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1.4 Missverständnisse, Fehler und Protest

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Der Ritualablauf kann allerdings auch durch bewusste Verletzungen oder Fehler eine Veränderung erfahren.1 Rehberg spricht sogar davon, es seien wie bei allen Normen erst „die Verletzungen, die Nichtbefolgung, durch welche ihre normative Struktur sichtbar wird.“2 Dies gilt einerseits für die Beteiligten am Ritual: „Oft veranlassen erst Regelverstöße die Akteure dazu, die zugrundeliegende Regel zu thematisieren, die sonst unausgesprochen und selbstverständlich gilt. Erst ein Fehler bringt die Akteure dazu zu reflektieren, inwiefern dadurch die Wirkung des Rituals gefährdet oder zunichte gemacht worden sein könnte.“3 Dabei können über Fehler beim eigentlichen Ritualvollzug hinaus auch Missverständnisse, Unwissen und Fehlverhalten in mit dem Ritual in enger Verbindung stehenden Bereichen oder auch bei korrespondierenden Ritualen zu Beeinträchtigungen oder gar dem Misslingen des ursprünglichen Rituals führen. Gedacht sei etwa an den Vollzug der Beschneidung an Heidenchristen in Galatien, welche für Paulus in direktem Verhältnis bzw. Missverhältnis zu deren christlicher Taufe steht. Andererseits gibt die Analyse derartiger Fehler sowie v.a. des Umgangs mit ihnen Ritualwissenschaftlern ritologische Einsichten in Rituale und deren intendierter Wirkung, welche nicht direkt in den überlieferten Quellen thematisiert und dokumentiert sind. Stollberg-Rilinger weist dabei mit Recht darauf hin, dass die Beurteilung eines möglichen Fehlers zwischen Ritualleiter und Ritualadressaten durchaus unterschiedlich ausfallen kann,4 z.B. abhängig von der jeweils intendierten Ritualwirkung, wie nicht zuletzt die galatische Auseinandersetzung zeigt.

Stollberg-Rilinger listet insgesamt acht verschiedene Arten der Abweichungen bzw. Fehler bei Ritualen5 und Lösungsmöglichkeiten dazu auf:6 1) Das Missgeschick,7 welches entweder taktvoll übersehen; mit einer rituellen Gegenmaßnahme korrigiert oder auch als übernatürlicher Eingriff ausgelegt werden kann; 2) der Konflikt (über den richtigen Ablauf) im Ritual bes. bezüglich Darstellung und damit Herstellung der sozialen Rangordnung der Teilnehmer,8 auf welchen mit Abreise, Protest oder einer Ausnahmeregelung reagiert werden kann; 3) die Abwesenheit von Ritualteilnehmern;9 4) die ironische Distanz von Ritualteilnehmern,10 was die Frage nach dem Verhältnis von äußerlichem Vollzug und innerer Akzeptanz stellt; 5) die Verweigerung der erwarteten Reaktion v.a. in dialogisch angelegten Ritualen;11 6) Entgleisungen durch emo­tionale Überreaktionen;12 7) die Usurpation oder der Missbrauch als die Störung von außen bzw. die „rituelle Lüge“ eines der Ritualteilnehmer;13 sowie 8) der demonstrative Ritualbruch, der „darauf zielt, die Institution, die das Ritual repräsentiert, grundsätzlich anzugreifen“.14 Stollberg-Rilinger leitet daraus ab: „Wird ein traditionelles Ritual ungestraft entweder ignoriert oder demonstrativ verletzt, dann wird vor aller Augen sichtbar, dass seine performative Kraft […] allein von der Anerkennung der Beteiligten abhängt und dass diese ihm auch entzogen werden kann.“15

Die Taufe auf den Tod Christi

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