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Vorwort

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Von Klaus-Dieter Welker

So ein Lagerfeuer ist eine Wissenschaft für sich. Es ist wie das Leben. Es braucht ein gutes Fundament, einen Boden, auf dem es sich entfalten kann. Er darf nicht zu locker sein, keinesfalls morastig oder nass, und darf keine Gefahren für eine Ausbreitung des Feuers nach unten bieten. Feuer soll leben, nicht verzehren oder zerstören. Es soll Sicherheit, Geborgenheit, Schutz und Wärme spenden für all jene, die sich darum gesellen.

„Du machst Kleinholz, ich such Rinde, soll ein Feuer hier entstehn ...“. Leise klang die mittelalterliche Weise von der Lichtung in den dichten Wald, während sich die ersten Flämmchen durch das trockene Reisig und die Birkenrinde fraßen, Äste anknabberten und sich nach oben streckten. Verhaltenes Knistern war zu hören, hin und wieder ein Knacken. Als ein Windhauch durch den Wald wehte, wanden sich die Flammen an den stärkeren Ästen empor und erleuchteten die beginnende Dunkelheit.

„Sind das Stimmen, hörst du Rufen? Halt die Ohren in den Wind. Raunt ein Bach um Felsenstufen, ob das wohl die Unseren sind?“. Lauter ertönte nun das Lied, um zusammen mit dem Feuerschein den Rufern den Weg zum Lager zu zeigen. Bisher war nur die Vorhut hier, hatte Holz und Zunder gesammelt und ein paar alte Stämme herangerollt, die als Sitze dienen sollten. So, wie Zunder und Reiser der Ursprung eines wärmenden, lodernden Feuers sind, so sind alte Freunde der Ursprung eines Kreises von Menschen, die sich zusammenfinden.

Der Waldweg, der zu der Lichtung führte, brachte Neuankömmlinge. Sie winkten dem Feuer und den darum Stehenden zu. Alte Freunde und Bekannte umarmten sich, freuten sich über das Wiedersehen. Und auch diejenigen, die sich zum ersten Male an das Lagerfeuer gesellten und ein wenig schüchtern in die Runde blickten, wurden ebenso herzlich begrüßt und als erste mit einem Becher Tschai bedacht, dem alten Waldläufergetränk, welches in einem großen Topf in der Glut neben dem Feuer stand. Denn ein guter Tschai, in dem sich mehr roter Wein als Tee, eine gute Portion des besten Rums und edle Gewürze ein Stelldichein geben, löst die Zunge, bläst die Bedenken und die Schüchternheit aus den Menschen und lässt sie so hell strahlen, wie die aufziehenden Sterne.

So saßen sie wieder um das Feuer, alte Freunde und Freundinnen und solche, die es vielleicht einmal werden würden. Es war ein buntes Volk, Männer und Frauen, Alt und Jung, wobei das Alt- oder Jungsein nicht immer vom Alter abhängig ist. Sie waren nicht nur zusammengekommen, um gemeinsam im Feuerschein zu sitzen, den Tschai zu trinken und in die Sterne oder den dunklen Wald zu blicken. Sie alle vereinte ihre Liebe zu Geschichten und Erzählungen, zu Worten und Gedanken, für Erdachtes und Erlebtes, welches sie niederschrieben und erzählten. Immer in der Hoffnung, dass diese Worte nicht nur sie erfreuen, nachdenklich oder vielleicht auch mal traurig stimmen würden, sondern dass auch andere Menschen sich darin wiederfinden oder hineinträumen könnten.

Nach der ersten Wiedersehensfreude und nachdem die neuen Bekanntschaften ausführlich ausgefragt worden waren, wurde es ein wenig stiller in der Runde. Nicht immer braucht es viele Worte, um sich behaglich zu fühlen. Es reicht das Knistern des Feuers, das Rauschen des Windes in den Baumwipfeln, das Gefühl, im Kreise von Menschen zu sitzen, die all das wahrnehmen – und daraus vielleicht eine gute Geschichte oder Erzählung machen. Eine Erinnerung, die geweckt wird – oder ein spontaner Einfall von etwas Phantastischem, was vielleicht nie geschehen würde. Aber wer weiß das schon so genau?

„Habt ihr euch schon mal gefragt, was passieren würde, wenn ...?“ Neugierig blickten alle in die Richtung, aus der diese Worte kamen.

„Was meinst du? Hast du eine Geschichte für uns? Erzähl.“ Gespannte Erwartung zeigte sich auf allen Gesichtern, einige beugten sich nach vorne, andere stellten ihre Becher beiseite oder reichten sie dem älteren Mann mit den vielen Falten im Gesicht, der neben dem Topf mit dem Tschai hockte, damit dieser sie wieder füllte. Doch der schüttelte den Kopf.

„Nein“, sagte er mit breitem Grinsen, „Nachschub gibt es nur im Tausch. Tschai gegen eure Gedanken. Ein fairer Tausch, findet ihr nicht?“

„Dann werde ich beginnen“, lachte der, der vorher die Frage nach dem „Habt ihr euch schon mal gefragt ...“ gestellt hatte, und nachdem das Klappern der Kelle und des Topfdeckels verklungen und nur das Knistern der Flammen und das Rauschen des Windes zu hören waren, beugte er sich vor und fing an, zu erzählen ...


Geschichten aus dem Leben

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