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Warum Pussy?

Warum dieses Wort? Als der Verlag mir den Titel vorschlug, war ich erst skeptisch. Meine Methode bezieht sich doch auf viel mehr als auf die weiblichen Geschlechtsteile, zudem wird »Pussy« eigentlich meist abwertend benutzt. Aber welche Worte haben wir denn für unser weibliches Geschlecht, die keinen unangenehmen Beigeschmack haben oder ganz klinisch und unsexy klingen? Das deutsche Wort Scheide klingt nicht nur unschön, seine Bedeutung kommt aus dem Mittelhochdeutschen für »Scheidung, Trennung, Abschied, Unterscheidung sowie Schwert-, Messerscheide«10.

Im 16. Jahrhundert haben wir angefangen, das Wort auch unter dem Einfluss des lateinischen »vagina«11 für »Schwert-, Degenscheide, weibliche Scham« zu benutzen. Unser Geschlechtsorgan wird also als Behältnis für das männliche Geschlechtsorgan definiert. In ihrem Buch »Das andere Geschlecht« beschreibt die Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir, dass im Laufe der Geschichte Frauen von Männern zum »anderen Geschlecht« gemacht worden seien. Dies bedeutet in der existenzialistischen Terminologie de Beauvoirs, dass sich der Mann als das Absolute, das Essenzielle, das Subjekt bezeichnet, während der Frau die Rolle »des anderen«, des Objekts zugewiesen wird. Sie wird immer in Abhängigkeit vom Mann definiert. Deswegen ist das Wort sehr bezeichnend für unsere einstige Rolle in der Gesellschaft und gerade heute nicht mehr angemessen.

Der Ort, der uns die schönsten Gefühle und Orgasmen bringt, ein Ort der Power, ein Ort der intimsten Verbindung mit uns selbst und eventuell unserem Partner, der Ort dem dieses Buch gewidmet ist, braucht definitiv einen eigenen Namen. Feministische Autorinnen wie Eve Ensler, Naomi Wolf und Regena Thomashauer betrachten die Verunglimpfung unserer weiblichen Geschlechtsteile in Gesellschaften mit patriarchaler Tradition wie der unseren als Werkzeug zur Entmachtung der Frau12 13, und ich sehe in meiner Arbeit mit Frauen und in unserer Kultur generell immer noch unheimlich viel Scham um unsere eigene Sexualität und unser weibliches Geschlechtsorgan. In anderen Kulturkreisen gibt es schönere und passende Namen, wie etwa das Wort »Yoni« aus dem Sanskrit, das »Quelle, Ursprung, Ruheplatz, Behältnis, Aufenthaltsort, Nest« bedeutet. Aber anstatt ein Wort aus einer anderen Kultur zu wählen oder gar ein neues Wort zu erfinden, das keinen Rückhalt in unserer Kultur hat, habe ich beschlossen, »Pussy« zu verwenden und den Begriff salonfähig zu machen. Das Wort Pussy wird heute zwar noch abwertend benutzt, aber viele moderne Feministinnen erobern die Nutzung für sich selbst: Beispiele sind die Bands »Pussy Riot« und »Perfect Pussy«, die »Pussy Grabs Back«-Protestbewegung gegen des Sexismus des amerikanischen Präsidenten, der New-York-Times-Bestseller »Pussy« von Regena Tomashauer oder die Sendung »Pussy Terror« der deutschen Komikerin Carolin Kebekus. In dieser jungen feministischen Tradition steht unser Titel »Pussy Yoga«: Lasst uns das Wort Pussy zurückerobern und selbstbewusst benutzen, lasst uns selbst bestimmen, was das Wort Pussy für uns bedeutet.

Ich hoffe, dass du das Buch gern im Café oder in der U-Bahn lesen und mit deinen Freundinnen diskutieren wirst. Es sollte normal sein, sich über unsere Pussys zu informieren und auszutauschen.

Pussy klingt gut, und der etymologische Ursprung liegt in dem alteuropäischen Begriff für Katze. Ab dem 17. Jahrhundert wurde es auch benutzt, um Mädchen und Frauen zu bezeichnen14. Und »Katze«, vom Kätzchen bis zur Löwin, ist eine tolle Metapher für unser schönes Stück: Katzen sind zart und süß und wissen, sich in Szene zu setzen. Inspirierend ist ihre Art, sich zu entspannen, ihre Kunst, Streicheleinheiten völlig zu genießen, ihre selbstbewusste sinnliche Art, sich zu bewegen und ihre Selbstbestimmtheit, Wildheit und Agilität. All das liegt auch in der Natur unserer Pussy, ob sie nun bereits völlig entfaltet ist oder noch im Dornröschenschlaf schlummert. Anatomisch bezeichnen wir in diesem Buch als Pussy die komplette Vulva und das Innere der Vagina.

