Читать книгу Klassen führen (E-Book) - Claudio Caduff, Manfred Pfiffner, Markus Mäurer - Страница 4

Vorwort

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Dieses reiche und überzeugende Buch ist nicht eine Führungslehre, es ist viel mehr, es ist eine Anleitung zur Gestaltung einer umsichtigen Lebenswelt: eben Unterricht. Lehrkräfte sind kreative Unternehmer und Unternehmerinnen, die in ihrem Bewusstsein auf Gewinn aus sind; aber dieser Gewinn besteht nicht aus Geld, sondern aus dem Leben, der Motivation, den Kompetenzen, der Lernwelt der Kinder und Jugendlichen. Es ist ein großes Investment, das umfangreiche humane Gewinne abwirft. Es verlangt eine Gestaltungskraft, die situativ je anderes abruft, einmal Organisation, einmal Inhalte, einmal Differenzierung, einmal Didaktik, einmal Unterstützung, einmal individuelles Bedürfnis. Und all dies ist hier zu finden. Die Sicht ist die der Lehrkraft; sie soll zum Wohl der Lernenden die Lebenswelt Schule kräftig, aber eben achtsam gestalten.

Das Buch ist aber auch eine – zurzeit – sehr gute Übersicht über die Forschung und die normativen Ableitungen für die erwähnte Gestaltung des Unterrichts. Es ist dahingehend reich, dass weder bloß Classroom Management noch bloß Disziplinfragen und auch nicht nur Störungsanfälligkeit oder nur Autoritätsprobleme angesprochen werden. Es wird stets das Ganze gesehen, es wird stets die situative Einbettung angesprochen, und die Komplexität der täglichen Gestaltung des Lernverlaufs bleibt auch dann bestehen, wenn einzelne Elemente herausgegriffen und bearbeitet werden. Wir haben vor uns einen Ratgeber, der nicht wie viele andere versucht, komplexe Situationen auf simple Techniken zu reduzieren. Unterkomplexität ist der Tod jeder Suche zur Lösung komplexer Fragen. In dieser Schrift wird sehr klug vorgegangen, stets wird ein Aspekt herausgehoben und beleuchtet, anderes aber nicht zum Verschwinden gebracht; es bleibt immer im Hintergrund erhalten.

Etwas wird hier ebenfalls sichtbar: Es ist der Wille, auf zweierlei Arten zu gestalten, zu formen und stets neu Bedingungen der Möglichkeit für Veränderung zu schaffen, einmal durch das, was man selbst will, dann aber auch durch das, wessen die Situation und die Lernenden bedürfen. Das wird etwa sichtbar in den Darstellungen zum Schulanfang, zum Umgang mit schwierigen Situationen und zur Herausarbeitung von Regeln und Ritualen. Man spürt diesen Willen zur Transformation, man wird im Lesen immer sensibler für das, was wir sinnvollen Eingriff nennen, für die sogenannte pädagogische Notwendigkeit. Dieser Begriff meint, dass Schülerinnen und Schüler stets etwas benötigen – einmal Material zum Bearbeiten, einmal ein starkes Feedback, einmal eine Aufforderung, einem andern zu helfen, einmal Zeit für Entdeckungen, einmal eine organisatorische Maßnahme, einmal ein Zuzwinkern – und wir darauf reagieren. Die pädagogische Notwendigkeit steuert neben dem allgemeinen Unterrichtsverlauf die Bedürfnisse der Lernenden. Sie erzeugt jene berufsspezifische Sensibilität, die Signaturcharakter hat, die nur, und wirklich nur Lehrkräften zukommt, die nur für sie spezifisch sind.

In diesem Zusammenhang sprechen wir oft von der beruflichen Souveränität. Sie besteht nicht darin, dass alles leicht geht, leicht gemacht wird, oder linear gedacht werden soll. Professionelle Souveränität richtet sich auf die in dieser Schrift dargestellte Vielfalt der Probleme und auf den stetigen Versuch, sie zu lösen. Auch wenn dies nur teilweise gelingt, und jede engagierte Lehrkraft am Ende des Tages erschöpft und ausgelaugt ist, so besteht Souveränität genau darin, nicht einfach Außenunterstützung zu suchen, sondern hier und jetzt mit den Gegebenheiten zu kämpfen, sie zum Besten aller zu bewältigen. Und dazu ist diese Schrift eine subtile Hilfe und eine große Unterstützung.

Wer genau hinschaut, findet in diesem Buch ein originelles Lehrermenschenbild. Hinter der Geschäftigkeit des Technischen, hinter dem Wissen und Können und hinter der Haftung und Verantwortung für das, was wir tun, steht der Glaube, dass Auszubildende fähig sind, eine eigene Lebenswelt aufzubauen, autonom zu sein und fruchtbare Beziehungen zu pflegen. In vielen Details wird sichtbar, dass hier zugemutet wird, dass die Lernenden es schaffen. So heißt es etwa auf Seite 37: «Hier geht es darum, gegenüber sogenannten schwierigen Schülerinnen oder Schülern die eigenen Einstellungen zu überdenken. Eine negative Einstellung erschwert ganz sicher, eine positive Beziehung gegenüber solchen Schülerinnen und Schülern aufzunehmen. Hier kann es helfen, bevor man an einem neuen Tag in eine Klasse kommt, an die Schülerinnen und Schüler zu denken, mit denen es zu Problemen kommen könnte. Dabei stellt man sich vor, inwieweit sich diese Schülerinnen und Schüler auch positiv engagieren könnten. Wenn man ihnen dann begegnet, soll man sich an diese positiven Gedanken erinnern – auch eine Art Reframing.» Solches weist darauf hin, dass es letztlich um das Ethos des Vertrauens und des Engagements geht. Es geht nicht darum, an seinen eigenen Lehrererfolg zu glauben, es geht darum, an die Schülerin und an den Schüler zu glauben. Es geht darum, das Gute zu erwarten. Es wird erscheinen.

Ich habe am Anfang die Metapher der Unternehmensführung mit dem Gewinnstreben nach positiver Veränderung der Lernenden verwendet. Lehrkräfte haben eine große Wirkung hinsichtlich dieser Lern- und Lebenswelt. Wir haben viele Interviews mit Unterrichtenden durchgeführt, aber auch mit Menschen, die von unterschiedlichen Biografien her auf die damals von ihren Lehrkräften gestaltete Lernwelt zurückblicken. Wenn sie sagen: «Hat sie mir doch gesagt: Probiere es noch einmal, du schaffst das. Und dann ist mir so vieles gelungen.» Da wird deutlich, wie viel sich in dieser Schrift verbirgt. Eigentlich könnte man sagen, es sind Techniken der Hoffnung. Denn alles, was präsentiert wird, soll mit der oben erwähnten Gestaltungskraft verbunden und mit dem Gestaltungswillen in Zusammenhang gebracht werden.

Fritz Oser

Im Herbst 2019

Klassen führen (E-Book)

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