Читать книгу Gailana und die frommen Männer - Christoph Pitz - Страница 11
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Gailana fand seit Tagen schon keine Ruhe mehr im Schlaf. Das Abbild des fremden Gottespredigers spukte durch ihre Träume. Die im Schlaf grobe Hand des Gosbert auf ihrer Brust war ihr mit einem Mal lästig, sein an sie herangedrängter Körper gar abstoßend. Sie konnte es sich nicht erklären, bis vor kurzem noch hatte sie jede dieser Berührungen genussvoll in sich aufgenommen. Sie öffnete die Augen und sah dennoch das edel und bartlos geschnittene Gesicht des Kilian gerade so nah und deutlich vor sich, als könnte sie es mit Händen greifen.
„Was ist mit dir?“, fragte Gosbert schlaftrunken.
„Nichts. Warum?“
„Du trittst nach mir.“
„Oh, verzeih Liebster. Es ist nichts, schlaf weiter.“
Das Frühstück an diesem sonnigen, jungen Frühlingstag bestand aus in der Frühe frisch gebackenem Brot, einem mit Speck aufgeschlagen gebratenen Ei, aus Wurst sowie Butter und Käse. Gailana hatte gerade die Portionen für Hetan und Immina gerichtet, ihre bisher überlebenden Kinder, wobei der ältere Hetan ein Spross der kurzen früheren Ehe des Gosbert war. Das zu schwache Weib war im Kindbett gestorben, Hetan hatte nie eine andere Mutter gekannt als sie selbst, auch seine Amme war schon längst in die Nachwelt gegangen. Es war aber ein ganz anderer Gedanke, der sie seit Tagen nicht mehr losließ.
„Was wirst du wegen Kilian und seiner Anhänger bestimmen?“
„Ich weiß es noch nicht. Er bringt Unfrieden unter die Leute. Sie sollen arbeiten, Weib und Brut ernähren, den Hof bestellen, ihre Fron leisten. Nicht dem Hader des streitenden Glaubens folgen.“
„Hast du denn seine Worte schon einmal angehört?“
„Wozu denn? Ich kenne die Geschichte. Ein Gott, der Andersgläubige und Ungehorsame straft, und den man fürchten soll. Ein Schwächling von Sohn, nicht einmal ein Gott, der sich Christ nannte und von den Römern wohl zu Recht gerichtet wurde. Irgendwelche Himmelfahrten, ein Geist, der nichts tut und Mönche wie dieser Kilian, deren höchstes Glück es ist, irgendwo zum Unfrieden anzustiften, um schließlich selbst gerichtet zu werden. So endet das mit denen. Ist nicht das erste Mal. Tut mir leid, mein Herz. Besser, man schickt sie fort, solange noch Zeit ist.“
„Heilige Männer, die man hinrichtet?“ Gailana blieb der Bissen nur halb gekaut erschrocken im Hals stecken, so dass sie ihn hustend wieder hervorwürgen musste.
Gosbert klopfte ihr sanft auf den Rücken. „Ach Liebes, das geschieht immer wieder. Wenn jemand Ärger macht und die Gefolgsleute aufwiegelt, was bleibt dem Herrn oder gar Fürst dann schon anderes übrig? Oft legen es diese Mönche geradezu darauf an, das ist das Wundersame an ihnen.“
„Aber der König und viele seiner Gefolgsleute sind doch dieses neuen Glaubens. Sollten wir da nicht auch …“
„Ja, das sind sie. Schon lange. Aber ebenso lange sind die verschiedenen Lande der fränkischen Reiche auch ihren eigenen Traditionen und Göttern gefolgt. Das ist gut für den Frieden. Wir haben genug damit zu tun, hereindringende Stämme zurückzuschlagen und das Land zu bestellen. Ich will keinen Glaubenshader in meiner Herrschaft. Ist doch ganz egal, welche Götter die Leute haben, solange sie folgsam sind.“
„Aber dann ist es doch auch gleich, wenn sie dem neuen Glauben folgen wollen. Damit schaden sie doch nicht.“
„Du verstehst es nicht. Du und ich, wir huldigen auch dem Kult der Diana. Nur wenige tun es uns gleich, aber wir fordern nicht, dass es alle tun. Dein Mönch aber schon, er will alle bekehren, wie er sagt. Stell dir vor, einer folgt, der nächste aber nicht. Zuerst entsteht der Hader, dann kommt das Blutvergießen. Willst du das?“
„Er ist nicht mein Mönch!“ Gosbert lachte. „Ich kann aber dennoch nicht glauben, dass Kilian und seine Gefährten danach trachten die Leute zu entzweien, bis das Blut fließt.“ Gailana stand auf, lief in der lichten Halle hin und her. Für Gosbert ein Zeichen, dass es angeraten war, sein Weib zu besänftigen.
