Читать книгу Northern Lights - Die Wölfe vom Mystery Creek - Christopher Ross - Страница 5
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ОглавлениеVon einer Sekunde auf die andere wurde es schwarz. Zu spät hatte der Pilot der Cessna die riesige Rauchwolke erkannt. Die kleine Maschine bockte widerspenstig und schien sich selbstständig machen zu wollen, taumelte orientierungslos durch die Luft, bis der Pilot die Kontrolle zurückgewann. Er ging in eine steile Linkskurve und lenkte die Maschine nach unten, atmete erleichtert auf, als sie die Rauchwolke hinter sich ließen und wieder freie Sicht hatten.
»Sorry«, entschuldigte er sich, ohne eine Miene zu verziehen, »die hatte ich nicht auf dem Schirm. Muss sich selbstständig gemacht haben. Bei einem so großen Feuer weiß man nie, vor allem, wenn der Wind verrücktspielt.«
Carla war blass geworden. Sie bekam keine Flugangst und hatte sich in kleinen Maschinen wie der Cessna immer sicher gefühlt, auch bei schlechtem Wetter. Wer in Alaska aufgewachsen war, einem Land, in dem es mehr Flugzeuge als Autos gab, stieg in eine Cessna wie andere Leute in den Stadtbus.
Sie wollte etwas antworten wie »Kein Problem« oder »Schon gut, wir leben ja noch«, doch bei dem Anblick, der sich ihnen jenseits des Kenai Lake bot, verschlug es ihr den Atem. Sie stöhnte auf. Das Land brannte. Orangerote Flammen hatten sich in die Wälder gefressen, loderten unter einer gigantischen Rauchwolke, die sie auf fatale Weise an einen Atompilz erinnerte. Ein verwüstetes Land wie ein Kriegsgebiet.
Der Wind war noch immer heftig, und der Pilot hatte alle Hände damit zu tun, die Cessna sicher auf dem See zu landen. Scheinbar widerwillig holperten die Schwimmer über den unruhigen See. Erst fünfzig Meter vor dem Ufer kam die Maschine zur Ruhe und kämpfte sich mit gedrosseltem Motor zur Anlegestelle. Der Pilot sprang auf den Steg und half ihr von Bord. Auch ihn hatte der Anblick der brennenden Wälder getroffen. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm ist. Ich mache wohl besser, dass ich wegkomme.« Er stieg wieder in die Maschine. »Passen Sie gut auf sich auf und riskieren Sie nicht Ihr Leben für ein paar Wölfe. Rufen Sie mich an, wenn Sie zurückwollen.«
»Mach ich. Guten Flug!«
Carla griff nach ihrem Rucksack und stieg zum Ufer empor. Pearl Lorraine, die Besitzerin des Kenai Inn, hatte die Cessna landen gesehen und wartete vor ihrem Hotel, einem zweistöckigen Blockhaus mit zehn Zimmern. Im Sommer vermietete sie es hauptsächlich an Angler. Sie war um die Fünfzig, hatte ihre Haare nicht gefärbt und auch kein Make-up aufgetragen. Sie schien sich ganz auf ihr freundliches Lächeln zu verlassen. »Carla Gorman? Ich darf doch Carla sagen? Ich bin Pearl Lorraine. Mir gehört der Laden hier, seitdem mein treuer Gatte, Gott hab ihn selig, sich endgültig aus dem Staub gemacht hat.«
»Freut mich, Pearl. Das Feuer sieht schlimm aus.«
»Als ob wir nicht schon genug gelitten hätten. Das Feuer vor zwei Jahren war zwar nicht ganz so schlimm, hat mich aber eine ganze Saison gekostet. Und dieses Jahr hab ich auch nur Stornierungen. Sie sind mein erster Gast.« Sie gingen ins Haus und erledigten die Formalitäten. »Zeit für einen Kaffee?«
»Gern. Ich muss sowieso auf meinen Kontaktmann warten.«
»Chief Baxter?«
»Al Baxter von der Division of Forestry. Er koordiniert den Einsatz der Firefighter auf der Kenai-Halbinsel.« Carla zog ihr Handy aus der Anoraktasche und wählte seine Nummer. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. »Ja?«
»Carla Gorman von Wolf Aid. Ich bin im Kenai Inn.«
»Okay. Ich lasse Sie von einem meiner Firefighter abholen.« Im Hintergrund erklangen laute Rufe, und man hörte den lauten Motor eines Bulldozers. »Kann eine Weile dauern, Miss, hier geht’s gerade drunter und drüber.«
»Ich warte hier.«
Sie zog ihren Anorak aus und setzte sich. Obwohl sie erst gestern von einer Tagung an der University of Alaska in Anchorage zurückgekommen war und kaum geschlafen hatte, sah sie einigermaßen manierlich aus. Zumindest so attraktiv, dass der Pilot sie anerkennend gemustert hatte. Das lag vor allem an ihren wachsamen blauen Augen, hatte sie sich sagen lassen, und ihrer sportlichen Erscheinung. Ihre dunkelblonden Haare, die sie wie meist während der Arbeit zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, wirkten eher bieder.
