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Hin und her und kreuz und quer

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Es ist Montag. Noch eine Woche Schonfrist, dann geht mein internship los. Laut MTA (Metropolitan Transportation Authority, also der hiesige ÖPNV) gibt es drei Möglichkeiten, um zu meiner Praktikumsstätte im German House an der United Nations Plaza zu kommen. Welche davon am besten und praktischsten ist, wollte ich diese Woche unter realen Bedingungen testen. Um pünktlich bei der Arbeit zu sein, sollte ich – so entnehme ich es dem online trip planner – um 8.00 Uhr das Haus verlassen. Ich wache auf, die Uhr zeigt 7.38 Uhr. Och nöööö! Jetzt schnell schnell machen und hetzen? „Iwoooo, bleib liegen. Das bringt doch jetzt nichts. Außerdem hast du doch noch Urlaub”, säuselt mir mein innerer Schweinehund ins Ohr. Überzeugende Argumente. Ich bleibe liegen und drehe mich nochmal um. Auaaa, mein Nacken. Das fühlt sich nicht gut an. Habe ich mir jetzt einen Zug geholt? Ich werfe dem Fenster des Grauens einen giftigen Blick zu.

Irgendwann erahne ich zwischen den Lamellen des Rollos die Sonne draußen. Das schlechte Gewissen meldet sich und ich schlüpfe aus den Federn, ab ins Bad und angezogen. Ich entscheide mich heute für einen schwarzen Jumpsuit mit Lederjacke. Ein bisschen edel, ein bisschen rockig. Passt. Los geht’s. Fünf Schritte aus dem Haus raus. Oh ganz schön frisch. Naja, das wird sicher gleich wärmer und ich bin noch müde. Zehn Schritte aus dem Haus. Uuuh der Wind weht ganz schön und der Stoff ist doch dünner als ich dachte, aber jetzt nochmal umkehren? Nee, in der Sonne schwitze ich sicher gleich wieder. Also laufe ich zur U-Bahn-Station. Heute teste ich die Route über die L-line bis zur 1st Avenue, die ich dann mit dem Bus entlang fahre. Die Bushaltestelle ist bestens ausgeschildert und da steht der Bus auch schon. Ich flitze hin und werde nun zum ersten Mal auf dieser Fahrt Zeuge eines Vorgangs, bei dem ich nur – positiv – staunen kann. Eine Rollstuhlfahrerin möchte mitfahren. Das Szenario bei meinem heimischen Verkehrsbetrieb: Der Busfahrer drückt auf einen Knopf, um das Gefährt abzusenken, gegebenenfalls klappt noch eine Rampe aus. Dann schaut er desinteressiert, gelangweilt bis genervt in der Gegend herum, bis der Rollstuhlfahrer es irgendwie in den Bus und an den Platz geschafft hat. Das gleiche Szenario hier: Der Fahrer fährt und begleitet die Dame an den dafür vorgesehenen Platz und schaut, dass der Rollstuhl sicher steht. Er erkundigt sich bei seinem Fahrgast, wo sie denn aussteigen möchte, geht zurück zur Eingangstür, klappt die Rampe hoch, setzt sich an seinen Platz und bittet die übrigen Fahrgäste herein. Bei der Zieladresse der Frau hilft er ihr ebenso selbstverständlich wieder aus dem Bus heraus. Das Ganze wiederholt sich auf der zwanzigminütigen Fahrt zweimal. Nun ist dieser Fahrer kein Typ, der suuuuuper fröhlich-freundlich zu jedermann ist, aber das gehört ganz selbstverständlich zu seinem Job.

