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Einleitung

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Zu keiner Zeit und in keiner exegetischen Veröffentlichung wird der Ritualcharakter der christlichen Taufe in Frage gestellt. Dass sich bisher nur wenige Studien dessen wissenschaftlicher Erfassung und Interpretation widmen, scheint eine Reihe an Gründen zu haben.1 Im Folgenden sei ein Überblick gegeben über diejenigen Beiträge, welche sich – wenn auch zum Teil nur ansatzweise – mit der Taufe als Ritual auseinandersetzen.

Die beiden umfassendsten Veröffentlichungen der letzten Jahre zur Taufe sprechen Ritualsapekte insofern an, dass sie die (vermeintlichen) Vorgängerrituale und „Parallelen“ phänomenologisch darstellen und ansatzweise Vergleiche und Überlegungen zu deren Verhältnis mit der christlichen Taufe anstellen:

Everett Ferguson, Baptism in the Early Church. History, Theology, and Liturgy in the First Five Centuries:2 Ferguson geht einerseits auf die Verwendung von Wasser zur Reinigung in der Ritualwelt des griechisch-römischen Kontextes ein3 und verhandelt andererseits über Johannes den Täufer,4 Jüdische Wa­schungen, Täuferbewegungen und die sog. Proselytentaufe.5 Diese Rituale identifiziert er als „a more likely immediate context for Christian baptism than any other antecedents“.

Hellholm, David/Vegge, Tor/Norderval, Oyvind/Hellholm, Christer (Hg.), Ablution, Initiation, and Baptism. Late Antiquity, Early Judaism, and Early Christianity, Bd. I–III:6 Die methodische Grundlage legt Petersen, Anders Klostergaard, Rituals of Purification, Rituals of Initiation. Phenomenological, Taxonomical and Culturally Evolutionary Reflections.7

Eine Reihe an Aufsätzen widmet sich Wasser- und teilweise auch Initiationsritualen in vorangehenden und umliegenden Kulturen: Assmann, Jan/Kucharek, Andrea, Wasserriten im Alten Ägypten;8 Hultgård, Anders, The Mandean Water Ritual in Late Antiquity;9 Graf, Fritz, Baptism and Graeco-Roman Mystery Cults;10 Pearson, Birger A., Baptism in Sethian Gnostic Texts;11 Wurst, Gregor, Initiationsriten im Manichäismus;12 Labahn, Antje, Aus dem Wasser kommt das Leben. Waschungen und Reinigungsriten in frühjüdischen Texten;13 Freyne, Sean, Jewish Immersion and Christian Baptism. Continuity on the Margins?;14 Sänger, Dieter, „Ist er hinaufgestiegen gilt er in jeder Hinsicht als ein Israelit“ (bYev 47b). Das Proselytenbad im frühen Judentum.15

Weitere Beiträge betrachten die christliche Taufe nach Einzelmotiven und in verschiedenen ntl.en Schriften(-gruppen): Labahn, Michael, Kreative Erinnerung als nachösterliche Nachschöpfung. Der Ursprung der christlichen Taufe;16 Hartman, Lars, Usages – Some Notes on the Baptismal Name-Formulae;17 Hellholm, David, Vorgeformte Tauftraditionen und deren Benutzung in den Paulusbriefen;18 Vegge, Tor, Baptismal Phrases in the Deuteropauline Epistles;19 Schröter; Jens, Die Taufe in der Apostelgeschichte;20 Byrskog, Samuel, Baptism in the Letter to the Hebrews;21 Moxnes, Halvor, Because of “The Name of Christ“. Baptism and the Location of Identity in 1 Peter;22 Schnelle, Udo, Salbung, Geist und Taufe im 1. Johannesbrief;23 Hartvigsen, Kirsten Marie, Matthew 28:9–20 and Mark 16:9–20. Different Ways of Relating Baptism to the Joint Mission of God, John the Baptist, Jesus, and their Adherents;24 Seim, Turid Karlsen, Baptismal Reflections in the Fourth Gospel;25 Wischmeyer, Oda, Hermeneutische Aspekte der Taufe im Neuen Testament.26 Die weiteren Beiträge erstrecken sich auf die patristische Periode.

Der Aufsatzband deckt eine beeindruckende Breite an Themen und Ritualen ab, welche mit der christlichen Taufe in ihren Anfängen in Verbindung stehen. Die Vielzahl der Autoren birgt zugleich (natürlicherweise) die Schwierigkeit, dass das methodische Vorgehen des Erfassens und Darstellens der Rituale unterschiedlich und damit wenig vergleichbar vonstattengeht. Eine Monographie muss den Anspruch haben, nicht allein ritualwissenschaftlich zu arbeiten, sondern sich auch der Herausforderung stellen, die sehr unterschiedlichen Quellen und Aspekte in einer einheitlichen und darin vergleichbaren Weise zu erfassen.

