Читать книгу Im Bett des ungeschliffenen Diamanten - Clare London - Страница 9

Kapitel 5

Оглавление

Joel hatte gedacht, am Montagmorgen früh genug im Büro zu sein, um für die zweite wöchentliche Teambesprechung als Erster den Sitzungsraum zu betreten. Er war einige Tage auf einem Strategiemeeting mit den restlichen Vorstandsmitgliedern gewesen. Die Neuigkeit von dem Auftrag war immer noch nicht allgemein bekannt, aber der Vorstand war gespannt auf den Fortschritt des Projekts.

Das war Joel auch, wie er zugeben musste. Er verstand zwar, dass ein kreatives Genie sich nicht drängen ließ, aber sie standen unter Zeitdruck. Als er jedoch durch den Flur des Mayfair-Büros marschierte, hörte er verschiedene Stimmen. Und darunter erkannte er zuallererst die von Matt Barth.

Als er die Tür öffnete, fand er Addam und Matt Schulter an Schulter vor dem großen Tisch vor, der über und über mit Papieren bedeckt war, wo sie sich auf einige große Zeichnungen konzentrierten. Hinter ihnen pinnten zwei von Addams Juniordesignern neue Skizzen an die Whiteboards an der Wand. Teresa saß am Fenster und ihre Finger flogen wie üblich über die Tastatur ihres Laptops.

»Guten Morgen, Chef, willkommen zurück!«, rief sie.

Addam sah auf und nickte grüßend. Matt hob den Blick gar nicht erst von den Zeichnungen. So verhielt er sich, seit er für Starsmith zu arbeiten begonnen hatte. Er reagierte kaum auf Joel. Joel ging zur Kaffeemaschine hinüber. Er ahnte, dass er heute extra viel Koffein brauchen würde.

»Wie geht es voran?«, murmelte er Teresa zu. Als sie mit den Schultern zuckte, verdüsterte sich seine Stimmung.

»Sie sind den Starsmith-Katalog schon hundertmal durchgegangen«, flüsterte sie zurück. »Aber nichts passt. Matt will etwas Neues. Etwas Einzigartiges.« Sie lächelte schwach. »Addam wird langsam frustriert.«

Drüben am Tisch wurde Matts Stimme lauter. Addam fauchte zurück. Aber sie standen immer noch beieinander und konzentrierten sich grimmig auf ihre Skizzen.

»Es gibt verdammt viel zu tun«, sagte Joel weiterhin mit gesenkter Stimme. »Geschenke für alle Hochzeitsgäste, ganz gleich, für welches Juwel sie sich letztendlich entscheiden. Alles in Gold und dem Anlass entsprechend gestaltet.«

»Parfümfläschchen? Vielleicht Manschettenknöpfe für die Männer.« Teresa dachte laut nach.

»Klischeehaft«, knurrte Matt, obwohl er sie unmöglich gehört haben konnte.

Addam verzog das Gesicht. Er hatte offensichtlich etwas Ähnliches vorgeschlagen.

»Und die wichtigsten Stücke«, sagte Joel. »Die Ringe für die Bräutigame.« Er trug seinen starken Kaffee zum Tischende hi-nüber und setzte sich. Er wusste, dass seine Fähigkeiten nicht im Designbereich lagen, aber heute schienen hier Verwirrung und Unentschlossenheit zu herrschen. Das Team brauchte ihn in einer anderen Funktion. Er sprach Matt und Addam direkt an. »Was habt ihr bisher?«

»Die Gestaltung ist und bleibt der wichtigste Punkt.« Addam zwirbelte die Spitze seines Barts, ein vertrautes Zeichen der Konzentration, wenn er mitten in einem Projekt war. »Wir haben uns noch auf kein Design geeinigt.«

»Matt?«, fragte Joel. Er hatte die Stimme nicht erhoben, aber Matts Kopf schoss hoch, als hätte Joel ihn erschreckt. »Hast du irgendwelche Ideen?«

Matt starrte finster vor sich hin. »Es ist wichtig, das Richtige zu finden.«

Joel nickte. »Aber wir haben nur eine Chance.«

Der Ausdruck in Matts Augen war so intensiv, so leidenschaftlich…

»Matt, ich habe ein Dossier vom Prinzen und Mr. Astra«, bot Teresa an. »Falls du glaubst, es könnte dich inspirieren, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sie gemeinsam aussehen…«

»Nicht nötig«, sagte Matt abrupt und sprach sanfter weiter. »Entschuldige, Teresa, ich wollte dich nicht anfauchen. Aber wir designen keinen Anzug. Hier geht es um Schmuck. Um das Gold und die Edelsteine. Ich weiß, welches Gleichgewicht zwischen klassisch und modern passt, wenn ich es sehe.« Er sah kurz zu Joel und schnell wieder weg. »Wenn wir alle es sehen.«

»Dann brainstormen wir noch mal«, unterbrach Addam. »Wenn wir das grundlegende Motiv haben, wird sich alles Weitere ergeben.«

***

Als das Team eine Mittagspause für Kaffee und Sandwiches einlegte, die Teresas Mitarbeiter für sie hereinbrachten, schlenderte Joel hinüber und stellte sich neben Matt.

