Читать книгу Vergangenheitskampf - Corinna Lindenmayr - Страница 8

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3. Kapitel

Morgen waren sie endlich vorbei. Achtzehn Jahre seines Lebens, die er geopfert hatte, um endlich das zu erreichen wonach er sich schon so lange verzehrte.

Macht und Reichtum.

Er schämte sich nicht dafür das zuzugeben. Warum auch? Jahrelang hatte er auf der richtigen Seite des Gesetzes gestanden, hatte sein Leben riskiert um Verbrecher dorthin zu bringen, wo er sich nun selbst befand. Hinter Schloss und Riegel.

Die letzten Monate war er geradezu hineingewachsen in die Rolle des reuigen, unscheinbaren Polizeihauptkommissars, der nichts weiter als Vergebung wollte. Dessen unendlich schlechtes Gewissen ihn geradezu auffraß.

All die Jahre hatte er gelernt damit umzugehen. Sich Situationen anzupassen und im richtigen Moment die Chance zu ergreifen, die einem geboten wurde. Er war dafür ausgebildet worden, seine waren Emotionen und Gefühle unter Kontrolle zu halten.

Es war so lächerlich einfach gewesen.

Jetzt endlich war seine Zeit gekommen. Der Augenblick, der ihn für die letzten eineinhalb Jahrzehnte entschädigte und dieses Mal würde ihn niemand aufhalten.

Ganz langsam stand er von seinem Metallbett auf und trat an das kleine Fenster. Durch die Gitterstäbe hindurch sah er sie. Die Freiheit.

Der Regen trommelte auf die Dächer der angrenzenden Häuser und er spürte wieder die Wut in sich aufsteigen.

Wut auf den Mann, der ihm zuerst alles versprochen und letztlich alles genommen hatte. Don Jefferson Barlock.

Aber auch das würde er ändern.

Das Handy in seiner Hosentasche vibrierte und er zog es heraus. Vor wenigen Tagen hatte er sich ein neues Prepaidtelefon besorgen lassen. Auch solche Dinge waren innerhalb eines Gefängnistraktes nicht wirklich ein Problem. Kannte man die richtigen Leute war so ziemlich alles ein Kinderspiel.

Mit einem leisen Lächeln las er die Zeilen und steckte es dann wieder ein.

»Die Sache läuft. Ich erwarte dich.«

Oja, er würde zurückschlagen, so hart und unberechenbar, dass nichts und niemand daraus entkommen konnte.

Max hörte das laute »Schsch« der Schlittschuhe auf dem Eis der anderen Spieler die immer näher auf ihn zukamen und sich mit seinen eigenen vermischten, während er mit dem Puck an seinem Schläger weiter auf das Tor von Johnny Malcury, dem Torhüter der Krefelder Pinguine zusteuerte.

Von links näherte sich sein Teamkollege Ryan LeLane. Er drehte seinen Körper leicht in dessen Richtung, fixierte den Puck mit seinem Schlägerkopf und konzentrierte sich auf den Abschuss. Keine Sekunde später donnerte er durch einen Bodycheck von Toni Mellone mit voller Wucht gegen die Bande.

Er schüttelte sich kurz, rückte seinen Helm wieder gerade und steuerte seitlich auf das Tor zu um für einen weiteren Pass bereit zu sein. Ryan gab den Puck zunächst an Jonas, dieser zurück an Ryan. Max warf einen kurzen Blick auf die Anzeigentafel der Hallenmitte. Es waren noch knapp 3 Minuten im letzten Drittel zu spielen und sie lagen mit einem Tor hinten. Wenn sie dieses Spiel verloren standen die Chancen auf die Teilnahme der Play-Offs gegen Null.

Sie mussten sich zumindest in die Verlängerung retten. Ein Punkt wäre zwar nicht perfekt, aber er würde sie wenigstens im Spiel halten.

Ryan fuhr ein paar Meter weiter um sich besser in Schussposition bringen zu können, während Max seine Position hielt. Er beobachte seinen Kollegen genau, analysierte seine Körperhaltung und in dem Moment als der Puck Richtung Tor steuerte und von dem Torwart zurück prallte war er bereit. Mit nur einer einzigen Bewegung hielt er seinen Schläger exakt so, dass er den Winkel zur oberen Netzkante im Visier hatte und schoss.

Das Netz vibrierte als die schwarze Scheibe darin versank, der Schiedsrichter abpfiff und die Zuschauertribüne mit Jubelschreien explodierte.