Im Bus selber, dessen Ziel in East Harlem ist, haben sich an diesem Morgen hauptsächlich ältere Herrschaften jeglicher ethnischer Herkunft eingefunden. Das einzige Englisch, das ich auf der Fahrt höre, stammt von den Computer-Bandansagen, die mitteilen, dass man an den hinteren Türen aussteigen solle. Je näher der Bus den United Nations kommt, desto mehr Polizeikräfte und Straßenabsperrungen sieht man draußen. Denn, tadaaa, morgen beginnt die einwöchige General Assembly, also die große Generalversammlung der Vereinten Nationen, wo alle Großen und Mächtigen dieser Welt auftreten. Das haben die (oder ich?) ja super getimt. Ich steige aus dem Bus – huuuui pfeift hier der Wind! Der Reißverschluss an der Lederjacke wird gleich mal ein bisschen höher zugezogen. In einem größeren Bogen laufe ich Richtung Vereinte Nationen und German House. Polizei und sonstige Sicherheitskräfte wohin das Auge blickt. Ich versuche ganz lieb und unschuldig zu schauen (denn das bin ich ja auch!), habe aber trotzdem das Gefühl wahrscheinlich schon von fünf Kameras aufs Korn genommen worden zu sein und die CIA hat wahrscheinlich auch schon ein Profil meiner Schrittgeräusche erstellt, um mich den Rest des Tages durch die Stadt verfolgen zu können. Doch dann stehe ich plötzlich vor meiner künftigen Arbeitsstätte. Ein komisches Gefühl. Überhaupt ist gerade alles komisch: Ich befinde mich in einer Hochsicherheitszone, rund 100 Meter weiter wehen die Fahnen vor den Vereinten Nationen, davor Sicherheitskräfte, dicke Sicherheitskarossen und Überwachungsinstallationen. In dem Gebäude neben mir werde ich ab nächster Woche ein- und ausgehen. Alles irgendwie sehr surreal. Außerdem ist mir kalt. Verdammt kalt. Ich stehe ein bisschen unschlüssig rum. Dann hole ich doch schnell die Fotokamera raus und mache hastig Bilder. Oje oje, was denken die denn, wer ich jetzt bin und was ich hier treibe? Ich rechne jeden Moment damit, dass mir ein bis an die Zähne bewaffneter Sicherheitsmann von hinten auf die Schultern tippt und streng kuckt. Aber nichts passiert. Ich laufe um die Ecke und schaue, wo ich ab Januar wohnen werde. Laut Google Maps sind es dann 150m bis zur Arbeit. Google Maps hat Recht. Es sind wirklich nur wenige Schritte. Die Straße ist zwar nicht ganz so idyllisch wie jetzt in Chelsea, aber wenn im Januar und Februar die Schneestürme kommen, ist mit Idylle eh nicht mehr viel und ich bin froh, wenn ich nur kurz um die Ecke huschen muss und da bin. Und vielleicht hat diese Wohnung ja dann sogar Fenster, die ich selbstständig bedienen kann?!

OK, den Punkt auf der To-do-Liste hätten wir abgehakt. Wohin jetzt? Die eine Hälfte in mir möchte sich ein bisschen die Gegend anschauen, die andere Hälfte friert und möchte heim. So ist das mit Sternzeichen Zwilling: Immer diese zwei Seelen in einer Brust – ein Spaß! Beide Hälften handeln den Kompromiss aus, dass wir zur nächsten U-Bahn-Station laufen und uns dabei die Gegend anschauen. Wieder eine Straßenecke weiter. Ja was haben wir denn da? Einen Supermarkt. Direkt um die Ecke. Ich kann nicht widerstehen. Ja, das lässt sich doch gut an. Schon wenige Meter nach dem Eingang wird deutlich, dass man nur einen Katzensprung von den United Nations entfernt ist. Regal reiht sich an Regal mit internationalen Spezialitäten, geordnet nach Ländern. Löwensenf und Langnese Waldhonig erwarten mich aus Deutschland ebenso wie Grabower Küsschen. Ich schließe meinen kurzen Rundgang ab. Kein Supermarkt der Sorte wunderschön, aber gut sortiert und halbwegs bezahlbar. Das passt. Wieder raus auf die Straße. Verdammt, wie kalt wird das denn noch?! Ich hetze Richtung Grand Central Station. Auf dem Weg dorthin entdecke ich plötzlich den Schriftzug Starbucks. Meine Miene hellt sich auf. Nichts wie rein und eine heiße Schokolade bestellt. Man kann von dem Laden ja halten, was man will, aber eben hat er mich in New York das zweite Mal vor dem Erfrieren gerettet. Ich taue langsam wieder auf und freue mich wie in jeder Starbucks-Filiale über das kostenlose WLAN. Eigentlich wollte ich auch einige Anrufe tätigen, die vorher nicht möglich waren, schließlich haben ständig irgendwelche Polizeisirenen geheult, aber leider ist der einzig freie Sitzplatz unter den Lautsprechern, aus denen laute Musik dröhnt. Naja, man kann nicht alles haben.