Wir selbst werden durch Pussy Yoga unsere wilde instinktive Seite finden, wir werden uns mit unserem Körper verbinden, und wir werden eine Löwin – selbstbewusst, sinnlich, geschmeidig und stark.

Und warum Pussy Yoga?

Der Begriff Yoga kann als »Integration« von Körper und Seele zum Einswerden mit dem Höheren Bewusstsein verstanden und jeder Weg zur Selbsterkenntnis als Yoga bezeichnet werden. Es gibt zahlreiche Namen für die verschiedenen Yoga-Wege.15 Der Weg, den wir hier gehen, ist der Weg der Pussy. Pussy Yoga verbindet Körper und Geist, wie du es vielleicht vom Yoga her kennst, hat aber keine festen Abfolgen der Positionen, die du nacheinander einnimmst, sondern erforscht neugierig und sinnlich neue Bewegungsmöglichkeiten – aus dem Beckenboden heraus. Bei uns geht es auch nicht um Perfektion, sondern um Authentizität, Intensität und Lebendigkeit. Es gibt keine heiligen Texte oder Traditionen – und keine Meister. Dein Guru bist du selbst, ist dein Körper, ist deine Pussy. Ich teile mit dir eine Methode, mit der du deine eigene Sexualität und deine eigene Power finden kannst. Aber die Weisheit, die du dabei entdeckst, ist in jeder von uns bereits angelegt und kann auch nur von jeder von uns persönlich erfahren werden.

Bei uns hält sich hartnäckig ein Vorurteil, dass wir alle von Natur aus Experten auf dem Gebiet der Sexualität sein müssten. Doch warum sollte es so sein? Im Gegensatz zu Tieren müssen wir im Bett nicht nur das Nötigste tun, um uns zu vermehren, wir können, gerade weil wir alle Möglichkeiten der Verhütung haben, Sex zu einer Kunstfertigkeit bringen, die unser Leben emotional, spirituell und intellektuell bereichert. Genau so wie Meister des Tango, weise Yogis und Sterneköche nicht vom Himmel fallen, kommen großartige Liebhaberinnen nicht aus dem Nichts. Seit Tausenden von Jahren machen sich Experten aller Kulturen Gedanken darüber, wie man die unterschiedlichsten Kunstfertigkeiten verfeinern kann, um immer wieder neue Höhen der Meisterschaft zu erreichen. Durch das Weitergeben von Wissen müssen wir nicht alle bei null anfangen, sondern können von den Besten lernen, anstatt im Dunkeln zu tappen, bis wir herausfinden, wie man große Wellen surft. Niemand käme auf die Idee, ohne eine Ausbildung an einem Karate-Wettkampf teilzunehmen, doch zuzugeben, dass man etwas über Sexualität oder seine Pussy lernen möchte, ist immer noch ein Tabu. Ein Tabu, das wir mit diesem Buch vom Tisch fegen wollen. Denn die meisten Frauen haben nicht die leiseste Ahnung von der Power ihres Beckenbodens und der Power ihrer Orgasmen.

Warum sind unsere Pussys und Beckenböden ausgeleiert und verspannt?

