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Nachdenkliches, Feines, Kurioses

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Am Donnerstag führte es mich zunächst in einen recht verwilderten Teil des Großstadtdschungels, um im Bild zu bleiben. Denn was auf meiner To-Do-Liste noch ganz oben stand, war eine amerikanische Handy-Nummer bzw. SIM-Karte. Das Angebot eines bestimmten Providers schien mir am günstigsten, leider nimmt das Online-Bestellsystem aber nur amerikanische Kreditkarten an. Der Kundenservice riet mir, zu einem bestimmten Geschäft zu fahren. Als ich die Adresse, mitten in Brooklyn gelegen, bei Google Maps eingab, schwante mir schon nichts Gutes. Auch ein Blick mit Street View war nicht unbedingt Mut machend. Aber egal, was soll’s. Ich will die SIM, ich habe immer getönt, dass ich mich in New York super sicher fühle. Wird schon nix passieren. Rein in die Brooklyn-bound A-subway und bis Nostrand geschaukelt. Je näher ich der Haltestelle kam, desto mehr leerte sich der Waggon. „Ach, die sind jetzt einfach alle beim Arbeiten”, beruhigte ich mich. Angekommen, stieg ich die steilen Stufen aus der U-Bahn empor und da stand ich und blickte mich um. Ein beklemmendes Gefühl kroch in mir hoch. Hier wirkte alles recht verwahrlost und heruntergekommen. Bei zahlreichen der kleinen Läden waren die Gitter geschlossen, obwohl schon später Vormittag war. Ich atmete einmal tief durch und lief in die Richtung, von der ich meinte, sie mir von der Karte gemerkt zu haben. Während ich die Straße entlang huschte, kam ich mir ständig beobachtet vor. Die Gestalten, die vor den Geschäften hockten, verfolgten mich mit ihren Blicken. Und irgendwann wurde mir bewusst, warum. Ich war weit und breit die einzige Frau. Dazu: weit und breit die einzige weiße Frau. Alle Menschen, denen ich dort auf der Straße begegnete, waren Afroamerikaner, denen das Leben offenbar ein bisschen übel mitgespielt hatte. Und in dieser Tristesse spaziert nun ein junges bunt gewandetes Ding hindurch. Wirkliche Angst, dass mir was passieren könnte, hatte ich nicht, dennoch traute ich mich nicht, Handy oder Fotokamera herauszuholen. Auch war ich mir unsicher, ob ich die Leute einfach freundlich anlächeln sollte oder ob ich doch lieber weiterhin die New Yorker U-Bahn-Mine (neutral – desinteressiert – weder freundlich noch unfreundlich, quasi ein Gesicht im Stand-By-Modus) aufsetzen sollte. Nach einigen weiteren Metern entdeckte ich auf der anderen Straßenseite ein – ebenfalls weißes – Pärchen und unwillkürlich schoss mir durch den Kopf: „Ah, du bist doch nicht allein.” Ich erschrak über mich und diesen Gedanken. Doch, wie es aussah, ging es denen ebenso. Zielgerichtet schossen sie auf mich zu, kaum dass sie mich erblickt hatten, um mich zu fragen, wo es zur subway geht. Da ich da ja gerade herkam und an dem Laden, zu dem ich wollte, wie ich dann feststellte, schon vorbei gerannt war, sagte ich, ich würde sie begleiten. Dankbar lächelten sie mich an. Als ich ihnen erzählte, dass ich erst den dritten Tag hier sei und ganz allein, schauten sie etwas entgeistert, die beiden Touristen aus Pennsylvania. Dann fand ich doch noch meinen Laden, verabschiedete mich und versicherte den beiden, dass es nur noch wenige Schritte bis zur rettenden (das sagte ich nicht, aber aus ihren Blicken sprach das) subway-Station waren. Im Geschäft wurde ich dann super nett von einem jungen Mann beraten und hatte wenige Zeit später meine SIM-Karte im Handy und alles hatte geklappt. Auch ein weiterer Mitarbeiter, ein etwas älteres Semester und dem Akzent nach wohl griechischer Herkunft, erklärte hilfsbereit, wie ich Anrufe ins Ausland tätigen könne und was ich wählen müsste, grinste und meinte: „And then you call me!”. Ich lächelte unverbindlich, schnappte mein Handy und ging schnellen Schrittes zur subway. Als ich wieder im Waggon saß und zurück Richtung Manhattan zuckelte, sich der Wagen wieder nach und nach mit Menschen aller Herren Länder füllte, wurde ich nachdenklich. Ist man doch rassistischer veranlagt als man denkt? Oder war es einfach nur das Gefühl aus der Masse herauszustechen, gepaart mit dem schlechten Gewissen, dass ich nun einfach wieder in die U-Bahn steigen und in ein anderes Viertel fahren kann? Eines der Dinge, die mich seit jeher an New York fasziniert haben, ist die Widersprüchlichkeit, sind die Extreme, die aufeinander prallen. Und natürlich ist jedem bewusst, dass es diese Widersprüchlichkeit auch (und gerade!) in den Lebensverhältnissen gibt. Dankbar, dass ich das Glück habe, diesbezüglich eher auf der Sonnenseite zu stehen (muss ja nicht gleich Park Avenue sein), stieg ich an 4. Straße West wieder aus.

