Читать книгу Klassen führen (E-Book) - Claudio Caduff, Manfred Pfiffner, Markus Mäurer - Страница 5

Einleitung

Оглавление

Klassen führen ist eine zentrale Aufgabe jeder Lehrkraft. Eine Klasse gut führen zu können ist für Lehrkräfte, die neu in den Beruf einsteigen, ein wichtiger Indikator für die Zufriedenheit und den zukünftigen Lehrerfolg. Aber auch Lehrkräfte, die schon seit Jahren erfolgreich unterrichten, müssen ihre Vorstellung von Klassenführung immer wieder hinterfragen, um die Herausforderungen zu meistern, die die Gesellschaft an die Bildungseinrichtungen stellt. Wie definieren wir Klassenführung? Und warum orientieren wir uns bei unseren Ausführungen an den drei Prinzipien Freude, Struktur und Gelassenheit? Wie ist das Buch aufgebaut?

Bei der Umschreibung von «Klassenführung» lehnen wir uns eng an die Definition von Kiel, Frey und Weiß (2013) an. So sehen wir Klassenführung als «eine Interaktion im institutionalisierten Rahmen einer Schulklasse, die durch ein hohes Maß an Unsicherheit und Komplexität geprägt ist» (ebd., S. 16). Durch die aktive Führung werden Unsicherheit und Komplexität strukturiert und reduziert. Dadurch wird einerseits Lernarbeit beziehungsweise echte Lernzeit ermöglicht, andererseits ein Rahmen für die (Potenzial-)Entfaltung sowie den Schutz jeder und jedes Einzelnen geschaffen. Beides geschieht hauptsächlich dadurch, dass Störungen durch präventive oder interventive Maßnahmen unterbunden werden (vgl. ebd.).

Eine Klasse gut zu führen ist kein technischer Akt. Aus diesem Grund durchleuchten wir die einzelnen Aspekte der Klassenführung indirekt auch nach den drei Prinzipien der Freude, Struktur und Gelassenheit.

Gelassenheit oder innere Ruhe ist die Fähigkeit, vor allem in schwierigen Situationen die Fassung zu behalten. Sie ist das Gegenteil von Stress und Unruhe. Gelingt es einer Lehrkraft angesichts eines Missgeschicks locker und freundlich zu bleiben, sich der menschlichen Schwächen bewusst zu sein und auch einmal großzügig über kleine Fehler hinwegzuschauen, spornt dies die Schülerinnen und Schüler an, am Lernen dranzubleiben (vgl. Brohm 2016). Es gibt kaum etwas Entspannenderes, als wenn im Unterricht zwischendurch herzlich gelacht werden kann. So lässt sich manche kritische Situation mit Humor entschärfen. Menschen, die über eine humorvolle Haltung verfügen, sind besser in der Lage, Unzulänglichkeiten zu verstehen und zu verzeihen (vgl. Peterson & Seligman 2004).

Unter Struktur verstehen wir den geordneten Ablauf des Unterrichts, von den einzelnen Lektionen über den Schultag bis hin zur Semester- und Jahresplanung. Für den Unterricht ist ein roter Faden, der die einzelnen Teile untereinander verbinden kann und daraus ein Ganzes schafft, von zentraler Bedeutung. Zur Struktur gehört auch die Regelklarheit. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich auf die Lehrkraft verlassen können. Sie ist es, die dafür sorgen muss, dass das Lernen nicht ständig durch eigene ergänzende Bemerkungen oder störendes Verhalten einzelner Schülerinnen oder Schüler unterbrochen wird. Die Lehrkraft ist letztlich dafür verantwortlich, dass die Regeln von allen eingehalten werden.

In einer Längsschnittstudie konnte Victoria Bleck (2018, S. 249) aufzeigen, dass die Begeisterung beziehungsweise die Freude einer Lehrkraft für deren Kerntätigkeit, das Unterrichten, mit einer positiven Entwicklung der effizienten Klassenführung einhergeht. Oder anders formuliert: Erleben Lehrkräfte ihren Unterricht als störungsarm, so entwickelt sich ihr Enthusiasmus für das Unterrichten in den folgenden Jahren positiv. Einer effizienten Klassenführung «kommt damit nicht nur für das Lernen der Schüler eine hohe Relevanz zu, sondern auch für das Erleben der Lehrkräfte. Ausgehend von den Ergebnissen scheinen eine effiziente Klassenführung und Disziplin nicht nur für Lehrkräfte in der Phase des Berufseinstiegs von zentraler Bedeutung zu sein, sondern auch für solche Lehrkräfte, welche sich bereits in der Phase der beruflichen Konsolidierung befinden» (ebd., S. 262 f.).