»Findest du dich gut ins Team ein?«

»Ja, alle sind großartig. Und es ist toll, mit Addam zu arbeiten! Sein Ruf eilt ihm voraus.«

»Richtig. Ja.« Joel versuchte, den unangenehmen Knoten in seinem Magen zu ignorieren. Natürlich war Addam talentiert und sehr bekannt in ihrer Branche. Und ein sehr attraktiver, geselliger Mann. Da war der Knoten wieder, wie eine nagende Magenverstimmung.

»Du bist an einem Montag so früh den ganzen Weg von Norfolk gekommen.«

Matt hielt seinen Kaffee viel zu fest und schien Joels Blick nicht länger als ein paar Sekunden am Stück erwidern zu können. »Ich habe nicht vor, jeden verdammten Tag hin- und herzufahren. Ich übernachte bei… einem Freund. Er wohnt in London.«

Das Zögern war Joel nicht entgangen. Vielleicht hatte Matt hier einen Liebhaber, einen Partner. Einen Rivalen. Nein, um Gottes willen, woher war dieser Gedanke denn gekommen? Zwischen ihnen hatte es gefunkt, aber daraus würde jetzt nichts mehr werden.

Matt stieß ein seltsames Knurren aus. »Zieh nicht so ein verkniffenes Gesicht. Ich werde abgesehen von meinem Honorar keine weiteren Ausgaben von Starsmith einfordern.«

Jetzt war Joel damit an der Reihe, finster dreinzublicken. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Aber natürlich kannst du alles absetzen, wenn es im Rahmen der Vernunft bleibt. Wir wollen, dass du dich während der Zusammenarbeit wohlfühlst.«

Matt schnaubte. »Du meinst, ihr wollt, dass ich effizient arbeite.«

»Ja, das auch. Aber ich meinte wohlfühlen. Das habe ich ja gesagt.« Von wegen Vernunft. Der Mann war unerträglich!

»Aha. Okay.« Jetzt erwiderte Matt Joels Blick direkt, aber in seinem stand Verwirrung. »Ich verstehe. Ich meine, danke.«

Es war ein kleiner Schritt in Richtung der professionellen Höflichkeit, die sie einander entgegenbringen mussten, wenn Project Palace funktionieren sollte. Joel nahm einen weiteren tiefen Atemzug, vielleicht um ein persönlicheres Gespräch zu beginnen, aber dann rief Addam und Matt eilte zum Haupttisch zurück, um sich etwas anzusehen, das Addam auf ein großes Blatt Papier zeichnete. Matts Begeisterung und Ungeduld, gleich weiterzuarbeiten, waren deutlich zu sehen. Er blickte nicht noch mal zu Joel zurück.

Einen komischen Moment lang fühlte Joel sich seltsam verloren.

Er beobachtete das Team, wie sie gemeinsam scherzten und sich zankten. Lily und Freddie aus der Marketingabteilung waren hereingekommen, um sich zu ihnen zu gesellen, vielleicht zur Unterstützung, vielleicht wegen der Sandwiches – vor allem Freddie war immer für ein Gratisessen zu haben. Rafe kam ebenfalls herein und brachte Lilys liebsten Softdrink mit. Er war mit Freddie zur Schule gegangen, wie Joel sich erinnerte. Dieses Gewerbe gedieh aus einer Mischung aus Netzwerken, harter Arbeit und strahlendem, natürlichem Talent, wie Matt es hatte.

Ein plötzlicher Aufschrei von Addam riss Joel aus seinen Gedanken. »Oh mein Gott, ja! Jetzt sehe ich, was du meinst!«

Matt zeigte auf eine grobe Skizze, die Addam vorhin gezeichnet hatte. »Wir haben zu beschränkt gedacht, zu respektvoll. Bei diesem Projekt geht es um keine offizielle Krone. So eine wird dieser Prinz nie tragen müssen. Wir arbeiten an persönlichen Geschenken als Erinnerung an eine Liebesheirat.«

»Ich verstehe. Das Design kann viel einfacher, aber auch modischer sein.« Addam nickte.

»Natürlich nichts allzu Abstraktes, weil die Öffentlichkeit auch Erwartungen an die Tradition hat«, fügte Matt hinzu. »Das siehst du daran, dass königliche Bräute immer noch den Schmuck früherer Generationen tragen. Also sollte es trotzdem als königlich erkennbar sein. Eine Krone. Das ist ein guter Ausgangspunkt.« Mit der Hand skizzierte er die Form, während er angespannt vor Aufregung weitersprach. »Aber wir sollten einen modernen Stil nehmen, der zu einer besonderen Heirat des 21. Jahrhunderts passt.«

Joel hielt den Atem an und hörte zu, wie sie Magie wirkten. Er ging leise zum Tisch hinüber, um sie nicht zu stören.