Zum einen liegt es daran, dass sich unsere Lebensumstände in den letzten 12.000 Jahren, seit wir sesshaft geworden sind, drastisch verändert haben und wir nicht mehr das Leben führen, für das unser Körper sich durch die Evolution optimiert hat,16 zum anderen haben wir unseren Körper von unserem Bewusstsein getrennt. Als nomadische Jäger, Sammler und Fischer hatten wir in vielerlei Hinsicht ein recht bewegtes Leben. Wir bewegten unseren Körper in der Art und Weise, die ihn optimal trainierte und nutzte: Je nach Lebensraum liefen wir lange Strecken, kletterten, tauchten, jagten – und hockten nur zum Entspannen und Arbeiten auf der Erde. Zudem verbrachten wir unser ganzes Leben mit unserer Stammesgemeinschaft in der Natur. Alle Mitglieder eines Stammes konnten fast alle erforderlichen Tätigkeiten ausführen, was ihre Körper und ihren Geist fit und elastisch hielt. Als wir anfingen, Tiere zu domestizieren und Pflanzen gezielt anzubauen, und somit an einen festen Ort gebunden waren, entwickelten wir eine größere Spezialisierung. Es bildeten sich Berufsgruppen, die immer wieder die gleichen Handlungen abspulten, bis die meisten von uns im Zuge der Industrialisierung unsere Tätigkeiten fast ausschließlich im Sitzen oder Stehen verrichteten und uns im Vergleich zu unseren Ahnen kaum noch bewegten. Durch moderne Verkehrsmittel fahren wir heute, anstatt zu laufen. Und mit der Verbreitung von Medien – angefangen bei Zeitungen und Büchern über Radio und Fernsehen bis hin zum Internet und Smartphone – entfernen wir uns nicht nur immer weiter vom Hier und Jetzt, sondern wir verbringen auch noch unsere arbeitsfreie Zeit bewegungslos sitzend und passiv konsumierend. Unsere Bewegung quetschen wir in einen 60-Minuten-Slot im Fitnessstudio, in dem wir dann völlig an unsere körperlichen Grenzen gehen.

Wir sitzen heute im Schnitt 13 Stunden am Tag. Die für uns heute normale, aber für unsere Pussy und Beckenboden fatale Sitzhaltung auf Sitzmöbeln und ähnlichen Vorrichtungen hat sich erst in den letzten 200 Jahren verbreitet, auch die Sitztoilette hat sich erst Mitte des 19. Jahrhunderts in allen Haushalten etabliert.17 Und damit haben sich alle Probleme um den Beckenboden und die abdominalen Organe noch zugespitzt. Wir führen also kein »natürliches« Leben mehr. Was aber nicht schlimm ist, denn unser Leben ist wunderbar, und ich möchte nicht mit meinen Vorfahren tauschen und auf die Möglichkeiten, mein Leben ganz frei zu gestalten, oder auf das Internet verzichten. Zudem sind wir unserer Lebensrealität alles andere als hilflos ausgeliefert, denn mit den Übungen und Tricks im Pussy Yoga kannst du dir die Fähigkeiten und Eigenschaften, die unsere Zivilisation vergraben hat, wieder aneignen. Und durch die Errungenschaften unserer Zivilisation bekommst du die neueste Forschung und die besten Werkzeuge und Tipps für ein erfülltes Liebesleben, zu denen deine steinzeitlichen Vorfahren noch keinen Zugang hatten.

Der zweite wichtige Faktor ist, dass wir im Gegensatz zu Tieren und unseren Vorfahren so entfremdet von unseren Körper und seinen inhärenten Instinkten sind, dass wir es nicht mehr schaffen, natürlich mit Stress umzugehen und ihn abzubauen, sobald die Bedrohung vorbei ist. Deswegen sind wir das einzige Tier (ausgenommen der Tiere, die wir in Gefangenschaft oder als Haustiere halten), das nachhaltige Stresssymptome und Traumata entwickelt. Und Stress ist maßgeblich daran beteiligt, den Beckenboden zu schwächen.18 Wobei es hier einen unglücklichen Teufelskreis gibt, denn Menschen mit einem geschwächten Beckenboden neigen wiederum dazu, psychisch labiler und stressanfälliger zu sein.19 Der dritte entscheidende Faktor im Verlust unseres natürlichen Zugangs zum Beckenboden ist die kirchliche Prüderie, die die »schönste Sache der Welt« und alle Körperteile, die damit zusammenhängen, mit vielen Tabus und Scham belegt hat, die uns bis heute noch lähmen. Obwohl es zu dem Bild eines erfolgreichen Lebens dazugehört, viel und guten Sex zu haben, haben wir weniger Sex als je zuvor.20 Laut Moshé Feldenkrais verschwinden kulturell stigmatisierte Körperbereiche aus unserem Selbstbild.21

Und genau hier setzt Pussy Yoga an. Mit den Übungen kultivierst du ein neues neurologisches Selbstbild, das den Beckenboden wieder in dein Bewusstsein rückt, und du bekommst gleichzeitig die Gelegenheit, dich von alten unbewussten Denkmustern zu befreien und deine Sexualität nach deinen eigenen Maßstäben zu leben.

Pussy Yoga

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