Theißen, Gerd, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, 171–224:27 Theißen widmet der „rituellen Zeichensprache des Urchristentums“ ein eigenes Kapitel, denn „Religionen sind Zeichensysteme, die auf eine letztgültige Wirklichkeit verweisen“.28 Die rituelle Zeichensprache stehe dabei neben der narrativen (Mythos und Geschichte) und der präskriptiven (Imperative und wertende Sätze).29 Aus der Vielfalt und Breite der urchristlichen Riten heben sich die beiden Sakramente Taufe und Abendmahl in besonderer Weise hervor. Theißen beschreibt ihr Entstehen als Transformation ursprünglicher, prophetischer Symbolhandlungen: Beide bezögen sich nur sekundär auf den Tod Jesu, wodurch es zu einer „Spannung zwischen äußerem Vollzug und religiösem Sinn“ käme.30 Letztlich überschreiten beide Sakramente „in rituell geschützter Form Tabuschwellen“, indem sie harmlose Handlungen („Essen und Trinken, Waschen und Begießen“) in religiöser Imagination mit Menschenopfer und Begrabenwerden gleichsetzen.31

In seiner verhältnismäßig ausführlichen Darlegung zu den urchristlichen Ritualen arbeitet Theißen in Ansätzen ritualwissenschaftlich. Seinem inhaltlich ähnlich ausgerichteten Buch „La dinamica rituale di sacramenti nel christianesimo primitivo. Da azioni simbolico-profetiche a riti misterici“32 stellt er gar dezidiert „ritualtheoretische Vorüberlegungen“ voran. Jedoch liegt seiner Untersuchung ein in der ritualwissenschaftlichen Forschung nicht mehr konsenesfähiger Ritualbegriff zu Grunde: „Riten sind Handlungen, die sich durch strenge Regelbefolgung selbst zum Zweck werden.“33 Diese Definition beeinflusst sodann nicht allein das Verständnis, sondern auch seine Überlegungen zur Entstehung von Taufe und Abendmahl. Ob seine Thesen zur Symbolhaftigkeit der Taufhandlung und ihrer Bezugnahme auf das Begräbnis Jesu34 tatsächlich zutreffen, wäre ebenfalls zu prüfen.35

Schließlich gibt es eine Reihe an ntl.en ritualwissenschaftlichen Studien, welche hier nicht in ihrer Breite dargestellt werden können. Der Fokus soll auf denjenigen liegen, welche mindestens ansatzweise die christliche Taufe als Ritual behandeln:

Strecker, Christian, Liminale Theologie des Paulus. Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive:36 Strecker untersucht die urchristlichen Ritual- und Gemeinschaftsstrukturen und deutet sie unter grundlegender Inanspruchnahme der Ritual- und Gesellschaftstheorie Victor Turners. Die Anwendung von etablierten Ritualtheorien zur Deutung ritueller Zusammenhänge ist einerseits ein dezidiert ritualwissenschaftliches Vorgehen, anderseits bleibt zu fragen, inwieweit eine unter Beobachtung von Ureinwohnervölkern wie modernen Gruppierungen entwickelte Theorie „anwendbar“ auf die urchristliche Gemeinschaft ist – selbst dann, wenn Turner diese als Beispiel seiner Theorie benennt.37

In weiteren Veröffentlichungen v.a. zur Taufe verfolgt Strecker sodann auch andere ritualwissenschaftliche Ansätze, indem er der ntl. mit der Taufe in Verbindung gebrachten Motivik ritualwissenschaftlich nachspürt: Strecker, Christian, Taufrituale im frühen Christentum und in der Alten Kirche. Historische und ritualwissenschaftliche Perspektiven;38 ders., Auf den Tod getauft – ein Leben im Übergang. Erläuterungen zur lebenstransformierenden Kraft des Todes bei Paulus im Kontext antiker Thanatologien und Thanatopolitiken;39 ders., Macht – Tod – Leben – Körper. Koordination einer Verortung der frühchristlichen Rituale Taufe und Abendmahl.40

Jensen, Robin M., Baptismal Imagery in Early Christianity. Ritual, Visual and Theological Dimensions:41 Jensen untersucht und interpretiert die vielfältige Taufmotivik vom Neuen Testament bis in die Patristik u.a. unter ritologischen Gesichtspunkten, indem sie etwa andere Reinigungsrituale oder Inkorporationsrituale vergleichend heranzieht. Die von ihr untersuchten Motive sind „Baptism as Cleansing from Sin and Sickness“,42 „Incorporation into the Community“,43 “Baptism as Sanctifying and Illuminative”, “Baptism as Dying and Rising”44 sowie “Baptism as the Beginning of the New Creation”.45 Mit ihrer inhaltlichen Herangehensweise verfolgt sie die Deutungsmotive durch die Entwicklungsgeschichte der Taufe hindurch. Andere ritualwissenschaftliche Ansätze, wie etwa der Vergleich mit funktional ähnlichen Ritualen, werden dieser Prämisse untergeordnet und treten dadurch nur am Rande auf.

DeMaris, Richard E., The New Testament in its Ritual World:46 Nach einer Einführung in „Ritual Studies and the New Testament“ unterteilt DeMaris seine Ausführungen in „Entry Rites“ und „Exit Rites“ und geht innerhalb dessen sowohl Ritualelementen als auch -motiven nach. Er legt damit eine inhaltlich wie methodisch dezidiert ritualwissenschaftliche Studie vor. Die christliche Taufe stellt dabei eines der untersuchten Rituale dar.47

Eine Reihe von Studien und Aufsätzen beschäftigt sich allgemein mit der Ritualwelt des Neuen Testaments oder auch konkret mit Ritualaspekten und -elementen der christlichen Taufe in ihren Anfängen. Wenn daraus auch einzelne inhaltliche wie methodische Anstöße hervorgehen, so fehlt es dennoch an einer umfassenden Erfassung des Rituals Taufe. Die nachfolgende Arbeit stellt sich der Herausforderung, dies erstmalig durchgehend und dezidiert unter Zuhilfenahme ritualwissenschaftlicher Methodik zu vollziehen. Den Weg dahin wird das nachfolgende Methodenkapitel aufzeigen.

Die Taufe auf den Tod Christi

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