Читать книгу Die Tore nach Rana - Claus Bork - Страница 9

Des Kaisers Wille

Оглавление

Als die Sonne über den Rand des Meeres stieg, hinter dem Land Illemed, und ihr erstes, warmes Licht über Dynadan warf, war er schon lange wach.

Nachdem er stundenlang dagestanden und lange bevor der Tag begonnen hatte rastlos über das Meer geschaut hatte, fasste er seinen Entschluß. Und es dauerte nicht lange, bis er ihn ausführen ließ.

Er war ein Mensch der Tat, und die Zeit war knapp.

Noch bevor die Sonne am Himmelsgewölbe stieg, ritten die ersten Horden der Maruderfechter durch die Stadttore von Krilanta.

Die Säbel, die sie trugen waren scharf wie Rasiermesser, und die Klingen glänzten im letzten, matten Licht der Sterne.

Sie hatten alle den gleichen entschlossenen Zug um den Mund, und alle den gleichen kriegerischen, suchenden Blick in den Augen. Sie ritten für den Jaranakaiser, sie wußten, daß sie hinausritten, um etwas zu finden, das die Existenz des ganzen Reiches bedrohte, nur wußten sie nicht, was es war. Aber sie waren, so wie es zu erwarten war, fest entschlossen, es zu finden.

Sie donnerten hinaus auf die Steppen von Ergol zu; an den Stränden entlang, wo die Wellen um die Hufe der Pferde spülten, oder in die Berge zum Ebenholzfelsen, wo er - Djin -vor vielen Jahren aus dem kalten Stein geboren worden war.

In den Schmieden heulten die großen, runden Schleifsteine, während die Esel sie im Kreis herum zogen. Die kräftigen Halterungen knirschten, während die Schmiede die Klingen von Säbeln und Speeren wetzten.

Das Heer wurde verstärkt, und alle jungen Männer, die Waffen führen konnten, wurden im Namen des Vaterlandes eingezogen.

Im Hafen wurde das größte Kampfschiff des Kaisers, die Windreiter, für die Reise ausgerüstet.

Der Kapitän stand auf der Brücke und überwachte die letzten Ladungen von Versorgungsgütern.

Alles, was mit dieser Aufrüstung der Truppen des Landes verknüpft war, trug Züge der Ratlosigkeit und des unsicheren Zorns, der sich der höchsten Führung des Landes bemächtigt hatte.

Kardinal Leso, der gerade das Schiff verließ, schritt den Landgang hinunter und stieg in einen von Pferden gezogenen Wagen, worauf er in Richtung des Palastes verschwand.

Dann wurden die Trossen geworfen, die Segel wurden knarrend hochgezogen und füllten sich langsam mit der Luft der letzten Nachtbrise. Die Windreiter stampfte aus dem Hafenbecken und weiter hinaus aufs Meer, auf der Suche nach etwas, von dem man wußte, daß es kommen würde, von dem aber niemand wußte, was es war.

Tausende wachsamer Augen forschten nach Schatten, wenn die Wolken über den Himmel schwebten. Sie hatten wie alle anderen, die hinausgeschickt worden waren, den Befehl, die Bedrohung ausfindig zu machen und zu vernichten.

Und für sie alle galt, daß sie, sobald sie auf das trafen, was der Kaiser genug fürchtete, um all dies in Gang zu setzen, und sobald sie sicher waren, daß es das richtige war, sie eine Botschaft zurück nach Krilanta senden sollten.

Der Jaranakaiser saß auf seinem Thron und schaute über die Versammelten. Vor ihm, auf dem Gayrog Fell vor seinen Füßen, lagen zwei Wolfshunde und dösten, so wie es auch zu seines Vaters Zeiten Brauch gewesen war, und vorher zu dessen Vaters Zeiten.

In den hohen Sälen hallte es wieder von hunderten von gedämpften Stimmen. Sie bewachten ihn, all diese vielen Augen, beobachteten ihn aus vielen verschiedenen Gründen.

Sie hatten sich versammelt, all die einflußreichsten Männer des Reiches, die so kurzfristig herbeigerufen werden konnten.