Max riss die Arme nach oben und wäre am liebsten vor Dankbarkeit auf die Knie gegangen. Denn auch, wenn dieser Sport eine Teamarbeit war und man für Sieg oder Niederlagen selbst verantwortlich war, gehörte einfach hin und wieder ebenfalls ein Quäntchen Glück dazu. Und dieses Mal war es definitiv Letzteres gewesen. Wäre der Puck auch nur ein paar Zentimeter anders zurückgeschleudert worden, hätte sein Schusswinkel nicht gestimmt und die Scheibe wäre daneben gegangen.

Er ließ sich von seinen Kollegen auf dem Eis umarmten, klatschte dann an der Bande mit den restlichen Spielern ab bevor der Schiedsrichter wieder auf das Bully zeigte.

Noch 50 Sekunden. Sie würden das überstehen. Sie mussten einfach.

15 Minuten später schleppte er sich nach einem 2:1 Sieg in der Verlängerung vollkommen fertig in die Kabine. Sein linker Arm schmerzte von dem Zusammenprall mit Brady Meloy und sein Kopf dröhnte seit dem Moment, als er bei dem Bodyscheck mit Toni gegen die Bande geknallt war. Aber das alles war nicht wichtig. Seine Mannschaft hatte dieses Spiel gewonnen und das war das Einzige was zählte.

Es war allein sein Problem, dass er, anstatt sich darüber zu freuen und seine Gedanken wieder in Richtung Play-Offs zu lenken an eine zierliche, ziemlich süße schwarzhaarige junge Frau dachte, die ihn mit ihren braunen Kulleraugen und diesen zartrosa Lippen echt umgehauen hatte. Er sollte sich dringend wieder auf die wichtigen Sachen konzentrieren. Er hatte keine Zeit für Ablenkungen. Und Emma-Sophie schrie förmlich danach. Er sollte sie vergessen. Allerdings war dies angesichts der Tatsache, dass er sich mit ihr verabredet hatte, gar nicht so einfach. Denn dieses Mal gedachte er auch, dieses Treffen einzuhalten.

»Was meinst du damit, er ist nicht aufgetaucht?« Bea saß ihr gegenüber auf einer alten Holzbank im Garten des Kinderheims und spießte sich ein Stück ihres Hühnchens auf die Gabel. Da es trotz der Kälte ein recht sonninger und angenehmer Tag war, hatten sie beschlossen, diesen mit den Kindern im Freien zu verbringen.

Emma zog ihren Schal ein wenig fester um den Hals. Sie wollte eigentlich nicht unbedingt von ihrem gestrigen Abend erzählen. Was mehr daran lag, dass er sie so emotional aufgewühlt hatte. Die ganze Nacht konnte sie kein Auge mehr zu machen. Ständig musste sie wieder an den Tag denken, als ihre Mutter gestorben war. An den Unfall, der alles veränderte. Die letzten Jahre war es ihr gelungen, ihre Vergangenheit ziemlich gut zu vergessen, aber aus irgendeinem nicht erklärlichen Grund gelang es ihren Erinnerungen sich plötzlich wieder in den Vordergrund zu drängen.

Emma zuckte mit den Schultern. »Er hat mich versetzt.«

Ihre Freundin kniff die Augen zusammen. »Ich dachte du hättest dieses Treffen öffentlich gewonnen?« Hatte sie auch. Nur war das einem Max Christensen wohl egal gewesen.

»Tja, letztendlich habe ich ihn ja dann doch noch getroffen.«

Bea sah sie fragend an und Emma verfluchte sich im Stillen dafür, diese Worte ausgesprochen zu haben. Jetzt würde sie alles erzählen müssen, auch diese Sache mit dem Date.

Nun, das hatte sie sich selbst zuzuschreiben.

Ergeben berichtete sie Bea daher von dem gestrigen Abend, dem Zusammenstoß und dass Max sie nach Hause gefahren und dann zu einem nächsten Treffen eingeladen hatte. Was sie jedoch verschwieg, war die Tatsache, dass ihr bei dem Gedanken daran, verdammt kribbelig zu Mute war. Denn auch, wenn sie keinen großen Wert darauf legte, diesen Max noch einmal wiederzusehen musste sie dennoch zugeben, dass er mehr als nur ein bisschen gut ausgesehen hatte.

»Wow, da tust du all die Jahre so, als würde dich kein Mann mehr interessieren und dann angelst du dir gleich einen von der Sorte, hinter dem alle Frauen her sind.« Bea grinste sie an. »Respekt meine Liebe.«

»Ich angle mir überhaupt niemanden. Und ich werde nicht mit ihm ausgehen.« erwiderte Emma trotzig.