Unter Freude verstehen wir in diesem Zusammenhang die emotionale Reaktion auf positive Erinnerungen und angenehme Begegnungen mit Lernenden, aber auch mit Kolleginnen und Kollegen. Solche Emotionen gehören in jeden Unterricht. Sie übertragen sich von den Lehrkräften auf die Schülerinnen und Schüler und tragen dazu bei, dass diese sich motiviert mit den Inhalten des Unterrichts auseinandersetzen. Das Erleben positiver Emotionen unterstützt den Aufbau personaler Ressourcen wie Problemlösekompetenzen, das schnellere Lernen von Inhalten, die Qualität von Beziehungen im Klassenverband und das Entwickeln von Optimismus und Zielorientierung (vgl. Brohm 2016, 22 f.).

Eine gute und effiziente Klassenführung ist auch eine wichtige Ressource für die Gesundheit aller am Unterricht Beteiligten (vgl. Haag 2008, S. 25). Psychisch gesunde Lehrkräfte lassen sich nach Schaarschmidt und Kieschke (2007, S. 22) wie folgt umschreiben: Sie zeichnen sich durch ein hohes, aber nicht exzessives berufliches Engagement und ein positives Lebensgefühl aus. Diese Lehrkräfte verfügen über eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und über offensive Problembewältigungsstrategien, werden von den Schülerinnen und Schülern als ruhig und ausgeglichen eingestuft, sind erfolgreich im Beruf und erleben eine breite soziale Unterstützung im Lehrerkollegium. Lehrkräfte mit diesem Profil sind in der Lage, sich den beruflichen, privaten und gesellschaftlichen Anforderungen mit Zuversicht, Elan und Freude zu stellen. Wie unterscheiden sich Personen aus diesem Profil von anderen Personen, die eher «ungesunde Muster» aufweisen? In einer Untersuchung zu den «Charaktereigenschaften bei der Arbeit» konnten Gander, Proyer, Ruch und Wyss (2012) aufzeigen, dass vor allem die Charaktereigenschaften «Begeisterung», «Hoffnung», «Neugier» und «Ausdauer» für ein gesundes und ehrgeiziges Arbeitsverhalten eine Schlüsselrolle spielen.

Und die Schülerinnen und Schüler? Eigentlich ist zu erwarten, dass sie, wenn sie sich in der Schule und im Unterricht wohlfühlen, wenig Anlass zu störendem Verhalten haben. Über welche Charaktereigenschaften verfügen diese Schülerinnen und Schüler, die im Unterricht kein störendes Verhalten zeigen? Unterschiede im Vergleich zu den Schülerinnen und Schülern, die im Unterricht durch Verhaltensweisen wie Verweigerung, Störungen, Abwesenheit, aggressives Verhalten und Verstöße gegen die Hausordnung auffallen, zeigen sich vor allem in der Ausprägung der Charaktereigenschaften wie «Liebe zum Lernen», «Ausdauer», «Authentizität/Aufrichtigkeit», «Neugier», «Hoffnung» und «Urteilsvermögen» (Bienengräber & Instenberg 2016). Die Ergebnisse sind eigentlich wenig überraschend, da Schule ja vorwiegend aus Lerntätigkeiten besteht und die erfolgreichen Schülerinnen und Schüler über ein gutes Durchhaltevermögen verfügen müssen, damit sie am Unterricht über eine längere Zeit aktiv teilnehmen und die Aufgaben vollständig bearbeiten können.

Für eine gute und effiziente Klassenführung kann dies bedeuten, dass eine förderliche Einflussnahme der Lehrkraft auf diese relevanten Charaktereigenschaften dazu führen kann, dass die Schülerinnen und Schüler im Unterricht weniger störendes Verhalten zeigen. «Die gezielte, förderliche Einflussnahme auf die relevanten Charaktereigenschaften devianter Schüler scheint demgegenüber im Sinne eines präventiven Vorgehens gegen das Auftreten störenden, abweichenden Verhaltens eine erfolgversprechende Strategie zu sein – und darüber hinaus eine genuin pädagogische Aufgabe im Sinne der förderlichen Einflussnahme auf die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen» (Bienengräber & Instenberg 2016, S. 451).

In den folgenden Kapiteln führen wir zuerst einen theoretischen Rahmen zum Thema «Klassenführung» ein. Anschließend greifen wir in den einzelnen Kapiteln verschiedene Aspekte der Klassenführung auf und legen dar, wie die Umsetzung im Unterricht gelingen kann. Wir gehen dabei jeweils indirekt auf die drei Prinzipien Freude, Struktur und Gelassenheit ein und zeigen auf, wie beim Unterrichten die oben aufgeführten Charaktereigenschaften gefördert werden können. Am Ende des Buches fassen wir die Erkenntnisse zusammen und legen nochmals dar, warum Klassen führen mit Freude, Struktur und Gelassenheit einen positiven Einfluss auf das Verhalten der Schülerinnen und Schüler im Klassenverband und auf ihre Leistungen im Unterricht hat.

Klassen führen (E-Book)

Подняться наверх