»So, da wäre ich wieder«, sagte Pearl, als sie mit dem Kaffee erschien. Sie setzte sich in den Sessel gegenüber. »Mein Sohn arbeitet für den Chief. So nennen wir Al Baxter hier. ›Wildland Fire and Resource Technician‹ klingt zu kompliziert, finden Sie nicht auch? Lucky, so heißt mein Sohn, ist erst seit einem halben Jahr dabei, dies ist sein erster großer Einsatz.« Sie nippte an dem heißen Kaffee, sichtlich stolz auf ihren Sohn. Wo ihr Mann abgeblieben war, verriet sie nicht. »Sie arbeiten für Wolf Aid? Sie retten wilde Tiere?«
Carla trank ebenfalls. Sie mochte lieber Cappuccino, und der Kaffee war ihr viel zu stark, aber sie ließ sich nichts anmerken. »Ich bin Biologin. Für Wolf Aid betreiben wir ein Wolf Center, in dem wir verletzte Wölfe gesund pflegen und die Öffentlichkeit über Wölfe aufklären. Solange viele Menschen noch glauben, Wölfe wären so gefährlich wie der große böse Wolf in ›Rotkäppchen‹ oder den Mickey-Mouse-Geschichten, gibt es da noch einiges zu tun. Und wir werden natürlich gerufen, wenn es Probleme mit Wölfen gibt, oder wenn Tiere wie bei einem Waldbrand oder anderen Katastrophen in Gefahr geraten oder verletzt werden. Nicht nur Menschen sind dann bedroht.«
Die Fröhlichkeit war ein wenig aus Pearls Augen verschwunden. »Na, dann seien Sie froh, dass mein Mann mit einer Jüngeren durchgebrannt ist. Gus hasste Wölfe wie die Pest. ›Die Bestien sollte man ausrotten‹, sagte er immer, die wären schlimmer als Ratten und würden kleine Kinder fressen.«
»Und Sie? Denken Sie auch so?«
»Begegnen möchte ich keinem, aber ich hab nichts gegen Wölfe. Ich finde manche Hunde viel schlimmer. Wenn ich vor einem Supermarkt aus dem Wagen steige, faucht mich garantiert einer an. Aber mein Ex musste auch alle paar Tage in den Wald, er war Holzfäller, und mochte weder Wölfe noch Bären. Oder alle anderen Viecher, die einem dort gefährlich werden können.«
Von draußen klang Motorengeräusch herein. Ein Firefighter in voller Montur erschien und stellte sich als Philip McDonald vor. Er war überhaupt nicht ihr Typ, hatte rötliche Haare und Sommersprossen um die Nase, war aber durchtrainiert und sportlich und begrüßte sie mit einem sympathischen Lächeln. »Sagen Sie Phil zu mir. Bei McDonald’s bestellt man Hamburger.«
»Carla«, erwiderte sie.
Er musterte sie. »Sie haben feuerfeste Stiefel und Hosen an, wie ich sehe. Schutzjacke, Helm und Handschuhe hab ich im Wagen.« Er deutete auf ihren Rucksack. »Wasserflasche? Proviant? Verbandszeug? Man hat mir gesagt, Sie wüssten, wie man sich in der Wildnis verhält. Der Chief lässt Sie nicht zu dicht ans Feuer ran, zu gefährlich, aber bei einem Waldbrand weiß man nie.«
»Wie geht es meinem Sohn?«, fragte Pearl. »Lucky ist doch okay?«
»Lucky? Den wirft so schnell nichts um. Er ist am Jean Lake oben und hilft den Hot Shots aus Palmer, eine Brandschneise gegen die Flammen zu graben. Es geht ihm gut, Ma’am. Hot-Shot-Teams bestehen aus erfahrenen Spezialisten, die lassen nichts anbrennen. Im wahrsten Sinne des Wortes.«
Carla hatte ihren Rucksack umgeschnallt. »Könnte spät werden«, sagte sie zu Pearl, bevor sie dem Firefighter zu seinem Geländewagen folgte. Sie zog die gelbe Schutzjacke an und nahm den Helm mit auf den Beifahrersitz. Ein leichter Schutzhelm mit einem herunterklappbaren Visier gegen Funkenflug.