„Sei unbesorgt, Liebes. Ich lasse es nicht soweit kommen. Sie werden schon morgen weiterziehen, ich habe es sie bereits wissen lassen. Der Ire soll es sehr gefasst aufgenommen haben.“
„Nein!“, brach es aus Gailana heraus. „Das ist nicht der Weg! Es muss eine andere Möglichkeit geben, um den Hader zu vermeiden.“
„Der Weg?“, fragte Gosbert verwundert und etwas belustigt zugleich. "Gibt es da etwas, das ich wissen sollte? Sind die säuselnden Worte von der Barmherzigkeit seines Gottes etwa schon zu dem Busen deiner weibischen Empfindsamkeit vorgedrungen, oder ist es der Mann, der dich rührt?“
Wie vom Schlag getroffen blieb Gailana stehen, die Röte des Zorns und noch etwas Anderes schossen ihr ins Gesicht: „Du elender Bauer! Du Nichtswürdiger in einer Herrschaft ohne jede Macht oder auch nur irgendeinen Glanz. Ich bin Ebroins Tochter, ein Mächtiger des Reiches! Du bist nur ein Bauer, der sich mit seinen Gefolgsleuten gemein macht.“
Gailanas Fäuste trommelten auf den Gescholtenen ein, Tränen flossen, die Stimme erstickte. Ein Aufbrausen des Zorns, wie ihn Gosbert nur zu gut kannte, und wie er auch diese Eigenschaft an seiner schönen Gemahlin voll des Feuers und der Leidenschaften seltsamerweise genoss. Er fasste ihre Arme, hielt mit seiner eigenen Stärke das Trommelfeuer ihrer Fäuste zurück und ließ sie im Erlahmen der Kräfte in die eigenen Arme sinken.
„Liebes, wenn ich die Mönche nicht fortschicke, wird es nun einmal Ärger geben.“
Gailana hob den Kopf von seiner Schulter. „Aber dann wird Kilian sicher Klage führen bei dem Arnulfinger oder sogar bei dem König selbst.“
„Woher willst du das wissen. Hat er dir das gesagt?“
„Nein. Aber er hat mir sein Pergament gezeigt, und er hat mir vorgelesen, was dort steht.“
„Das hat nichts zu bedeuten. Ich bin ein treuer Gefolgsmann, nur darauf kommt es für den Arnulfinger an. Wenn er Klage führt, steht sein Wort gegen meines.“
„Du wirst dort mit Namen benannt. Du oder dein Nachfolger. Du wirst zum Gehorsam aufgefordert. Das Pergament droht uns an, das Herzogtum zu verlieren, wenn wir die Mission seines Überbringers nicht gestatten.“
Gosbert dachte nach. „Das kann er erfunden haben. Wir sind des Lesens dieser Worte nicht kundig. Vielleicht ist es nicht einmal die Urkunde des Königs.“
„Das glaube ich nicht. Ich habe das Siegel gesehen.“
„Gut, du hast das Siegel gesehen. Anstatt sie fortzuschicken, was soll ich mit den Mönchen also tun?“
„Lass sie zu den Leuten reden. Sag dem Volk, dass niemand streiten darf um Alten oder Neuen Glauben. Und gestatte ihnen eine Heimstatt ihres Glaubens zu errichten. Hier in unserer Mitte.“
„Was!“