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Der Aufbau des Buchs

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Das Buch entwickelt fünf Argumentationsstränge, denen jeweils ein Kapitel entspricht. Im ersten Kapitel wird ausgeführt, dass mit dem Begriff Laizität nicht eine ontologische Lesart gemeint ist, sondern eine transzendentale. Laizität wird hier als Zusammenspiel der Voraussetzungen gedacht, die es den unterschiedlichen Varianten von Religion (und, ganz allgemein, unterschiedlicher Weltsichten) ermöglichen, Ausdruck in einer pluralistischen Gesellschaft zu finden, und die zudem die Menschenrechte gewährleisten. Sie sind keinesfalls bloß prozeduraler oder formaler Art, wie man vielleicht zu glauben könnte, sondern von ganz substanzieller Natur (angefangen, beispielsweise, bei der Bildungspolitik). Sie legen die Prinzipien fest, von denen für keinen Gott abgewichen werden darf. Laizität wird hier also nicht als der eine Pol einer Symmetrie verstanden, sondern als vorpolitische Voraussetzung für das zivile Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft.

Im zweiten Kapitel wird erläutert, dass es in dieser Schrift nicht um den »Wahrheitsgehalt« der verschiedenen Religionen geht, sondern dass ihr »Handeln in der Welt« reflektiert wird. Religionen werden als soziale und kulturelle Phänomene betrachtet, um zu untersuchen, wie sie den Rest der Gesellschaft beeinflussen und wie sie umgekehrt von ihr beeinflusst werden. Ganz und gar abseits der Stoßrichtung dieser Arbeit liegt die Ermittlung der Botschaft und ihres Wahrheitsgehalts dieser oder jener Religion. Es soll ausschließlich um ihr Handeln im Hier und Jetzt gehen, insbesondere im europäischen Kontext, der, wie erwähnt, den Bezugsrahmen des Buches bildet. In diesem Kapitel wird auch zu erklären versucht, weshalb von den zahlreichen kulturellen Elementen, die zur Komplexität unserer Gesellschaft beitragen (Sprache, Gewohnheiten, Bräuche), Religionen, aufgrund des privilegierten Status, den sie heute genießen, das größte Konfliktpotenzial verheißen. Gleichzeitig soll gezeigt werden, dass das Abdriften in den Fundamentalismus (der sich am liebsten auf die Rechte und Freiheiten der Frauen stürzt) nicht irgendeiner bestimmten Religion eigen ist, sondern Teil einer jeden Glaubensrichtung.

Im dritten Kapitel wird es um das gehen, was man de facto als eine neue europäische Religion betrachten muss, den Islam. Es wird argumentiert, dass es »den Islam« gar nicht gibt, sondern viele Islame, und dass – genauso wie bei jeder anderen Religion auch – man sich aktiv einbringen und anstrengen muss, um die kulturelle Vorherrschaft nicht den Fundamentalisten zu überlassen. Denn zusammen mit den christlichen Fundamentalisten, die wir allzu gut kennen, stellen sie heute in Europa die größte Herausforderung für die Laizität dar. Um dieses Vorhaben auszuführen, muss man die neue europäische Religion in all ihren Ausprägungen untersuchen, frei heraus alles damit Zusammenhängende ansprechen, ohne irgendein Tabu hinzunehmen, und sich kategorisch dem instrumentalisierten Vorwurf der Islamophobie entziehen, der häufig als Totschlagargument verwendet wird, um jede Diskussion im Keim zu ersticken. In der öffentlichen Debatte ist nichts heilig.

Das vierte Kapitel ist ganz der Zergliederung des Konzepts »Identität« gewidmet, das heutzutage in vielen politischen Positionen eine zentrale Rolle spielt. Dabei soll die Existenz einer multiplen Identität angenommen und verteidigt werden, die sich in ihrer Summe dennoch auf jedes einzelne Individuum bezieht. Dieses ist Träger einer einzigen unverwechselbaren Identität, die sich ihrerseits aus zahlreichen Zugehörigkeiten oder, besser, Herkünften zusammensetzt, welche wiederum miteinander verwoben sind, und zwar auf eine je unterschiedliche Weise nicht nur von Individuum zu Individuum, sondern auch in jedem einzelnen Individuum, abhängig davon, in welcher Phase und welchem Bereich seines Lebens es sich gerade befindet. Es handelt sich also um einen Identitätsbegriff, der weder statisch noch monolithisch ist, sondern auf intrinsische Weise widersprüchlich und in beständigem Wandel begriffen und in dessen Kern das einzigartige, unnachahmliche Leben eines jeden Menschen steckt.

Ausgehend von diesem kritischen Identitätsbegriff werden anschließend, im fünften Kapitel, die Konzepte Kommunitarismus und Multikulturalismus kritisch hinterfragt. Es wird die Ansicht vertreten, dass ausschließlich einzelne Individuen rechtswürdige Subjekte sein können (als Träger seiner diversen Zugehörigkeiten) und keine Gruppen oder Gruppierungen.

Dabei negiert diese Betrachtungsweise keinesfalls, wie stark die Herkünfte bei der Definition der eigenen Identität ins Gewicht fallen, sondern stellt die Prioritäten auf den Kopf: Das Individuum ist der Träger von Identität und Zugehörigkeiten, es sind nicht die Herkünfte, die das Individuum in einem geschlossenem System definieren. In diesem Kapitel wird eine Kritik des Multikulturalismus vorgelegt, die von einem universalistischen und kosmopolitischen Standpunkt ausgeht, und es werden einige Positionen diskutiert, die zwar von einem kosmopolitischen Ansatz ausgehen, dann jedoch in Richtung multikulturalistischer Thesen abbiegen und so ihre eigenen Prämissen negieren.

»In der politischen Entwicklung menschlicher Gemeinwesen sind wir an einem Punkt«, schreibt Seyla Benhabib, »an dem das unitarische Modell der (Staats-)Bürgerschaft, das den Aufenthalt in einem spezifischen Territorium mit der Unterwerfung unter eine gemeinsame, bürokratische Regierung bündelt, die ein Volk repräsentiert, wahrgenommen als ein mehr oder weniger zusammenhängendes Ganzes, an ein Ende kommt.«6 Eine solche Aussage verleitet viele dazu, den Rechtsstaat infrage zu stellen und damit auch sein Grundprinzip eines einzigen, für alle gleichen Gesetzes zugunsten von Systemen, die stärker vermischt sind, »akkomodationistisch« oder offen pluralistisch, und die mit den Scharia-Tribunalen in Großbritannien bereits in Europa Fuß gefasst haben. Eine solche Betrachtungsweise führt de facto dazu, dass man potenzielle Verletzungen der Menschenrechte innerhalb der unterschiedlichen Gemeinschaften hinnimmt. Genau das wird hier entschieden abgelehnt.

Die Fallen des Multikulturalismus

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