Die ersten Meilen kamen sie gut voran. Wegen des Feuers war kaum Verkehr, und nur die dichten Rauchwolken, die aus nordwestlicher Richtung über das Land zogen, machten ihnen zu schaffen. Zusammen mit dem Widerschein der Flammen, die bisher noch in respektvoller Entfernung vom Highway brannten, verband der Qualm sich zu einem orangefarbenen Nebel, der ohne seine verheerenden Auswirkungen sicher als Naturereignis gefeiert worden wäre.
»Seit einigen Tagen geht das schon so«, sagte Phil, »schlimmer war es nur vor zwei Jahren nördlich von Valdez.« Dichte Rauchschwaden, vom Wind über die Straße getrieben, zwangen ihn, langsam zu fahren. »Ihr erstes Feuer?«
Sie blickte nervös in den Rauch. »Einige kleine Brände, nicht zu vergleichen mit der Katastrophe hier. Bekommen Sie das Feuer unter Kontrolle?«
»Wir haben alle Firefighter im Einsatz, die greifbar waren. Sogar ein Hot-Shot-Team aus Montana. Diese Hot-Shot-Männer sind noch besser ausgebildet als wir, so was wie die Marines der Feuerbekämpfung. Und einige der Piloten, die mit Löschflugzeugen und Hubschraubern unterwegs sind, haben schon riesige Ölbrände in Texas und Mexiko gelöscht. Das Feuer hat keine Chance, aber es wird wohl einige Zeit dauern, bis wir es gelöscht haben.«
»Ich hab gehört, ein Blitz soll es ausgelöst haben.«
»Vor einer Woche gab’s ein Gewitter in unserer Gegend, da hat es ordentlich gekracht und geblitzt. So entstehen die meisten Waldbrände. Aber es kann auch was anderes gewesen sein. Eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe, das Lagerfeuer eines Campers, wahrscheinlich erfahren wir das nie.«
»Brandstiftung?«
»So verrückt war hoffentlich keiner.«
Sie hatten die Rauchschwaden durchquert und sahen sich einer Absperrung gegenüber. Ein Schild wies die Autofahrer an, auf das Pilot Car zu warten, das sie über die jetzt einspurige Strecke bis kurz vor Sterling führen würde.
»Wenn wir das Feuer nicht bald unter Kontrolle bekommen, müssen wir den Highway ganz schließen«, sagte Phil. »Unsere Leute sind dabei, eine breite Brandschneise nördlich des Sterling Highway zu graben, nur so können wir die Flammen davon abhalten, die Straße zu überqueren. Ich bin bei dem Team, das die Schneise von Gestrüpp befreit und kleinere Brände löscht.«
Carla wusste, dass ein Teil der Firefighter mit Wasserrucksäcken und einer Pumpe unterwegs war, um abseits der Stützpunkte gegen das Feuer vorgehen zu können. »Und es sind noch keine Menschen zu Schaden gekommen?«
»Zum Glück nicht. Nur ein paar Verletzte mit Rauchvergiftungen.«
»Und Tiere?«
»Tausende«, gestand er, »und wenn Sie Insekten, Käfer und Würmer mitzählen, wahrscheinlich Hunderttausende. Selbst Bären, Wölfe und Elche schaffen es oft nicht, vor einem Feuer zu fliehen. Die Schnelligkeit, mit der sich Flammen ausbreiten, wird meist unterschätzt, auch von Menschen.«
Das Pilot Car war erschienen und wendete vor ihnen. Der Fahrer winkte ihnen zu und fuhr mit flackernden Warnleuchten voraus. Der Wind stand hier günstiger, und es gab nur wenig Rauch, doch als Carla aus dem Seitenfenster blickte, konnte sie die Flammen in einiger Entfernung sehen, flackernde Feuerzungen, die trockenes Gras und Gestrüpp verbrannten und sich gierig an den Schwarzfichten emporfraßen. Ein faszinierender, aber beklemmender Anblick, der ihr Angst einjagte, obwohl das Feuer noch meilenweit entfernt war.
