Читать книгу Gailana und die frommen Männer - Christoph Pitz - Страница 7
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Das Gewand passte wie angegossen, betonte die weiblichen Rundungen gerade so üppig, wie es sein sollte. Hüfte, Taille, Brüste. Das von den Kindschaften leicht hervortretende und zu ihrem Ärgernis bereits faltige Bäuchlein verdeckte geschickt ein breiter Ledergürtel mit metallener Fibel und fein gestanzten Silberbeschlägen; dazu edel gewirkte Kordeln bis zum Saum des Gewandes und ihren Fußknöcheln. Gailana blickte zufrieden an sich herab, verbog sich Kopf und Blick wendend, um auch die Kleinigkeiten ihres vollkommenen Werkes in sich aufzunehmen. Noch einmal nahm sie die vielseitigen Stickereien und eingewobenen Schmucksteine in Augenschein, die Figur unterstreichenden Muster nach alter Tradition und Runenzeichen für Herrschaft, Glück und Erfolg. Auf Symbole der Fruchtbarkeit hatte sie verzichtet, denn wenn es überhaupt möglich war, wollte sie so schnell kein weiteres Balg mehr in ihrem Schoß aufnehmen.
„Bring mir das Geschmeide, Bertrada“, sagte Gailana, „die große, dreireihige Halskette mit den in Gold fein geschlagenen Armreifen dazu, nicht das grässliche Zeug, das der alte Schrat zum letzten Julfest überbracht hat.“
Die Angewiesene schlurfte zu der großen Truhe in der Kammerecke, hob den schweren Deckel an, fand den geforderten Schmuck mit geübtem Griff. Bertrada war einst schon die Anme Gailanas gewesen, als diese in einer unsteten Welt als Tochter des austrischen Hausmeiers Ebroin aufgewachsen war. Mit der Verheiratung an Gosbert folgte sie der jungen Herrin in diesen entlegensten und elendigsten Winkel aller fränkischen Reiche und hatte sich fortan nicht nur um die Fürstin gekümmert, sondern auch die ganze einkehrende Brut versorgt. Es kam nun nach und nach die Zeit, da ihr dies alles den Rücken beugte.
„So beeil dich doch“, schalt Gailana, „die Jagd kehrt bald zurück und noch nicht einmal das Haar ist gerichtet.“
„Ich komm ja schon. Immer schön langsam mit den alten Weibern.“ Bertrada drückte ihrer Herrin die Armreife unsanft in die Hand und machte sich daran, die schwere Halskette umzulegen. „Für was machst du denn so ein Gewese, Gosbert wird es nicht einmal bemerken. Der feiert nach der Jagd mit seinen Kumpanen. Du hast mir doch keine Dummheit vor, Kleines?“
„Vergiss nicht, mit wem du sprichst! Bessere als dich finde ich allemal selbst in diesem verlorenen Land der Schwarzelfen in Fluss und Boden.“
„Das kannst du ja mal versuchen. Bis dahin poliere ich dir aber noch dreimal das Hinterteil. Also sprich, was tust du heute hier?“ Die Alte ließ sich nicht beirren, solche Scharmützel waren beiden Frauen nicht fremd.
„Das sollst du bereuen, alte Wachtel…“, Gailana hielt abrupt inne, ging ein paar Schritte, ließ sich auf der Bank neben dem Tisch in ihrer Kammer nieder, eine Träne floss. „Keine Dummheit, Bertrada. Ich hab‘ das alles hier aber so satt. Ein bisschen Herrschaft, ein bisschen Glanz. Das ist doch nicht zu viel verlangt. Der Gosbert aber ist ein verdammter Bauer, ein Streuner, der sich an seinen Grenzen mit den Nachbarn um ein Stück verirrtes Vieh schlägt. Das ist nicht gerecht.“
„Ach Kindchen, du weißt doch, wie es ist, wenn du als Weib in die Welt geworfen bist. Du musst dich fügen, arbeiten und gebären. Da ist das Los der Fürstin nicht viel anders als dasjenige ihrer Dienerin. Ich habe es dir oft gesagt.“
„Ja, das hast du. Aber mein Vater Ebroin hat die Reiche der Franken wieder zusammengeführt und die Herrschaft in seinen Händen gehalten.“
„Wofür ihn die Feinde auch erschlagen haben. Vergiss das nicht. Jetzt herrscht der Arnulfinger. Und Pippin hat dich gewiss nur übersehen, weil du hier fernab seines Blickes lebst.“
„Du vergisst deine Stellung! Mein Mann ist noch immer Herzog und ein Verwandter des Königs.“
„Liebes, mach doch die Augen auf. Theuderich ist nur König, weil er der nachgeborene Merowinger ist. Man nennt ihn so, aber er kann nicht herrschen. Pippin ist es, der herrscht. Deines Vaters Geschlecht und auch die Königslinie des Geschlechts deines Fürstgemahls haben die Macht im Reich verloren. Ihr müsst euch beide ruhig verhalten, um der Aufmerksamkeit des Mächtigen zu entgehen.“
Gailana drückte das Kreuz durch, straffte ihre Haltung. „Denk was du willst, ich bin die Tochter des Ebroin. Und mein Gatte Gosbert steht der Königswürde näher als irgendein Arnulfinger oder Pippinide, oder wie die sich auch sonst noch nennen werden.“
Noch bevor der Satz beendet war, schoss die kleine Immina durch den Raum und verbarg sich zielsicher unter den Rockschößen Bertradas, gejagt von ihrem großen Bruder Hetan. Dieser wandte sich empört an seine Mutter.
„Die kleine Eiterbeule hat sich in der Küche einfach auch meine Schüssel mit dem Fleischeintopf für heute unter den Nagel gerissen.“
„Gar nicht wahr! Er wollte mir meine wegnehmen“, kam es unter dem Stoff der alten Dienerin hervor.
„Ruhe“, schrie die Fürstin dazwischen, „seid ruhig. Verschwindet! Ich muss mir die Haare machen.“
Bertrada nahm die Kinder zu beiden Seiten energisch an der Hand und zog sie aus der Kammer hinaus.