Читать книгу Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama - Claudia Clark - Страница 4

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Anmerkungen der Autorin

Ich stamme aus einer Familie politischer Aktivisten, die sich schon immer für das Weltgeschehen interessierte: Meine Urgroßmutter marschierte mit den Suffragetten, mein Großvater war Gewerkschaftsvertreter in einer Werkzeug- und Farbenfabrik und meine Mutter war eine talentierte Linguistin, die auf drei unterschiedlichen Kontinenten Französisch unterrichtete und dem Aufruf von John F. Kennedy folgte, dem Peace Corps beizutreten. In dieser Zeit unterrichtete sie im Ausland Englisch, bis sie schwer an Malaria erkrankte und wieder zurück in die USA zog.

Eines der ersten Ereignisse, an die ich mich erinnern konnte, war die Geiselnahme im Irak. Ich war gerade mal sieben Jahre alt und die damalige Berichterstattung in den Nachrichten unterbrach meine samstagmorgendliche Cartoon-Show im Fernsehen. Von da an verfolgte ich die Entwicklung so gut ich es eben als kleines Kind konnte – und ging sogar so weit, dass ich ein Jahr später, als man die Geiseln entließ, in der Schule eine Krankheit simulierte, nur damit ich die Nachrichten darüber zu Hause verfolgen konnte.

Als ich älter wurde, blieb ich dem Interesse an Politik und internationalen Angelegenheiten weiterhin treu. Zum ersten Mal wurde ich als Teenager politisch aktiv: ich protestierte gegen Gesetze, die die Selbstbestimmung der Frauen einschränkten, ich leitete an meiner High-School Anti-Zensur-Kampagnen und machte in meinem Abschlussjahr ein Praktikum bei einem Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Mit 17 Jahren verfolgte und bejubelte ich von meinem Haus in Michigan aus den histrosichen Moment, als die Berliner Mauer fiel.

Schon lange bevor ich im Jahr 2017 nach Deutschland zog, war ich von den Deutschen und der deutschen Kultur fasziniert. Das lag hauptsächlich an meinem Onkel, der während meiner Kindheit die meiste Zeit in Deutschland stationiert war. Er lernte dort auch eine deutsche Frau kennen, sie heirateten und hatten zwei Kinder. Im August 1990, das war der Sommer vor meinem Abschlussjahr an der High-School, besuchte ich ihn zum ersten Mal gemeinsam mit meiner Mutter, meinem Stiefvater und meiner damals besten Freundin. Ich habe mich sofort in dieses Land verliebt und nahm mir fest vor, eines Tages dort zu leben. Die Berliner Mauer war zu jenem Zeitpunkt zwar schon über ein Jahr lang „gefallen“, aber viele Abschnitte davon standen noch und waren intakt. Von daher klopfte ich mir damals ein weißes Stück Beton aus einer dieser Abschnitte heraus. Es war gerade mal so groß, dass es in meine Handfläche passte und gehört heute noch zu den wertvollsten Dingen, die ich besitze.

Als ich mich in Berlin umschaute, bemerkte ich den starken Kontrast zwischen dem Ost- und dem West-Teil. Natürlich gab es keine Mauer mehr und Berlin war nun eine vereinte Stadt. Aber obwohl ich nur ein siebzehnjähriges Mädchen war, sah ich den großen Unterschied zwischen dem ehemaligen sowjetischen Teil, mit seinen heruntergekommenen Gebäuden, verwahrlosten Grundstücken und mit seiner mangelnden Geschäftigkeit – und dem florierenden, freien West-Berlin. Diese Erfahrung hat mir die Augen geöffnet: in diesem Moment war mir klar, wie wichtig es ist, in einer freien Gesellschaft zu leben und es wurde mir bewusst, dass Demokratie und Freiheit nicht für selbstverständlich erachtet werden sollten. Obwohl wir nur ein paar Tage in Berlin verbrachten, wusste ich, dass ich eines Tages wiederkommen würde. Und ich fragte mich damals auch, ob es dann immer noch einen so großen Unterschied zwischen Ost und West geben würde.

Während meiner Universitätszeit studierte ich Geschichte und Public Policy und war weiterhin in meiner Freizeit politisch aktiv. Ich hatte Glück, dass die Michigan State University als einer der Veranstaltungsorte für die 1992 Präsidentschaftsdebatten ausgewählt wurde, denn dort hatte ich die Gelegenheit, als neunzehnjährige Studentin ganz kurz Bill Clinton zu treffen. Im darauffolgenden Jahr hatte ich so viel Zeit mit politischen Aktivitäten verbracht, dass mir der Ortsverband der Demokraten den „Geraldine Rapaport Award“ verlieh. Das ist eine jährliche Auszeichnung für den engagiertesten, ehrenamtlich arbeitenden Jung-Demokraten. Zwei Jahre später erwirkte der Bürgermeister von Lansing einen Stadtratsbeschluss, der – einmalig und nur in jenem Jahr – einen „Claudia Clark Tag“ vorsah, um mein politisches Engagement während meiner Studienzeit zu würdigen.

