Читать книгу Die Taufe auf den Tod Christi - Claudia Matthes - Страница 18
1.5 Ritualkritik
ОглавлениеEs ist bereits erwähnt worden, dass Ritualkritik einer der wesentlichsten Motoren für die (Weiter-)Entwicklung von Ritualen ist und auch einige der Fehler und Störungen innerhalb von Ritualen – von ironischer Distanz über Verweigerung bis hin zum offenen Ritualbruch – aus der Kritik am Ritual oder seiner Umsetzung entspringen können. Entgegen der landläufigen Meinung, Kritik und Ablehnung von Ritualen seien ein modernes Phänomen,1 lassen sich verschiedene Arten von Kritik und deren Auswirkungen bereits für die Antike belegen,2 was zu der These führt, dass mit jedem Ritual mindestens das Potential zur Ritualkritik gegeben ist.3
Hotz beschreibt in seinem einführenden Artikel drei zu unterscheidende Arten der Ritualkritik: 1) die „Skepsis und offene Kritik an der Wirksamkeit von Ritualen“4 allgemein, welche das Ziel hat, das bzw. die Rituale abzuschaffen; 2) die Kritik „gegen einzelne Elemente der rituellen Praxis, ohne dabei grundsätzlich die Wirksamkeit von Ritualen in Zweifel zu ziehen“,5 sondern auf die Reform des Rituals in dem kritisierten Ritualaspekt drängt;6 und 3) die Ersetzung oder Ergänzung der „als unzureichend empfunden rituellen Handlungen“ um „eine verinnerlichte und ethische Frömmigkeit“.7 Ob dies zur kompletten Abschaffung,8 Ersetzung9 oder möglicherweise zu einer besseren Bezugnahme und Integration von Ritual und innerer Haltung führt, hängt – wie bei sämtlichen Kritikformen – wesentlich davon ab, ob die Kritik als legitim wahrgenommen und aufgenommen wird oder ob von Anfang an Strategien vorhanden sind, mögliche Kritik zu vermeiden bzw. zu unterbinden.10
Der letzteren Art der Kritik ist die Äußerung des Paulus zuzuordnen, dass nicht der ein Jude sei, der es äußerlich ist, sondern derjenige, der es innerlich sei (Röm 2,28f). Die argumentative Struktur der paulinischen Tauftexte lässt vermuten, dass sie teilweise als Ritualkritik des Apostels am Tauf-, aber eben auch Beschneidungsverständnis der Adressaten oder bestimmter Gegner des Paulus zu verstehen sind. Da weder Beschneidung noch Taufe als Ritual an sich zur Diskussion stehen, dürfte es sich entweder um Kritik an Einzelaspekten, z.B. dem Bedeutungsumfang und der Wirkung des Rituals oder aber am Fehlen einer inneren Entsprechung im Lebensalltag handeln. Die Auseinandersetzung um Taufe und Beschneidung, aber auch die Selbstaussagen Johannes des Täufers über seine Taufe und diejenige dessen, der nach ihm kommen wird, sind Beispiele für die besondere Art der Ritualkritik über einen Ritualvergleich.
Am Ende dieser allgemeinen methodischen Einführung ist festzuhalten, dass der Untersuchungsgegenstand „Ritual“ ein komplexes und in der Forschung kontrovers diskutiertes Feld eröffnet. Dennoch konnten erste Kategorien und methodische Ansätze ausgemacht werden, mit Hilfe deren die christliche Taufe in ihrem Entstehungsstadium grundsätzlich einzuordnen und zu interretieren sein wird. Offen ist dabei bisher geblieben, welche Methodik dem Gegenstand und der Quellenlage am besten gerecht wird.