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3.04 Anorexia nervosa (Magersucht)
ОглавлениеBeatrice, 15 Jahre, Magersucht
Beatrice war immer unproblematisch, ein Sonnenschein. Im Kindergarten war sie beliebt, in der Grundschule eine sehr gute Schülerin. Beatrice besucht die 9. Klasse eines Gymnasium mit guten Zensuren.
Beatrices Essverhalten verändert sich zunächst unmerklich, sie beginnt auf eine gesunde Ernährung zu achten und auf Süßigkeiten zu verzichten. Sie beginnt im Weiteren langsam zu essen, nimmt nur kleine Portionen zu sich. Isst sie eine Scheibe Brot, so schneidet sie dünne Scheiben in kleine Stücke, die sie nach und nach verzehrt. Die Nahrungsmengen werden immer kleiner, gleichzeitig backt und kocht Beatrice für ihre Familie und ihre Freundinnen.
Beatrice verliert ständig an Gewicht, ihre Regelblutungen bleiben aus. Zum Zeitpunkt der Vorstellung wiegt Beatrice 41 kg bei einer Größe von 1,70 m.
Beatrice und ihre Eltern berichten neben dem Gewichtsverlust von einer starken Unruhe und erheblichen Schlafstörungen. Beatrice nimmt ein Schilddrüsenmedikament ihrer Großtante, die im Haus nebenan wohnt, da sie gehört hat, dass diese Tabletten den Grundumsatz und damit den Kalorienverbrauch steigern.
Bei Beatrice liegt eine Magersucht vor.
Einer stationären Behandlung steht Beatrice sehr ablehnend gegenüber. Auch ihre Eltern zeigen sich zunächst skeptisch. Ein ambulanter Behandlungsversuch scheitert, Beatrice nimmt weiter an Gewicht ab. Nach einem halben Jahr wird sie mit einem Körpergewicht von 37,3 kg stationär aufgenommen. In der Klinik stabilisiert sich ihre Situation, sie nimmt zu. Anschließend erfolgt eine ambulante Psychotherapie.
Eine Magersucht betrifft Mädchen weitaus häufiger als Jungen. Sie entwickelt sich selten vor Beginn der Pubertät. Typisches Zeichen einer Magersucht ist ein Gewichtsverlust, der auch beabsichtigt ist. Oft essen die Mädchen nur bestimmte (kalorienarme) Speisen und das sehr langsam. Die Mädchen treiben Sport mit dem Ziel Kalorien zu verbrauchen, sie empfinden sich trotz ihres geringen Körpergewichts noch als zu dick und sehen ihre Magerkeit nicht als Problem an. Bei jugendlichen Mädchen bleibt bei stärkerem Untergewicht die Regel aus, was ein weiterer Hinweis auf eine Magersucht ist.
Neben einer organischen Diagnostik, die ausschließt, dass eine körperliche Erkrankung vorliegt, ist eine kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik möglichst frühzeitig unerlässlich, da eine Magersucht eine ernste Erkrankung darstellt, die unbehandelt dazu neigt chronisch zu werden und tödlich verlaufen kann. In jedem Einzelfall muss entschieden werden, ob ein ambulanter Behandlungsversuch möglich oder eine Aufnahme in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie notwendig ist.
Literatur:
Bryant-Waugh, R.; Lask, B.: Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen, Huber 2008