Nach meinem Studium arbeitete ich zunächst US-weit als Mitarbeiterin bei politischen Kampagnen für progressive Kandidaten und progressive Politik. Schließlich blieb ich in der San Francisco Bay Area hängen. Wie viele andere wurde auch ich eine begeisterte Anhängerin von Barack Obama. Ich arbeitete ehrenamtlich für seine Kampagne und verfolgte seine Karriere. Jedoch blieb meine Begeisterung für Deutschland und auch der Wunsch, eines Tages dort zu leben, lag mir weiterhin am Herzen.

Ich wurde im zarten Alter von fünf Jahren zur Feministin. Nachdem ich meiner Mutter sagte, ich würde Krankenschwester und nicht Ärztin werden wollen – schließlich sei Krankenschwester ein Beruf für Mädchen und der Arzt-Beruf für Jungen – kaufte sie mir das Buch „Mütter auf der Arbeit“. Als Frauenrechtlerin verfolgte ich sehr genau den Werdegang von Angela Merkel. Ich bewunderte ihr duales Arbeitsleben: ihre Karriere als Wissenschaftlerin und als Politikerin. Persönlich bin ich in Mathematik und den Naturwissenschaften fürchterlich. Ich hatte damals in der High-School sogar meinen Physiklehrer davon überzeugen wollen, dass es Folter wäre, jemanden zum Physikunterricht zu zwingen und dies somit gegen die Verfassung Verstöße. Trotzdem, und sicherlich auch aufgrund meiner eigenen Defizite, bewundere ich Frauen, die in traditionell von Männern dominierten Berufen erfolgreich sind. Und aufgrund der Tatsache, dass Kanzlerin Angela Merkel einen Doktortitel in Physik hat, respektierte ich sie noch viel mehr. Wenn ich Merkels Kombination von wissenschaftlicher Ausbildung und politischen Leistungen in Betracht ziehe, dann gibt es nur wenige Menschen, die ich noch mehr bewundere – obwohl Merkels Politik oft konservativer ist als meine eigenen politischen Anschauungen.

Als ich im November 2016 die letzte gemeinsame Pressekonferenz von Obama und Merkel sah, war ich sofort davon berührt, wie sichtbar betroffen Merkel reagierte, als ein Reporter sie auf dieses letzte offizielle Treffen ansprach. In den Tagen zuvor und auch nach dieser Pressekonferenz entging es mir nicht, dass in den Medien viel über die starke Beziehung der beiden Staatsoberhäupter zueinander berichtet wurde. Journalisten zitierten häufig Merkels zärtlich klingendes „Dear Barack“ und der Business Insider brachte eine Geschichte über die beiden mit dem Titel „16 Fotos die zeigen, wie sehr Obama und Merkel sich vermissen werden“. Die Chemie zwischen den beiden ist also auch anderen aufgefallen.

Diese Bilder behielt ich die ganze Zeit über in meinem Kopf und holte sie erst wieder hervor, als Angela Merkel im März 2017 zum ersten Mal Präsident Trump in Washington D.C einen Staatsbesuch abstattete. Ich sah, wie Trump sich weigerte, Angela Merkel die Hand zu schütteln und mir fiel auf, in welch starkem Kontrast dazu die Interaktion mit Trumps Vorgänger stand. In diesem Moment realisierte ich, dass Merkel und Obama eine bemerkenswerte Beziehung hatten – eine, die eine spezielle Anerkennung verdiente und die irgendwie verewigt werden sollte.

Ich erinnerte mich daran, dass es bereits Bücher über die Beziehung zwischen dem US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt und dem britischen Premierminister Winston Churchill gab und sah viele Parallelen zwischen den zwei Paaren. In beiden Fällen waren es Staatsführer alliierter Länder, die unterschiedlichen Parteien angehörten, in turbulenten Zeiten regierten und trotzdem in der Lage waren, eine starke Beziehung zueinander zu entwickeln. Dies war der Moment, an dem ich entschied, dass ein Buch über die Freundschaft von Obama und Merkel ein Projekt wäre, das sich lohnen würde anzugehen. Noch unentschlossen darüber, ob so ein Buch tatsächlich einen Wert darstellen würde, begann ich mit der Recherche – eine mühsame Aufgabe für jemanden, der bis dato gerade Mal eine 100-Seiten lange Diplomarbeit verfasst hatte. Mir war auch bewusst, dass ich eine unbekannte Autorin war und ich es wagte, ein massives Sachliteratur-Projekt anzugehen, bei dem es um zwei der mächtigsten Staatsführer der Welt ging.

Während ich noch darüber nachdachte, ob ich für diese Aufgabe wirklich bereit oder gar qualifiziert war, erfuhr ich im April 2017, dass Obama für seine erste Auslandsreise nach seinem Amtsende nach Berlin fahren würde, um sich mit Kanzlerin Merkel zu treffen und um auf dem 500. Jahrestag des Evangelischen Kirchentages eine Rede zu halten. Schließlich war ich überzeugt: Obamas erste offizielle Auslandsreise als Privatperson galt Deutschland und Merkel. Dies zeigte mir, dass ihre Beziehung wirklich stark genug war, um Zeit und Energie in ein derart ehrgeiziges Projekt zu stecken.