Nachdem ich wieder auf Betriebstemperatur bin, geht’s raus, wieder zwei Ecken weiter und da ist sie, die Grand Central Station. Durch einen Seiteneingang betrete ich das Gebäude, nach ein paar Schritten stehe ich in der großen Halle. Ich bekomme eine Gänsehaut am ganzen Körper. Und das nicht nur, weil die Klimaanlage hier offensichtlich mehr als nur gute Dienste leistet (Mensch Leute, mir ist doch schon kalt!), sondern weil es für mich einer der ästhetisch schönsten Orte überhaupt ist. Es hat so etwas Majestätisches. Ich fühle mich wie in einer großen Kathedrale. Trotz der vielen Menschen herrscht eine über allem liegende Ruhe. Ich wandere umher, lasse meinen Blick über die Decke mit dem Sternenhimmel schweifen. Kurz vor meiner Abreise nach New York habe ich mir noch eine etwas ältere Doku über den Bahnhof angesehen. Und jetzt bin ich tatsächlich wieder hier. So ganz geschnallt habe ich es also immer noch nicht, wie mir in diesem Moment wieder bewusst wird.

Dann geht es aber in die U-Bahn Richtung Apartment. Ich steige aus dem U-Bahn-Schacht. Die Sonne scheint. Wieso ist es auf einmal so warm?! Ich ziehe mir trotzdem etwas anderes an und überlege, was ich mit dem restlichen Tag anfangen könnte. Das ist das Problem in New York: Es gibt einfach viel zu viele Möglichkeiten. Und eine Woche lang habe ich noch ganz viel Zeit, die gefüllt werden möchte. Da Montag ist, beschließe ich wieder zum Union Square zu laufen, wo heute – wie an vier Tagen in der Woche – der Farmer’s Market ist. Als ich im Mai das letzte Mal hier war und samstagvormittags bei wunderschönem Wetter über den Markt geschlendert bin, phantastischen Pfefferminz-Eistee (gesüßt mit Ahorn-Sirup, wilde aber seeeehr feine Mischung!) geschlürft habe, schoss mir durch den Kopf: „Allein für diese halbe Stunde hat sich der Flug nach New York gelohnt.” Ich kann mich einfach nicht satt sehen an dem vielen frischen Obst und Gemüse, in allen Farben des Regenbogens. Das täuscht auch über die optisch nicht ganz so ansprechenden weißen Plastik-Zeltpavillons, die über die Stände gespannt sind, hinweg.

Auf dem heutigen Weg dorthin fällt mir plötzlich der Schriftzug „The Taste of Persia” in einem Schaufenster auf. Darunter blicke ich auf Warmhalteschalen voll dampfender Eintöpfe. Ich liebe persisches Essen, also ist die Entscheidung für mein heutiges Mittagessen schnell gefallen. Ich öffne die Türe und ach herrje! Wieder eine Türe mit einem bunten Sammelsurium dahinter. Dieses Mal keine CDs, dafür Essen. Ein länglicher Gastraum, auf der rechten Seite befindet sich eine lange Theke, an der man Pizza und Pasta bekommen kann („Pizza Paradise”). Auf der linken Seite in der Mitte des Ladens steht eine Theke, an der man sich einen Salat zusammenstellen lassen kann. Ganz hinten im Raum mache ich noch ein paar Tische und Stühle aus. Und ganz vorne, im Schaufenster, der Mini-Stand, an dem man auf den Geschmack Persiens kommen soll. Während die zwei Kundinnen vor mir ihr Essen erhalten, darf ich einen Löffel persischen Desserts probieren. Joa, kann, muss aber nicht. Ein „Versucherle” des persischen Lamb Stew lehne ich freundlich ab. Danke, kein Lamm für mich. Lämmer sind dazu da, um von Lisa in Bullerbü mit der Flasche aufgezogen zu werden und niedlich auszusehen und nicht um von mir gegessen zu werden. Für mich gibt es Auberginen mit Walnüssen, serviert auf Basmati mit zahlreichen toppings, wie man heute sagt. Leider gibt es kein tadik, die persische Reiskruste. Schade, das ist doch mit das Beste. Das Essen nehme ich to go, denn mittagessen will ich auf dem Union Square, in der Sonne, umgeben von Bäumen und Marktständen. Und genau so ein Plätzchen ist auch noch frei für mich. Ich setze mich und futtere los. Um mich herum hoppeln die Eichhörnchen und freuen sich offenbar auch ihres Lebens.