Carla war nach ihrer Rückkehr aus Anchorage von Chief Baxter angerufen worden. »Wir haben hier etliche Leute vom BLM und Fish & Wildlife im Einsatz«, hatte er gesagt, »aber Sie wissen ja, wie diese Beamten sind. Unflexibel wie sonst was. Ich weiß, dass sich am Mystery Creek etliche Wölfe rumtreiben und hätte gern eine Expertin hier. Keine Ahnung, was wir bezahlen können, aber für ein paar Scheine wird es schon reichen. Ich hab was für Wölfe übrig, wissen Sie? Für Tiere überhaupt. Was wären wir in Alaska ohne Tiere? Die Leute kommen vor allem wegen unserer Natur. Wie sieht’s aus?«
So hörte Carla nur selten einen Mann reden. Die meisten waren nicht gut auf Wölfe zu sprechen, verteufelten sie und behaupteten, es gäbe sowieso zu viele in Alaska, und dass diese Bestien Kinder und hilflose Alte in Gefahr brächten. Reine Stimmungsmache, wie sie wusste. Wölfe wurden Menschen selten gefährlich, und Schafe und Kälber rissen sie nur, wenn es extrem kalt wurde und sich keine Beutetiere mehr in den Wäldern aufhielten. Sie gingen den Menschen möglichst aus dem Weg. Selbst Einheimische bekamen sie selten zu Gesicht.
Seine Einstellung, für einen Firefighter ausgesprochen bemerkenswert, und seine lockere Sprache nahmen sie sofort für Baxter ein. Normalerweise lag sie mit Regierungsbeamten und anderen Offiziellen im Clinch. Wölfe hatten ein schlechtes Image, auch bei den Behörden. Es gab über zehntausend Wölfe in Alaska. Was machte es schon, wenn ein paar Dutzend verbrannten? Viele Männer waren passionierte Jäger, die Wölfe als Feinde betrachteten.
»Und wie könnte ich helfen?«
»Wir haben genug mit dem Feuer zu tun und damit, gefährdete Menschen aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Für Tiere bleibt da wenig Zeit. Die meisten Vierbeiner, die wir finden, sind bereits tot. Am Mystery Creek soll es ein Wolfsrudel geben, vielleicht sogar zwei, und da wir gerade Frühjahr haben, könnten sich einige Welpen in ihren Bauten aufhalten. Wie gesagt, uns fehlen die Leute und das Know-how. Sie wissen, wo Sie suchen müssen, und können vielleicht einige retten, solange das Feuer ihnen nicht zu nahe kommt.«
Carla war überrascht. »Sie rufen mich wegen ein paar Welpen an?«
»Aber ich dachte …«
»Ich bin nur überrascht, Mister Baxter.«
»Chief. Selbst meine Frau nennt mich so.«
»Angenehm überrascht. Und ich bezweifle, dass Sie auch nur einen Dollar für mich lockermachen können. Wie wär’s stattdessen mit Apple Pie und leckerem Cappuccino? Mit viel Schlagsahne und Schokostreuseln obendrauf.«
Er lachte. »Das lässt sich machen, Miss.«
»Carla.«
»Carla. Ich lasse Sie im Kenai Inn in Cooper Landing abholen. Okay?«
Auf dem Weg zum Stützpunkt bog Phil auf die Mystery Creek Road nach Norden ab. Die schmale Straße, eigentlich eher ein Feldweg, führte am Bach entlang und war so holprig, dass er ständig gegensteuern musste. Über den Schwarzfichten hingen schmutzige Rauchwolken, die zunehmend dichter wurden. Durch den Rauch waren bereits die Flammen zu sehen, die in den Wäldern weiter nördlich ein Inferno entfacht hatten. Vom Himmel war kaum etwas zu sehen, der Rauch und der Feuerschein versperrten ihnen die Sicht. Eine bedrohliche Umgebung, als wären sie auf einem fremden Planeten.
Das Camp der Firefighter sahen sie erst, als sie schon dicht davor waren. Eine Ansammlung von kuppelförmigen Zelten, die gelb in den Rauchschwaden zwischen den Bäumen leuchteten. Auf dem Boden dazwischen lagen Backpacks und Ausrüstung. Vom anderen Ufer des Mystery Creek drangen die Motorengeräusche zweier Bulldozer herüber, mit denen die Männer eine breite Schneise durch das Unterholz trieben. Als Carla ausstieg, erkannte sie andere Firefighter, die herumliegendes Gestrüpp einsammelten und kritische Stellen mit Wasser aus ihren Löschrucksäcken besprühten. Das Kreischen von Kettensägen begleitete die Männer, die im Weg stehende Bäume fällten.
