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1 Prosodie und Musik: eine lange gemeinsame Geschichte
ОглавлениеDie Etymologie des Wortes Prosodie weist bereits auf seine interdisziplinäre Ausrichtung hin: Im Altgriechischen bezeichnete ôdê einen Gesang mit Instrumentalbegleitung (Dodane, 2003: 28), prosôidia (griechisch) bezeichnet die melodische Akzentuierung des Altgriechischen und bezieht sich damit gleichermaßen auf Sprache und auf Musik. Die Musikwissenschaft spricht vom „Hinzusingen“ (Pöhlmann, 2016) und verweist damit ebenfalls auf beide Bereiche (je nach Auslegung ist der Text der Melodie hinzugefügt, oder umgekehrt). Der Begriff Intonation, der auf das lateinische Verb intonare zurückgeht, wurde laut Mario Rossi (1999) bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts ausschließlich verwendet, um vom Anstimmen einer musikalischen Melodie zu sprechen. Aufgrund einer falsch verstandenen etymologischen Verwandschaftsbeziehung mit dem Wort tonus wurde der Begriff intonation in Frankreich mit Beginn des 19. Jahrhunderts als Synonym für musicalité und für die mélodie der Stimme gebraucht. Damit bahnte sich eine Bedeutungsverschiebung an, die dazu geführt hat, dass in der Linguistik der Begriff Intonation heute als das Zusammenwirken von Akzent (Intensität) und Tonhöhenverlauf verstanden wird. 1993 erklärte Flo Menezes die prosodische Intonation zum deutlichsten Element, an dem sich die Verwandtschaft von Sprache und Musik unverzüglich einem jeden Hörenden erschließt.1
Jahrhundertelang waren Rhythmus und Silbenlänge Hauptthema der Poeten, und die Beschäftigung mit der antiken Poesie hat zur Herausbildung eines raffinierten metrischen Systems geführt, in dem zahlreiche Kombinationen von langen und kurzen Silben katalogisiert sind. Die ursprünglich griechischen Namen dieser Metren, wie iambe ( ᴗ – ), trochée ( – ᴗ ), spondée ( – - ), tribraque ( ᴗ ᴗ ᴗ ), anapeste ( ᴗ ᴗ – ), dactyle ( – ᴗ ᴗ ), amphibraque ( ᴗ – ᴗ ), crétique ( - ᴗ - ), péon ( – ᴗ ᴗ ᴗ ), choriambe ( – ᴗ ᴗ – ) und pyrrhique ( ᴗ ᴗ ᴗ ᴗ )2 werden heute noch in französischen musiktheoretischen Texten zur Bestimmung der Sequenzierung musikalischer Grundrhythmen verwendet.
Prosodie und Musik blicken auf eine lange gemeinsame Geschichte zurück. Diese kommt heute allerdings hauptsächlich zwischen den Zeilen zum Ausdruck, zum Beispiel durch die Wahl musikalischer Notationen zur Verdeutlichung verschiedener Intonationsmuster.