Am Tisch neben mir sitzen zwei junge Männer. Plötzlich fängt der eine an zu zucken und zu fuchteln. Epileptischer Anfall? Ah nein, eine Wespe. Da kommt ihm sein Kumpel mit einem Block zur Hilfe und versucht das Tier zu verscheuchen. Einmal holt er zu kräftig aus und haut zu schnell in Richtung Insekt: Bumm, es sinkt benommen zu Boden. Die beiden bemerken, wie ich sie beobachte und wohl etwas erschrocken schaue. Der Zuckende grinst entschuldigend und ruft: „Well, she started!” Ich muss laut loslachen. Der Zweite murmelt: „Oh God, I feel like a horrible killer now.” Ich grinse nochmal zurück und blicke mich um, wer mir an diesem Mittag im Park sonst noch Gesellschaft leistet. Links neben mir ein asiatisches Pärchen, das für sein (nicht-asiatisches!) take-away mitgebrachte Stäbchen aus dem Rucksack zieht. Ach, der Mensch ist ein Gewohnheitstier! Rechts, etwas weiter entfernt, lässt sich ein Paar mittleren Alters nieder, behängt mit Kamera und Reiseführer in der Hand. „Touristen!”, schießt es mir halb verächtlich, halb mitleidig durch den Kopf. Nun komme ich selber aus einer Touristenhochburg und bin deshalb nicht deren größter Freund. Jaja, ich weiß sie bringen das Geld in die Stadt. Ich sag ja schon gar nichts mehr. Aber auch sonst versuche ich stets. sowohl daheim als auch anderswo, den Eindruck zu vermeiden, selber Tourist zu sein, wobei ich vom Kauf des Shirts mit dem Aufdruck „I’m no Tourist, I live here” bisher abgesehen habe. Und jetzt sitze ich hier in New York. An der gleichen Stelle, an der ich vor nicht mal einem halben Jahr selber als Touristin saß, doch jetzt gehöre ich zur anderen Seite. Doch tue ich das wirklich? Ab wann ist man New Yorker? Bemisst sich das an der Zeit, die man hier gelebt hat? Am Tempo, mit dem man mit gesenktem Kopf durch die Straßen hetzt? An der Lautstärke, mit der man über die hohen Mieten schimpft? An dem Zeitpunkt, ab dem man seinen Backofen zum Aufbewahren von Kleidung und nicht zum Kochen benutzt? Ich bin mir nicht sicher. Im Moment bin ich wohl ein kleiner Hybrid. Eine Raupe im Kokon. Noch ein bisschen Tourist. Schon ein bisschen Einheimischer. Und wer weiß, vielleicht flattere ich demnächst als schöner New Yorker Schmetterling durch die streets und Avenues.

Jetzt aber, um im Bild zu bleiben, flattere ich erst einmal über den Markt. Die Reste meines Mittagsmahls packe ich ein, denn die Portion war (für mich) so groß, dass mein Abendessen so auch schon gesichert ist. Leider suche ich heute vergeblich nach dem Stand mit dem Eistee und auch cider donuts mit Zimt und Zucker (cider = (naturtrüber) Apfelsaft, alkoholfrei) gibt es heute leider nirgends zu kaufen. Wenigstens meine Lieblingsäpfel der Sorte „Honey Crisp“ (in Deutschland nur ganz selten erhältlich) sind im Angebot, wobei Angebot relativ ist: Eine einzige Frucht schlägt mit knapp einem Dollar zu Buche. Ich bin wirklich kein großer Apfelfreund – außer natürlich des Big Apples, haha! (Oh apropos Wortwitz: Gestern in der Schlange an der Kasse bei Buffalo Exchange steht vor mir ein Typ, der an diesem Tag wohl nicht nur Zigaretten geraucht hatte, ruhig da und sagt plötzlich aus dem Nichts: „I had a phone in jail. It was a cell phone!” Mein albernes Ich kreischt sich innerlich jetzt noch einen weg!) Wenn ich schon einen Apfel essen soll, dann möge man ihn mir bitte in Schnitzen servieren. Außerdem darf er keinesfalls mehlig sein, sondern muss fest und leicht säuerlich und saftig sein. Honey Crisps sind das in Perfektion. Da lasse ich mich dann auch gerne dazu herab, das Fruchtfleisch vom Kerngehäuse zu nagen. Insgesamt ist auf dem Platz die Anzahl der Stände heute nicht sehr groß, aber hier kommt es sowieso auf Qualität und nicht Quantität an. So kann es auch sein, dass auf einem Stand nur drei kleine Körbe mit irgendwelchen Produkten stehen.

Nachdem ich den letzten Stand passiert habe, laufe ich weiter zum südlichen Ende des square. Dort hat die Jüdische Gemeinde eine Succot-Hütte aufgestellt, um sich davor mit den Passanten über Jahwe und die Welt zu unterhalten. Mir steht gerade aber weniger nach theologischen Diskursen der Sinn, sondern ein anderes menschliches Bedürfnis meldet sich. Hier am Union Square geht man dafür am besten zu DSW (Designer Shoe Warehouse, einem sehr empfehlenswerten Schuh-Discounter). Rein in das große Gebäude, mit der Rolltreppe ein Stockwerk hoch, und dann bei den Damenhandtaschen, dort geht’s zum Bathroom, wo man sich auch mit warmem Wasser die vom Essen klebrigen Pfoten waschen kann!). Ach und wenn frau schon mal da ist, kann man ja gleich auch noch ein bisschen Schuhe kucken.

