassen, wenn dies nicht vertraglich ausgeschlossen worden ist. Angaben des Verkäufers ohne hinreichende Tatsachengrundlage „ins Blaue hinein“ werden von der Rechtsprechung als bedingt vorsätzlich angesehen.268 Insoweit wäre auch ein Haftungsausschluss im Informationsmemorandum nach § 276 Abs. 3 BGB unwirksam. Empfehlenswert und üblich ist es, bereits in der Vertraulichkeitsvereinbarung die Haftung des Verkäufers so weit wie möglich auszuschließen. Sind die Klauseln der Vertraulichkeitsvereinbarung nicht mit den Bietern individuell ausgehandelt worden und als AGB zu qualifizieren, dann wäre auch ein Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit unwirksam und aufgrund des Verbots geltungserhaltender Reduktion von AGB insgesamt unwirksam.269 Ob es sich um AGB handelt, ist eine Frage des Einzelfalls, dürfte aber bei Haftungsausschlüssen im Informationsmemorandum näher liegen, da diese Klauseln üblicherweise mit den Bietern nicht verhandelt werden.270

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Eine Haftung des Verkäufers (der sich im Rahmen des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB Äußerungen seiner Berater zurechnen lassen muss271) gegenüber dem späteren Käufer nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB scheidet hingegen richtigerweise aus. Denn ein Informationsmemorandum, das einem ausgewählten Kreis von Bietern auf der Grundlage von Vertraulichkeitsvereinbarungen zur Verfügung gestellt wird, ist keine öffentliche Äußerung im Sinne dieser Vorschrift.272 Das unterscheidet ein Informationsmemorandum z.B. von einem Immobilien-Exposé, das regelmäßig gerade für eine unbestimmte Zahl von – nicht zur Vertraulichkeit verpflichteten – Interessenten erstellt wird, oft auch öffentlich, insbesondere auf der Homepage eines Maklers, einsehbar ist und das in der obergerichtlichen Rechtsprechung als öffentliche Äußerung qualifiziert worden ist.273 Nach der Gegenauffassung, die § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB auch bei Informationsmemoranden für anwendbar hält, soll jedenfalls durch sorgfältige und einzelfallbezogene Ausgestaltung des Disclaimers im Informationsmemorandum die Eignung der öffentlichen Äußerung zur Beeinflussung der Kaufentscheidung ausgeschlossen werden können,274 sodass dies in der Praxis vorsorglich geschehen sollte. Allerdings dürfte der mit dem Käufer abgeschlossene Unternehmenskaufvertrag regelmäßig die gesetzliche Gewährleistungshaftung wirksam ausschließen. Zudem dürfte der Käufer regelmäßig im Rahmen der Due Diligence mit detaillierteren Informationen als denen im Informationsmemorandum ausgestattet werden und die Angaben im Informationsmemorandum im Rahmen seiner Due Diligence kritisch hinterfragen (und deshalb gerade nicht seiner Kaufentscheidung zugrunde legen), sodass seine Kaufentscheidung nur selten ausschließlich auf Informationen des Informationsmemorandums beruhen dürfte. Daher scheidet eine Verkäuferhaftung nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB wegen unzutreffender Informationen im Informationsmemorandum letztlich regelmäßig aus und hat keine große praktische Bedeutung.

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Deshalb hat auch eine rechtlich mögliche Eigenhaftung des Beraters (also etwa einer Investmentbank), der das Informationsmemorandum erstellt hat,275 nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB keine große praktische Bedeutung erlangt.276 Sie kommt theoretisch in Betracht, wenn der Berater persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat. Es kommt darauf an, ob aufgrund der Expertise des Beraters eigene Prüfungen (hier des Bieters) entbehrlich werden.277 Dies ist aber gerade beim Informationsmemorandum nicht der Fall. Denn das Informationsmemorandum macht aus Sicht eines verständigen Bieters eigene Prüfungen gerade nicht entbehrlich. Allerdings ist das Informationsmemorandum eine Grundlage dafür, zu entscheiden, ob der Bieter in eine vertiefte Prüfung einsteigt. Ausnahmsweise mögen daher Ansprüche eines Bieters, der im Vertrauen auf Informationen frustrierte Aufwendungen für die Fortführung des Bieterprozesses veranlasst, denkbar sein.278

267 Vgl. Rosengarten, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 3 Rn. 10; Jaques, in: Ettinger/Jaques, Beck’sches Handbuch Unternehmenskauf im Mittelstand, C. Phase 2, Rn. 51. 268 Dazu unten Rn. 277, 279. 269 Haberstock, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 1338 und 1339. 270 Haberstock, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 1336; Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 450. 271 Dazu im Rahmen des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139 und allgemeiner Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 10. 272 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 446. A. A. etwa Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139. 273 OLG Hamm, Urt. v. 29.4.2010 – 22 U 127/09, NJW-RR 2010, 1643. 274 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139 mit einem entsprechenden Formulierungsvorschlag. 275 Dazu ebenfalls Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139. 276 So zu Recht Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 10. 277 Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 10 m.w.N. in Fn. 23. 278 Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 10.

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