»Du meinst…« Inzwischen nickte Addam so heftig, dass er sich die Haare, die aus seiner gestylten Frisur fielen, aus der Stirn schieben musste. »Eine einfache Diademform mit modernen, sauberen Linien statt prunkvollem Samt und religiösen Kreuzen. Drei Spitzen vielleicht, wie die Türme einer Kathedrale. Einige Gebäude in Mailand sind gute Beispiele…«

»Die Kathedrale von Norwich«, sagte Matt schroff, »hat einen großartigen Turm.«

Addam lächelte nur und nickte.

»Und um zu zeigen, dass es zwei Männer sind, die heiraten…« Matt nahm Addam den Stift aus der Hand, ohne erst zu fragen, und begann, die Ränder der ursprünglichen Skizze zu schattieren. »… betten wir das Diadem auf ein paar goldene Blätter, die den Lorbeerkranz der antiken römischen Kaiser andeuten…«

»Als Symbol für Mr. Astras Abstammung und die unserer eigenen Königsfamilie? Etwas Altes und etwas Neues. Ja, natürlich, ich liebe es.« Addam klang fröhlich. »Was denkst du, Chef?«

Joel warf einen Blick auf die grobe, aber doch elegante Skizze des Diadems, die Matt angefertigt hatte. »Du hast die Perspektive so gewählt, dass es aussieht, als würden die Spitzen des Diadems aus dem Kranz aufsteigen.« Er nickte zustimmend. »Wenn wir die Edelsteine richtig platzieren, wird die Krone das Licht aus allen Winkeln einfangen. Das Gold wird den Blick anziehen, die Steine werden ihn festhalten. Matt, das ist wunderschön.«

Matt schüttelte kurz den Kopf, vielleicht um einen Gedanken zu vertreiben oder das Lob abzuschütteln. »Als Motiv funktioniert es mit allem. Es müssen Diamanten sein. Sie stehen für Verbundenheit und Liebe.«

»Und für Treue und Beständigkeit«, fügte Joel hinzu. Matt sah auf und fing Joels Blick auf. Für einen winzigen Moment trat ein widerwilliges Lächeln auf seine Lippen und er nickte zustimmend.

Addam begann, Anweisungen an seinen Juniordesigner zu bellen, der in sein Notizbuch kritzelte. Alle im Raum standen inzwischen um den Tisch, hingerissen von Addams und Matts Diskussion. »Besorg mir eine Liste der verlässlichsten und verschwiegensten Edelsteinlieferanten. Sag auch dem Goldschmied Bescheid. Er muss bereit sein, so früh wie möglich mit der Herstellung der Muster zu beginnen.«

»Zwei einzelne Steine, verbunden, als Symbol für die beiden einzelnen Männer«, sagte Matt bestimmt. »Auch auf den Ringen. Gleich groß, für Männer, die in ihrer Liebe, in ihrer Ehe gleichgestellt sind, beide begleitet ein Hauch von Majestät, von…«

»Schönheit«, sagte Joel leise. Er sprach nicht direkt zu Matt, aber Matt spannte sich trotzdem an. »Auffallend und besonders, aber mit einem zeitlosen Motiv. Unverwechselbar einzigartig. Unverwechselbar auf sie zugeschnitten.«

Freddie hickste leise – vielleicht ein glücklicher Schluchzer.

Die freudige Stimmung im Raum hatte auch Joel erreicht, wenn auch auf andere Art. Er hatte geschäftliche Probleme zu bedenken. »Ich muss nicht noch mal erwähnen, wie vertraulich dieses Projekt ist, oder? Es wird erst ab Ende dieser Woche öffentlich bekannt werden.« Er sah sich im Raum um und fing mehrere eifrige Blicke auf. »Addam, du und dein Team werden von jetzt an nur mit mir zu tun haben. Rafe, du auch. Lily und Freddie, wir haben noch keins dieser Designs vom Palace bestätigen lassen. Tatsächlich brauchen wir bis dahin kein Marketing. Matt, Addam und ich werden euch Bescheid sagen, wenn wir bereit sind, Promomaterial vorzubereiten.«

Lily weitete die Augen und pinke Flecken erschienen auf ihren Wangen. »Natürlich, das verstehen wir total, wir…«

»… lassen dich nicht hängen, Chef!«, schoss Freddie zurück.

Die Tür ging auf und Teresa kam rückwärtsgehend mit einem vollen Tablett in den Raum.

»Lass mich dir helfen!«, rief Lily und eilte durch den Raum. »Ich glaube, das sind…«

»… mehr Sandwiches!«, endete Freddie fröhlich und überholte sie, als wäre er in der letzten Kurve eines Hundert-Meter-Staffellaufs. Und alle lachten.

Im Bett des ungeschliffenen Diamanten

Подняться наверх