»Natürlich wirst du mit ausgehen. Hallo? Wir reden hier von Max Christensen! Dem Eishockeykapitän der Augsburger Panther mit dem so ziemlich jede zusammen sein will!«

»Tja, nicht jede.«

»Schätzchen, du kannst ja versuchen dich selbst zu belügen, aber bei mir schaffst du das nicht.« Bea sah sie mit diesem durchdringenden Blick an, mit dem sie alle ansah, von denen sie dachte, dass sie vollkommen falsch lagen. Und Bea war eine Person, bei der das verdammt oft vorkam.

Auch wenn sie es gar nicht wollte, musste Emma lachen. »Okay, vielleicht will ich ein klitzekleines bisschen mit ihm ausgehen. Aber das spielt keine Rolle. Er ist genau das Gegenteil von dem was ich mir einmal wünsche.«

Bea verdrehte die Augen. »Himmel, du sollst ihn ja auch nicht gleich als potentiellen Ehemann ansehen.«

»Sondern nur als möglichen Liebhaber, ich weiß. » vollendete Emma abwehrend den Satz. »Aber nein danke. Auch darauf kann ich sehr gut verzichten.«

»Worauf kannst du verzichten?« Nickolas Petersen, der von allen nur Nick genannt wurde und seit kurzem als Praktikant bei ihnen arbeitete, gesellte sich zu ihnen. Nick war genauso alt wie Bea, was bedeutete, dass er in etwa drei Jahre älter sein musste als Emma. Er war groß, knapp 1,85 m und seine hellbraunen Haare waren beinahe schulterlang. Hin und wieder trug er sie zu einem kleinen Zopf zusammengebunden, so wie heute, was ihn in Kombination mit seiner Lederjacke, irgendwie verwegen aussehen ließ und so gar nicht nach jemandem der Kinderpfleger werden wollte. Mal ganz davon abgesehen, dass er ohnehin eigentlich schon viel zu alt dafür war, eine solche Ausbildung zu beginnen.

Lässig schwang er seine Beine über die Bank und setzte sich neben Bea. In der Hand hielt er ein bereits halb aufgegessenen Sandwich.

Emma funkelte ihre Freundin an. Wehe, sie würde mit Nick über Max Christensen reden. Das ging ihn nämlich rein gar nichts an.

»Ach, ich versuche Emma gerade nur deutlich zu machen, dass sie mit jemand, wie Max Christensen, durchaus ein wenig Spaß haben könnte.«

Erschrocken zuckte diese zusammen. Soviel also zur Loyalität unter Freundinnen. Sie warf Bea einen wütenden Blick zu, welchen diese aber getrost ignorierte und stattdessen munter weiter erzählte. »Max hat Emma zu einem Date eingeladen, aber unsere liebe »Ms. Ich-warte-auf-den-Richtigen« hier, will nicht hingehen.«

Nick warf Emma einen nicht ganz eindeutig zu definierenden Blick zu. »Wo hast du denn bitte diesen Proll getroffen?«

Proll? Benutzte man heut zu Tage tatsächlich noch dieses Wort? »Gestern. Ich, äh, war sozusagen schon mit ihm verabredet.«

»Aha.«

Bea stieß Nick unsanft von der Seite an. »Müsst ihr Männer immer so wahnsinnig kommunikativ sein?« fragte sie dann ironisch. »Wie wäre es stattdessen lieber mit einer hilfreichen Meinung?«

Nick verzog keine Miene. »Er ist nicht Emmas Typ.«

Das ließ Besagte aufhorchen. Sicher, das gleiche hatte sie selbst auch gedacht. Aber warum zum Teufel sagte Nick das?

»Warum?« hörte sie sich daher fragen, bevor sie sich eines Besseren belehren konnte.

»Habe ich etwa unrecht?« gab Nick anstelle einer Antwort zurück.

»Nein, aber..«

»Dann ist ja alles gesagt.« unterbrach er sie dann brüsk und stand wieder auf. »Vielleicht solltet ihr euch wieder an die Arbeit machen. Das scheint produktiver zu sein.« Damit lief er in Richtung der Spielwiese der Kinder davon.

»Okay, das war seltsam.« Emma sah ihm hinterher, wie er um die Ecke verschwand.