Das Timing dafür war fast perfekt. Im Herbst 2016 hatten mein Mann und ich aus den unterschiedlichsten Gründen realisiert, dass unser „eventueller“ Umzug nach Deutschland eher früher als später stattfinden würde. Als mein Mann im Mai 2017 einen Job in Bayern angeboten bekam, sagte er begeistert zu. Ich war aufgeregt, ein neues Leben anzufangen, aber war mir meiner mangelnden Deutschkenntnisse bewusst. Von daher wollte ich etwas Produktives tun, das jedoch nicht mit meinem Sprachkurs in Konflikt stehen würde. Ich recherchierte und kam dann zu dem Entschluss, dass es genug Interesse an so einem Buch gäbe und es sich lohnen würde, es zu schreiben.

Kaum ein Jahr später und nur sechs Monate nach unserem Umzug, legte ich von der anderen Seite des Atlantiks aus ein 250 Seiten starkes Manuskript bei einer von zwei Editorinnen sowie einer Übersetzerin vor. Und so begann ein Prozess, von dem ich bis dato keine Ahnung hatte: wie veröffentlicht man ein Buch.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, was dieses Buch behandelt und was nicht. Obwohl es natürlich um zwei Politiker geht, ist es nicht schlechthin ein „politisches Buch“. Es werden Politik und politische Maßnahmen diskutiert, aber nur in Bezug darauf, wie diese die Partnerschaft und Freundschaft der beiden Staatsführer beeinflussten. Man muss nicht mit all ihren politischen Ideen – oder Teilen davon – übereinstimmen, um etwas Wertvolles aus diesem Buch zu ziehen.

Als Historikerin habe ich gelernt, dass berühmte Leute – seien es Politiker, Schauspieler oder Sportler – vor allem eines sind: Menschen. Sie machen Fehler und sie glauben oder machen etwas, was komplett entgegen dem steht, was wir von ihnen wollen oder erwarten. Obwohl ich Merkel und Obama sehr mag und respektiere, haben beide Entscheidungen getroffen oder eine Politik vertreten, die im Gegensatz zu meinen eigenen Vorstellungen steht. Trotzdem finde ich die Lebensgeschichte und den Führungsstil dieser beiden Individuen bemerkenswert und die Beziehung, die sie zueinander aufgebaut haben, schlichtweg außergewöhnlich.

Als ich dieses Projekt anging, hat mir jemand gesagt, dass ein gutes Sachbuch drei Dinge tun sollte: unterhalten, informieren und inspirieren. Ich hoffe, dass ich diese drei Ziele erreicht habe, egal, ob man nun Obamas und/oder Merkels Politik unterstützt oder nicht. Um ehrlich zu sein, war das Kriterium „Unterhaltung“ die größte Herausforderung. Zwischen der Weltwirtschaftskrise und Putins illegaler Annektierung der Ukraine standen Obama und Merkel harten Zeiten gegenüber und es war sicherlich kein Spaß. Wenn sich dabei jedoch trotzdem lustige Kommentare oder Ereignisse ergaben, so habe ich diese natürlich festgehalten.

Es erwies sich leichter, das Kriterium „Information“ umzusetzen. Wenn der Leser nach dieser Lektüre etwas Neues aus dem professionellen oder privaten Leben von Obama oder Merkel erfahren hat oder ein politisches Ereignis besser versteht, dann habe ich meinen Auftrag erfüllt.

Das letzte Kriterium, nämlich dass dieses Buch eine Inspiration sein soll, ist mir am wichtigsten. Sowohl Deutschland als auch die USA haben Flecken in ihrer Geschichte. Wenn der Aufbau einer starken Beziehung zwischen dem ersten afro-amerikanischen Präsidenten der USA und der ersten Kanzlerin Deutschlands – Menschen aus zwei Ländern, die sich in zwei langen Kriegen bitterlich bekämpften – keine Hoffnung und Inspiration auf das gibt, was möglich ist, dann weiß ich wirklich nicht, was dies jemals leisten kann.

Ich muss zugeben, dass mein entscheidender Aha-Moment in meinem Leben nicht so aufregend war, wie die Grundsatzrede im Jahr 2004 von Senator Barack Obama auf der Parteiversammlung der Demokraten, oder wie für Angela Merkel der Fall der Berliner Mauer. Trotzdem sollte ich damals noch nicht wissen, dass meine Faszination von der letzten Pressekonferenz mit Obama und Merkel nach den US-Wahlen 2016 genau der Moment war, der mich inspirieren würde.

Der Slogan von Präsident Obamas Wahlkampagne verkündete mit dem Motto „Yes we can“/„Ja, wir können es“ Hoffnung. Nach vielen Jahren, in denen ich Blut und Wasser schwitzte, Tränen flossen, mich Migränen quälten, und noch mehr Tränen und noch mehr Migränen kamen, ist dieses Buch nun mein Beitrag zur Inspiration, die Obama einer ganzen Generation mit auf dem Weg gegeben hat.

Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama

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