Nachdem ich genug Schuhe gekuckt habe, will ich nun Bücher kucken gehen. Das geht besonders gut bei Strand. Strand ist ein riesiger Buchladen in der 12. Straße, der mit dem Slogan „18 Miles of Books“ wirbt. Nun, ob es wirklich so viele sind, weiß ich nicht. Aber eine ganze Menge auf jeden Fall. Neben aktuellen Büchern gibt es dort auch viele literarische Schätze, Erstausgaben, signierte Unikate und mehr zu kaufen. Klaustrophobiker sollte man übrigens lieber nicht sein, sonst könnte es zwischen den eng gestellten, bis zur (hohen!) Decke gehenden Regalreihen brenzlig werden. Ich stöbere ein bisschen hier, ich stöbere ein bisschen da. Das Kuriose: Ich bin nicht wirklich eine Leseratte, aber ich liebe Buchläden. Deshalb verlasse ich den Laden irgendwann auch nicht mit Lesematerial, sondern lediglich einem neuen Notizbüchlein.

Wo könnte es denn nun hingehen? Vielleicht ins Village? Oder in irgendeinen Second-Hand-Laden? Ich befrage mal über das Handy Yelp, was denn so in der Nähe ist. Während ich auf dem Display rumtatsche, fragt mich ein Passant, ob ich einen bestimmten Weg suche. „Nein, nein, alles gut“, versichere ich und denke still: „Ich bin doch kein Tourist!” Aha, 10. Straße West. Da ist ein ganz gut bewerteter Laden. Da könnte man ja mal hinlaufen. Sooo weit isses ja nicht. Genau das ist die Falle in New York! Irgendwie ist alles immer nur ein paar Straßen weiter, man läuft hin und wundert sich abends, warum man sich kaum noch rühren kann und wieder irgendwie 20 Kilometer gelatscht ist. Ich laufe durch die 10. Straße von Ost nach West. Wun-der-schö-ne Häuser! Ein Traum! Als ich dann im West Village angekommen bin, meldet sich eine Stimme in mir: „Hier ist doch Magnolia Bakery irgendwo um die Ecke.“ Handy wieder raus, Google Maps gecheckt. Charles Street, Perry Street (ja, da ist Carrie Bradshaws Treppe, Haus Nr. 66, das mit der Kette vor den Stufen), Bleecker Street. Heieiei, jeeedes Mal verirre ich mich hier. Denn die Logik der Straßen wird hier sowas von über den Haufen geworfen. Ich verliere auch jegliche Orientierung wo Osten und Westen, Süden oder Norden ist. In jungen Jahren wurde mir mal eine „Orientierung wie ein Marmeladebrot” bescheinigt. Dem würde ich grundsätzlich widersprechen, im West Village stimmt es jedoch zweifellos. Aber heute schaffe ich es, den kleinen Laden mit den dunkelblauen Markisen zu finden. Im Geschäftchen herrscht dichtes Gedränge vor den Vitrinen in und auf denen sich die Kalorienbomben stapeln. Manchmal ist es also auch ganz gut, dass man jeden Tag 20 Kilometer durch die Stadt marschiert. Ich nehme ein Stück chocolate cake und eine kleine Portion des – angeblich so berühmten – Magnolia banana pudding. Dann spaziere ich mit der hübschen Magnolia-Papiertüte in der Hand weiter durch das West Village. Wie immer sehe ich das ein oder andere „House for Sale”-Schild. Wie immer nehme ich mir vor, unbedingt Lotto zu spielen. Wie immer tue ich es dann aber dummerweise doch nicht. Dann finde ich, heute scheint mein Village-Orientierungs-Glückstag zu sein, tatsächlich die richtige U-Bahn-Station, von der aus ich bequem wieder nach Hause komme.

Die Magnolia-Schokotorte landet im Kühlschrank, mit Laptop und banana pudding verziehe ich mich – aus Ermangelung eines Sofas – ins Bett. Dann mal probieren. Es schmeckt sehr sehr fein. Wie ein sehr sahniges Bananen-Tiramisu. Aber eben recht mächtig, sodass ich nur rund die Hälfte schaffe. Egal. Der Rest kann ja in den Kühlschrank. Denn ich habe ja einen. Ich lebe ja jetzt hier.

New York City and Me

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