»Oder auch nicht.« erwiderte Bea nachdenklich. »Wenn ich es mir so recht überlege, denke ich, dass es die logische Reaktion darauf war.«

Irritiert zog Emma die Augen nach oben. »Worauf denn bitte schön?«

»Darauf, dass er auf dich steht.«

Auch in der kommenden Nacht schlief Emma nicht besonders gut. Ihr Kopf pochte noch immer, auch wenn die Schmerzen ein wenig nachgelassen hatten. Aber der Hauptgrund für ihren Mangel an Schlaf waren vermutlich ihre Gedanken, die einfach nicht aufhören wollten über die letzten beiden Tage nachzudenken. Nicht, dass es hier so verdammt viel gab, worüber man sich den Kopf zerbrechen könnte, aber irgendwie schien ihr Gehirn da anderer Meinung zu sein.

Das Treffen mit Max warf sie offenbar mehr aus der Bahn, als sie sich eingestehen wollte. Und Bea´s Kommentar über Nick und mögliche Gefühle für sie war dabei auch nicht gerade hilfreich gewesen. Zwar glaubte Emma nicht wirklich daran, aber sie konnte nicht leugnen, dass sie Nick seit dem versuchte aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen aus dem Weg zu gehen. Was angesichts des Umstandes, dass sie diese Tatsache für völligen Blödsinn hielt, auch nicht gerade viel Sinn machte.

Gott, seit wann war ihr Leben so kompliziert geworden?

Okay, zugegeben es war nie besonders einfach gewesen.

Mit zu erleben wir die eigene Mutter starb, worauf man in einem Kinderheim ohne weitere Familie aufwachsen musste, nur um dann mit 18 Jahren auf sich allein gestellt zu sein, mit nichts als einem Schulabschluss und monatlichen 200,00 EUR Kindergeld in der Tasche, war alles andere als leicht.

Dennoch hatte sie es geschafft.

In den letzten Jahren war es sogar ziemlich normal geworden. Sie besaß eine nette kleine Wohnung, einen Job den sie liebte und die beste Freundin, die man sich nur vorstellen konnte.

Bea war in jeder Hinsicht ihr Rettungsanker. Der Mensch, der ihr geholfen hatte das alles zu überstehen.

Das Kinderheim war ihr zu Hause, aber es war auch ein Ort, der sie ständig daran erinnerte, dass sie niemanden auf der Welt hatte zu dem sie gehörte.

Die meisten Kinder waren kaum länger als ein paar Monate geblieben. Wie sollte man da Freunde finden?

Sie hatte versucht, das Beste daraus zu machen, sich einzureden, dass sie dafür immer neue Freunde kennen lernen durfte, aber manchmal war ihr das eben nicht gelungen.

Emma war gerade 10 Jahre alt, als Bea in ihr Leben trat. Sie kam zu ihnen nach dem ihre Mutter gestorben war und ihr Vater erst einmal wieder mit sich selbst klar kommen musste. Was beinahe drei Jahre dauerte. Für Emma war dies die glücklichste Zeit ihres Lebens. Bea und sie wurden unzertrennlich. Zumindest bis zu dem Moment, als Bea´s Vater sie zurückholte.

Danach brach für sie zuerst ihre mühsam aufgebaute kleine Welt zusammen, doch Bea hatte sie nicht im Stich gelassen. Beinahe jedes Wochenende kam sie zu Besuch oder lud Emma zu sich ein. Solange, bis Emma volljährig wurde und das Heim verlassen musste.

Sie hätte nicht gewusst, was sie machen sollte. Wie auch, ohne Dach über dem Kopf. Frei nach dem Motto: Friss oder Stirb. Sie hatte sich für Ersteres entschieden. Hatte zugegriffen, als Bea ihr die Hand entgegenstreckte und sie nie wieder losgelassen.

Zusammen waren sie zur Uni gegangen um Erziehungswissenschaften zu studieren und während die anderen ihr Leben mit Partys und Alkohol genossen, arbeiteten sie Doppelschichten um ihr Studium und die Wohnung zu finanzieren, die sie sich angemietet hatten.

Also okay, ihr Leben war vielleicht auch vorher schon schwierig gewesen, aber dieses Mal war es einzig und allein auf emotionale Weise zurückzuführen, was vollkommen unrelevant sein sollte. Es aber nicht war.

Auf dem Weg ins Kinderheim versuchte Emma sich weiterhin einzureden, dass sich nichts verändert hatte. Sie ging weiterhin jeden Tag zur Arbeit, Bea war nach wie vor ihre beste Freundin und sie besaß immer noch die gleiche nette kleine Wohnung wie die letzten zwei Jahre.

Trotzdem fühlte es sich nicht mehr so an. Auch wenn nach außen hin alles gleich blieb, spürte sie doch tief in ihr drin, dass es nicht mehr stimmte.

Alles was ihr wichtig war, fing an, langsam zu zerbrechen.