Der Feldmarschall von Ergol, des Kaisers Stellvertreter im Steppenland im Norden, stand etwas abseits mit seinem Jagdfalken auf der Schulter. Um ihn herum schwärmten Offiziere von niedrigerem Rang und warben um seine Gunst.

Der Feldmarschall ignorierte sie.

Er betrachtete den Jaranakaiser mit einem selbstsicheren, harten Zug um den Mund. Er hatte etwas früher an diesem Tag beteuert, daß, wenn es eine solche Bedrohung gäbe, er sie aufspüren und vernichten würde. Nichts, was den Kaiser bedrohen würde, würde von seiner Hand und seiner Klinge verschont bleiben.

Der Schrei der Möwen drang vom Hafen herein und vermischte sich mit dem gedämpften Summen der Stimmen.

Ein älterer Mann wurde gerade durch die zweiflügelige Tür hinausgeführt, nachdem er verhört worden war.

Viele waren im Laufe des Vormittags auf demselben Weg hinausgeführt worden. Alle hatten sie gemeinsam, daß sie nicht das waren - oder nichts darüber wußten, was der Kaiser suchte.

Nun saß er zurückgelehnt da, die Handflächen gegeneinander und die gespreizten Finger unter dem Kinn. Seine ganze Gestalt strahlte die Erschöpfung aus, die sich schwer auf seine Seele gelegt hatte.

Die dunklen Ränder der Müdigkeit um seine Augen verstärkten diesen Eindruck, den viele der Anwesenden gerade jetzt von ihm hatten; daß nur der Wunsch da zu sein, wenn Meldungen von den Ausgesandten kämen, ihn wach hielte.

So groß war das Vertrauen gerade zu den Marudern, daß der Kaiser nichts besonders viel von all den Aktivitäten, die im Palast stattfanden, erwartete.

Er erwartete, daß sie es waren, die die Bedrohung finden würden, und daß sie es waren, die sie überwinden würden. Er wartete rastlos auf die Meldung, daß es geschehen sei. Aber noch hatte er nichts gehört.

Der Junge, Erbe des Thrones, auf dem er saß, und sein einziges Kind, war in sicherer Verwahrung. Der ganze Flügel, indem sich seine Gemächer befanden, war zur verbotenen Zone erklärt worden. Nur die, die er persönlich ausgewählt hatte, hatten dorthin Zugang.

Die Maruderfechter schwärmten um den Jungen wie Ameisen, und hatten den ausdrücklichen Befehl, das Schwert gegenüber jedem sprechen zu lassen, der sich Zugang ohne seine Erlaubnis erzwang.

Nun wartete er dort auf dem Thron, der von zwei riesigen Löwen aus Basalt getragen wurde, wissend, daß die Zeit verging, ohne daß etwas geschah, und daß gerade dies sein Alptraum werden würde.

Schließlich erhob er sich. Alle im Saal schwiegen und drehten sich zu ihm um.

Er warf einen müden Blick um sich herum, sah die angespannten Gesichter und wohlmeinenden Kopfbewegungen der Herumstehenden, und verließ daraufhin die Versammlung mit eiligen Schritten.

Als die Türen sich hinter ihm geschlossen hatten, blieb er einen Augenblick mit den Händen auf das Geländer gestützt stehen, und ließ den Blick über die Weinranken gleiten.

Die Sonne näherte sich dem gezackten Rand der Berge weit weg im Westen, und die Schatten im Innenhof des Palastes waren lang.

Das Geräusch der Schmiede hatte aufgehört. Sie waren bereit, bereit zum Krieg, bereit zum Kampf, bereit zu was auch immer, um das Leben des Jungen zu retten.

Dann drehte er sich auf den Hacken um und ging durch die Bogengänge fort.

Während er davoneilte, wurde er wieder aufmerksam auf das Gefühl, das in ihm Platz gefunden hatte. Das Gefühl eines keimenden Zorns, einer ungehemmten, unbezähmbaren Wut, der er einstmals vor langer Zeit in Djin begegnet war. Er redete leise und beruhigend mit sich selbst, während er weiterlief.

