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7. BILD
ОглавлениеIch beschließe, die Wartezeit auf den Kaffee zu nutzen und mir die Auslage aus der Nähe anzusehen. Ich überquere die Straße und bleibe vor dem Schaufenster stehen. In der Auslage liegt der Mann im Liegestuhl.
„Entschuldigung“, vernehme ich eine Stimme von links. Reflexartig trete ich einen Schritt zurück und gebe so den Weg für ein Mannequin frei, das regungslos zwischen mir und dem Schaufenster vorüberschwebt. Ich traue meinen Augen nicht und meinem Mund entflieht ein erstaunter Laut, ein unentschiedenes „Ah“ oder „Oh“.
Jedenfalls macht meine Lautbildung den Mann im Liegestuhl auf das Mannequin aufmerksam und sein darauffolgender perplexer Laut versetzt wiederum das Mannequin in hörbares Erstaunen.
Jetzt sind wir alle drei überrascht, niemand traut den eigenen Augen, und das Mannequin verleiht dem allgemeinen Erstaunen als Erste Ausdruck:
„Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“
Unbehaglich trete ich einen weiteren Schritt zurück und verstecke mein Gesicht hinter den Handflächen, etwas Besseres fällt mir in der Sekunde leider nicht ein.
„Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“
Der Mann hat sich mittlerweile aus seinem Liegestuhl erhoben und ist näher an die Glasscheibe getreten.
Das Mannequin blickt ihm direkt ins Gesicht, völlig aufgebracht meint es wirklich ihn. Da bin ich kurz ein wenig erleichtert.
„Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“
Das Mannequin meint eindeutig ihn. Es kann ihn dort hinter dem Schaufenster sehen und findet das, was es sieht, nicht gut. Dabei hat sich der Mann nach seiner letzten Erfahrung, nicht von allen gesehen zu werden, gerade mit dem Gedanken angefreundet, nur gedacht werden zu können. Das sagt er, weicht einen Schritt zurück und fällt mit einem lauten Rums über seinen Liegestuhl.
Erleichtert riskiere ich einen Blick über den Rand meiner Fingerspitzen. Dieser verstohlene Blick meinerseits lässt den Mann erröten. Schleunigst zieht er sich Kleidungsstück um Kleidungsstück an, während das Mannequin ihm gegenüber fortwährend Platzansprüche erhebt:
„Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“
Jetzt überschlägt sich die Stimme des Mannequins und mündet in einem schrillen Pfeifton, der sofort den Bauleiter auf den Plan ruft. Schnellen Schrittes eilt er beflissen herbei und hilft dem Mannequin vorsichtig durch die Glastür des Schauraums hindurch, hinein in die Auslage.
Dort steht es nun, stumm und unbewegt, dort kann ich es bewundern und meine Nase dabei am Schaufenster platt drücken. Während ich also sehnsuchtsvoll meinen Blick durch die Scheibe schicke, verschwindet der Bauleiter ungesehen aus dem Bild, und der Mann beginnt kapitulierend seinen Liegestuhl zusammenzulegen.
„Bitte bleiben Sie. Allein fühlt man sich ausgestellt.“
Auf diese Bitte des Mannequins stellt der Mann seinen Liegestuhl wieder sachkonform auf, zieht sich erneut selbstbewusst Kleidungsstück für Kleidungsstück aus, faltet jedes und legt alles hübsch gestapelt neben seinem Liegestuhl ab. Die Unterhose lässt er zu den Knöcheln.
„Nein, das will ich wirklich nicht sehen“, entkommt es mir, und so behält der Mann einsichtig die Unterhose an. Er schmiert sich ausgiebig mit Sonnencreme ein.
Das dauert mir zu lange. So beschließe ich, wieder zurück ins Café zu gehen, setze mich an meinen Tisch und genieße den bereits auf mich wartenden Kaffee.
Irgendwann ist der Mann fertig eingecremt, und ich sehe, wie er sich endlich in seinen Liegestuhl legt. Er rückt sich neben dem Mannequin gemütlich zurecht.
Das Mannequin posiert neben dem Mann im Liegestuhl.