Phil führte sie zu einem schnauzbärtigen Mann mit gutmütigen Augen. Mit einem Filzstift markierte er irgendwelche Stellen auf einer gefalteten Landkarte, griff nach seinem Funkgerät und wies einige Männer seines Teams an, sich etwas zurückzuziehen. »Denkt an den Wind, der spielt hier ständig verrückt! Den Helden könnt ihr zu Hause spielen, also seht euch gefälligst vor!«
»Chief, das ist Carla, die Wolfsexpertin«, stellte Phil sie vor.
»Höchste Zeit, dass Sie kommen«, erwiderte der Chief. Er sah wie ein Westernheld im Fernsehen aus, um die Fünfzig, aber sportlich und mit der angeborenen Autorität eines Leaders. Auf so einen Mann hörten selbst hartgesottene Burschen. »Ich dachte, Sie wären etwas älter.«
Den Satz hörte Carla oft. »Alt genug für den Job, Chief. Und nicht so jung, wie Sie denken. »Meine Eltern haben mir gute Gene vererbt, das ist alles.«
»Ich spüre langsam, dass ich älter werde«, erwiderte der Chief, »aber so ein Waldbrand ist ein gutes Training.« Er grinste. »Hier geht es schlimmer als in einem Bootcamp zu. Wir arbeiten hier rund um die Uhr. Tag und Nacht.«
»Ich hoffe, ich enttäusche Sie nicht. Wie kann ich helfen?«
Seine Miene verdüsterte sich. »Ich habe leider schlechte Nachrichten. Vor einer Stunde haben wir zwei Kadaver von Wölfen entdeckt. Die Tiere waren nicht markiert. Keine Ahnung, ob sie zum Mystery-Creek-Rudel gehören.«
»Einer mit einer rötlichen Narbe an der Stirn?«
»Keine Ahnung. Sie haben schwer was abbekommen, und man kann kaum noch was erkennen.« Er deutete über die Zelte hinweg. »Sie liegen dort drüben. Phil kann sie Ihnen zeigen. Vielleicht erkennen Sie ja mehr als wir.«
Carla war auf einiges gefasst, erschrak aber dennoch, als sie die verkohlten Wölfe im Gras liegen sah. Sie waren kaum noch als Tiere zu erkennen, und ihre Zähne wirkten inmitten der schwarzen Asche besonders Furcht einflößend. Die Kadaver qualmten noch. Der beißende Gestank war kaum zu ertragen. Während ihrer Arbeit war sie dem Tod schon einige Male begegnet, und sie war immer sehr gefasst gewesen, aber dieser Anblick war beinahe zu viel.
Sie nahm ein Paar Latexhandschuhe aus ihrem Rucksack und beugte sich über die toten Wölfe. Erwachsene Tiere, vielleicht drei oder vier Jahre alt. Ihr Fell war fast vollständig verbrannt. Sie tastete ihre Stirnpartien ab, so behutsam, dass sie Abweichungen von der Norm erkennen würde, brauchte aber mehrere Minuten, bis sie eine Einkerbung im Schädel eines der Wölfe fand.
»Das müsste Luna sein«, sagte sie.
»Luna?« Phil blickte sie fragend an.
»Die Alpha-Wölfin des Mystery-Creek-Rudels«, erklärte sie. »Ich nehme an, sie wurde vom Huftritt eines aufgebrachten Elchs getroffen. Andere Wölfe wären sofort tot gewesen, aber sie war hart im Nehmen. Den anderen Wolf kann ich nicht identifizieren. Männlich, vermute ich. Der Alpha-Wolf?«
Sie kehrte zum Chief zurück und erstattete ihm Bericht. »Sie wissen, was das bedeutet«, schloss sie. »Wenn es Welpen gibt, was ich doch stark annehme, sind sie jetzt ohne Mutter und sitzen vielleicht hilflos in ihrem Bau.«
»Da können wir wahrscheinlich nicht mehr viel ausrichten.«
»Ich könnte es doch versuchen?«
Statt einer Antwort krachte ein Schuss in unmittelbarer Nähe. Selbst der Chief zuckte zusammen und sagte: »Ich glaube, jetzt haben wir noch einen toten Wolf. Das war Jason. Der Wolfsjäger, den die Farmer geschickt haben.«