Es war früher Mittag und mein Magen meldete sich. Time for rice balls! Eine italienische Köstlichkeit, die ich erst bei meinem letzten Aufenthalt im Mai dieses Jahres dank einer food tour durch das Greenwich Village kennengelernt hatte. Von der U-Bahn-Station geht es – natürlich! Ehre wem Ehre gebührt! – durch die Cornelia Street zur Bleecker Street. Dann trifft man genau auf Faicco’s Pork, seines Zeichens eine italienische Metzgerei. Nun hatte ich ja schon erwähnt, dass ich nicht unbedingt eine fleischfressende Pflanze bin. Deshalb war mir der Laden zwar bekannt vom Vorbeilaufen, aber ich hatte nie den Drang verspürt hineinzugehen, eher zum direkt nebenan gelegenen Murray’s Cheese. Was für ein schlimmer Fehler! Nicht nur, dass der Laden mit seinen Girlanden, unzähligen Konserven und frischen Waren ein bunter Hingucker ist. Nein, auch für Freunde fleischloser Kost gibt es dort herrliche Dinge. Zum einen besagte rice balls: Sie haben in etwa die Größe einer kleinen Mandarine und bestehen quasi aus einem festen Risotto mit würzigem Käse und frischen Kräutern, das haaaauchdünn paniert und frittiert ist. Ein Gedicht! Dazu unfassbar günstig mit einem Dollar pro Bällchen. Ebenfalls sehr empfehlenswert ist das eggplant bread, bei dem Auberginenstücke in Teig eingerollt und mit Käse überbacken werden. Das Ganze ist geschmacklich dann irgendwo zwischen Pizza und Lasagne anzusiedeln. Doch an diesem Tag sollen es für mich die Reisbällchen sein. Vier Stück lasse ich mir warm machen und einpacken und schlendere damit ein paar Straßenecken weiter zum Washington Square Park.

Der große Platz mit Triumphbogen, Springbrunnen und Marmorbänken ist ein weiterer Lieblingsort von mir und ebenso perfekt geeignet zum people watching, außerdem gibt es eigentlich immer irgendwelche Live-Musik zu hören. Dieses Mal hat sich ein Mann ein Schlagzeug aus Plastikeimern und Ähnlichem gezimmert und trommelt die coolsten Beats. Wieso am Broadway ein Vermögen für „Stomp“ ausgeben?! Hier gibt’s das hautnah und for free!

Nachdem ich mein Mittagessen verzehrt habe, beschließe ich, mir bei dem schönen warmen Wetter zum Nachtisch ein Eis bei Eataly zu gönnen. Also geht es durch das Universitätsviertel hinauf zum Union Square und von dort aus Richtung Madison Square Park. Unterwegs mache ich noch Halt in zweien meiner Lieblingsgeschäfte: Fish’s Eddy und Whisk. Neben Supermärkten hege ich nämlich auch eine große Leidenschaft für Haushalts- bzw. Kochutensilien-Geschäfte. Bei Fish’s Eddy gibt es hauptsächlich Geschirr, einiges davon mit ausgefallenen New-York-Motiven und alles dargeboten in einem alternativ-coolen Ambiente mit lautem Bossa Nova Jazz und gut gelaunten Verkäufern. Whisk ist eher ein klassisches Geschäft und verkauft neben Backformen oder Teekannen auch so wunderbare Dinge wie Gerätschaften um den Strunk aus Erdbeeren zu entfernen oder einen avocado slicer. Bei dem Brown Sugar Bear, einem Bärchen aus Ton, das angeblich, wenn angefeuchtet, braunen Zucker, Kuchen und ähnliches feucht und, wenn im Ofen getrocknet, Salz oder Chips trocken und knusprig hält, kann ich dann nicht widerstehen und kaufe ihn.

Doch dann gibt’s gelato! Ein medium cup mit salted caramel und Tiramisu lasse ich mir schmecken. Zwar muss ich hierfür rund sechs Dollar hinblättern, aber dafür schmeckt man bei jedem Löffelchen der kalten Verführung, die die Lippen berührt, was für eine tolle Qualität und Geschmack man dafür bekommt.

Und während ich mein Eis schlecke und beobachte, wie Nannys mit der Bagage reicher New Yorker kämpfen, gestresste businessmen an mir vorbeihetzen und modische Fashionistas durch die Gegend stöckeln, beschließe ich, es mir nun selber gut gehen zu lassen: Augenbrauen-Waxing in der Benefit Brow Bar bei Macy’s, dem größten Kaufhaus der Welt. Für viele wäre das wahrscheinlich rausgeschmissenes Geld, für mich gehört es mittlerweile als festes Ritual zu meinen New-York-Besuchen dazu. Leider, so muss ich feststellen, beherrscht die Baustelle des Umbaus immer noch das Erdgeschoss. Ärgerlich, vor allem, da ich der Meinung bin, dass das Kaufhaus durch die Modernisierung viel von seinem Charme verliert. Aber noch gibt es ja zum Glück die hölzernen Rolltreppen und auch die Kuriosität, dass mitten in der Klamottenabteilung ein Eisstand von Ben & Jerry’s und ein Stand für Annie’s Pretzels zu finden sind, hat noch Bestand. Zum Thema Macy’s noch folgende kleine Anekdote: Das Kaufhaus hat auf seinem Dach seinen Namen in riesigen Lettern gepinselt – warum auch immer. Als ich vor wenigen Jahren auf der Aussichtsplattform des Empire State Buildings stand, erklang plötzlich neben mir zwischen einem Pärchen folgender Dialog: Er: „Oh look, down there is Macy’s!” – Sie: „Where?” Er: „Down there, where it says Macy’s!” – Die halbe Aussichtsplattform hat laut losgegrölt vor Lachen.

Nach Macy’s steht nochmals ein Abstecher zu Jack’s 99 Cent Store – dieses Mal mit ausreichend Bargeld in der Börse – auf dem Programm, bevor ich dann schwer bepackt den Heimweg antrete, das Fenster mit dem Koffer verbarrikadiere und ermattet in die Federn sinke.

New York City and Me

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