Читать книгу Und sag nicht, dass die Sonne scheint - Cornelia Ertmer - Страница 6

Watte und Whisky

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Der Vater hat Ohrenschmerzen. Kalt und windig ist es in diesem Januar, Mütze, Schal, Handschuhe sind die alltägliche Ausrüstung und dann das. Da sind sie nun, die Ohrenschmerzen. Was tun? Zum Arzt gehen kommt nicht infrage. Wozu? Wegen der Schmerzen? Da hat der Vater eine viel bessere Idee. Er erinnert sich an die Kriegszeit, Winter 41/42, eisige Kälte, kaum einer der Kameraden kam ohne eine Erkältung, Halsschmerzen, Ohrenschmerzen und andere Infektionen davon. Medikamente waren rar. Wenn nichts hilft, hilft Alkohol, möglichst hochprozentiger. Am besten eine Behandlung von außen wie innen – oder umgekehrt. Auf jeden Fall erinnert sich der Vater, damals seinen Ohrenschmerzen mit einem Alkohol getränkten Wattebausch zuleibe gerückt zu sein. Ob nun letztlich die äußere oder innere Behandlung den Schmerz betäubte? Egal, Hauptsache, es hatte geholfen.

Die Kriegserfahrung , Schmerzen oder Infektionen mit Alkohol zu bekämpfen, hat eine nachhaltige Wirkung. Besonders beliebt war beim Vater in späteren Jahren der Einsatz von Whisky, natürlich gutem. Der hilft schlicht gegen alles: Er wirkt vorbeugend gegen Magen-Darm-Infektionen bei Fernreisen, verdauungsfördernd bei unbekannten oder zu gehaltvollen Speisen in der Fremde. Auch bei Herzklabaster, wie er seine Herz-Rhythmusstörungen und seine Angina Pectoris Anfälle nennt, ist Whisky hilfreich. Ein ordentlicher Schluck hilft ihm nach eigener Überzeugung und Wahrnehmung immer wieder rasch wieder auf die Beine. Vorbeugend eingenommen, wärmt der Whisky natürlich auch, vor allem im Winter. Mit Whisky lassen sich nicht zuletzt Schürf-, Schnitt- und andere Wunden desinfizieren, die man sich auf verschiedenen Exkursionen zuziehen kann. Fazit: Gleich, wohin der Vater unterwegs ist, ein Flachmann mit entsprechendem Inhalt ist immer dabei. Beileibe ist er jedoch nicht der einzige Nutznießer. Freigebig verteilt er den Inhalt des Fläschchens an alle Bedürftigen. Und deren gab es erstaunlich viele und besonders zur inneren Anwendung.

Nun also sitzt der Vater da, mitten im Winter, und die Ohren tun ihm weh. Wie bei alten Menschen häufig, kommen Erinnerungen in ihm hoch. Wie war das noch mit dem Whisky? Und schon hat er die Lösung. Er holt einen Wattebausch, zwirbelt ein Eckchen davon ab und tunkt es in einen Schluck Whisky. Den Pfropfen ins Ohr gesteckt und – warten. Zur Sicherheit nimmt er noch einen kräftigen Schluck extra, um den Heilungsprozess zu beschleunigen.

Die Behandlung schlägt an. Nach drei Tagen verkündet der Vater triumphierend, dass seine Ohrenschmerzen verschwunden seien. Schade eigentlich, da die Gesundung eine weitere innere und äußere Alkoholkur überflüssig macht. Aber in diesem scheußlich kalten Winter kann man sich ja noch alles Mögliche holen, was bestimmt eine neuerliche Behandlung in der bewährten Weise nötig macht. Aber dann fällt ihm der ultimative Lösung ein. Die Whiskykur wird fortgesetzt, denn Vorbeugen ist immer besser als Heilen.

Und sag nicht, dass die Sonne scheint

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