St. Jose würde vermutlich bald geschlossen werden, Bea und sie müssten sich dann anderweitig nach Jobs umsehen, was sie zwangsweise trennen würde und ihre so mühsam aufgebaute Selbstkontrolle geriet durch das Zusammentreffen mit Max ebenfalls ziemlich ins Wanken. Als sie daher jetzt die Zufahrt hoch lief, verspürte sie nicht wie sonst Vorfreude, sondern einen gewissen Hauch von Melancholie. Das Leben war schon manchmal merkwürdig. Immer dann, wenn man glaubte, es wäre endlich perfekt, gab es einem deutlich zu verstehen, dass so etwas wie Perfektion einfach nicht existierte.

Emma-Sophie lief den alten, ziemlich ramponierten Teerweg entlang und steuerte zielstrebig auf das ebenfalls bereits sehr morsche Holzgatter zu, dass von zwei Betonpfosten gehalten wurde. Rings herum war das Gelände mit einem notbedürftig reparierten Maschendrahtzaun und einer leicht vermoderten Hecke umzingelt. Ja, es war kein schöner Anblick, aber eben dennoch ein zu Hause für viele Kinder. Und auch wenn es draußen nicht sehr einladend wirkte, traf das nicht auf die liebevoll eingerichteten Wohnräume und Zimmer zu. Das alles sollte einem riesigen Einkaufszentrum weichen. Als ob es davon nicht bereits genug gab. Das Gatter quietschte fürchterlich, als Emma es öffnete und kurz darauf hinter sich wieder schloss. Es war erst halb sieben Uhr morgens und noch alles dunkel. Normalerweise fing ihr Arbeitstag erst um halb acht Uhr an, aber da sie sowieso kein Auge mehr zugebracht hatte, konnte sie genauso gut Gretchen zur Hand gehen, die mit den Kindern im Heim wohnte und sich täglich um das morgendliche Ritual kümmerte.

Gerade als sie die zwei Stufen zum Haupteingang hochlaufen wollte, verspürte sie plötzlich so ein komisches Gefühl und als dann auch noch wie aus dem Nichts die Schaufeln vor dem Geräteschuppen umfielen wäre Emma beinahe vor Schreck über die Schwelle gestolpert. Gerade noch rechtzeitig konnte sie mit der rechten Hand nach dem Geländer greifen und sich festhalten. Was um alles in der Welt war das? Sie starrte auf die am Boden liegenden Spaten und warf dann einen Blick auf die Bäume im Garten. Kein einziger Ast bewegte sich. Es war also unmöglich, dass diese Geräte durch den Wind umgestoßen wurden. »Hallo? Ist da jemand?« Vorsichtig richtete sie sich wieder auf und bewegte sich langsam in Richtung des Schuppens. Leider hatte sie nichts bei sich, womit sie sich nötigenfalls verteidigen konnte, was vermutlich ziemlich dumm war, wenn man auf einen vermeintlichen Einbrecher zumarschieren wollte. »Hallo?« rief sie noch einmal. Keine Antwort. »Falls sie hier glauben etwas stehlen zu können, irren sie sich. Hier gibt es absolut nichts was einen Wert hätte.« Emma erreichte den Holzverschlag und wollte gerade nach den Schaufeln greifen, als sie von hinten einen Lufthauch spürte. Erschrocken wirbelte sie mit samt der Schaufel in der Hand herum, bereit zuzuschlagen. Doch da war niemand. Stattdessen donnerte das Eisen schwungvoll gegen die Holzwand und an der Pforte erschien eine ziemlich irritiert wirkende Schwester Margarethe am Türrahmen. »Was in Gottes Namen veranstaltest du da mein Kind?« Tja, im Augenblick fragte sich Emma das um ehrlich zu sein auch. »Äh, ich dachte da wäre jemand gewesen.« Antwortete sie dann, stellte die Schaufel zurück an die Wand und putzte sich die Holzspäne von der Hose. »Ich habe mich wohl getäuscht.« Gretchen sah noch immer leicht verdattert aus. Vielleicht lag es auch daran, dass sie noch nicht wirklich wach zu sein schien, aber Emma-Sophie jedenfalls kam sich im Moment wie die größte Idiotin vor. Entschlossen lief sie zurück zu ihrer Freundin. »Tut mir leid wenn ich dich erschreckt habe.« »Schon in Ordnung. Jetzt komm erst Mal rein. Was machst du überhaupt schon hier? Ist es nicht noch viel zu früh?« Während Gretchen die Tür hinter sich und Emma-Sophie schloss, bewegte sich ein dunkler Schatten hinter der Hütte und eine Person verschwand im Dickicht.

Vergangenheitskampf

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