Er wollte sich selbst steuern, und nicht von dem Zorn und dem Haß gesteuert werden, wie Djin.

Als er etwas später durch die Tür in die kaiserlichen Gemächer trat, atmete er erleichtert auf.

Die Klingen der Säbel glänzten scharf im flackernden Licht der Fackeln. Der Junge lag auf dem Bett und schlief.

Der Zauberer des Hofes, Nafimo, saß auf der Bettkante unter dem Seidenhimmel und studierte das Gesicht des Kindes. Er sah auf, als der Kaiser eintrat, und beeilte sich, sich zu erheben.

"Bleib sitzen," sagte Angicore zu ihm gewandt.

Der Zauberer betrachtete ihn eingehend. Einen Augenblick maßen sie einander, dann sagte der Kaiser:

"Was hast du gefunden?"

Der andere schüttelte langsam den Kopf. Sein Gesichtsausdruck bewies, daß er nicht gerne sagte, was er gezwungen war, zuzugeben.

"Nichts, Euer Gnaden."

Der Kaiser blieb mitten auf dem Fußboden stehen und breitete die Arme aus.

"Aber es muß doch eine Lösung für dies alles geben. Zarafir konnte mit Hilfe von Zauberei Dinge ausrichten, die kein gewöhnlicher Mensch im Stande war zu tun."

"Ich bin nicht Zarafir, Euer Gnaden." Die Worte kamen nur vage und entschuldigend über seine Lippen. Er sah auf den Jungen hinunter, während er sprach. Dann drehte er sein Gesicht zu Angicore und sah ihn starr an.

"Diese Art Zauberkunst starb mit ihm, Euer Gnaden."

"Nein!" sagte Angicore hart. "Nach Zarafir gab es Skillion. Er war mächtiger als selbst Zarafir."

"Ich habe Skillion nie gekannt, Euer Gnaden." Nafimo rieb sich die Hände, mit einer Nervosität, die aus seinem Gesicht leuchtete.

"Ich kannte Skillion," sagte Angicore. "Ich habe Befehl gegeben, daß sie ihn finden und zu mir bringen sollen."

"Wenn er lebt, Euer Gnaden."

"Wenn er lebt," flüsterte Angicore.

"Soll ich heute Nacht hierbleiben, Euer Gnaden, oder kann ich mich zurückziehen?" Nafimo sah ihn fragend an.

"Du kannst gehen, Nafimo. Aber bleib in der Nähe für den Fall, daß wir deine Zauberei brauchen."

Nafimo nickte und erhob sich.

Angicore ließ sich auf das Bett sinken und starrte zur Tür, die sich hinter dem alten Zauberer schloß.

"Er kann nichts," dachte er müde. "Er ist der erbärmlichste aller Zauberer, und doch gibt es keinen besseren als ihn."

Die Maruder standen wie aus Stein gehauene Säulen da, mit den Händen an den Säbelschäften. Ihre ausdruckslosen Augen studierten den Kaiser, der auf dem Bett des Jungen saß. Sie warteten seine Befehle ab.

Er blieb lange mit der kleinen Hand des Jungen in der seinen sitzen. Er fühlte, wie er lebte und wuchs, ohne etwas von der Gefahr zu ahnen, die seiner Existenz drohte. Als der Jaranakaiser sich vom Lager des Jungen erhob, waren seine Augen voller Tränen.

Er sah den Maruder an der Tür wütend an und sagte: "Bewache sein Leben mit deinem. Stirbt er - so stirbst du..."

Wieder flammte er auf, der unbezähmbare Zorn, der in seinem Innern raste.

Der Maruder trat von der Wand vor, zog mit einer blitzschnellen Bewegung seinen Säbel aus der Scheide und kniete sich vor ihn hin. Mit der einen Hand flach auf die Klinge gedrückt, beugte er sich vor, berührte die Klinge mit seinen Lippen und sagte: "Das soll mein Schicksal sein, Euer Gnaden."

Angicore warf einen letzten Blick in den Raum und verließ ihn.

Die Tore nach Rana

Подняться наверх