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2. Vom Nutzen der Durchsetzungskraft

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Tierheime sind eine wahre Fundgrube für Tierfreunde. Und eine Gefahr. Es empfiehlt sich, eine solche Institution nur mit sehr genauen Vorstellungen zu betreten, sonst kommt man in Teufels Küche. Eine Freundin von mir ist einmal ins Tierheim gegangen, weil sie aus der Zeitung wusste, dass dort gerade zwei Dutzend verwahrloste Goldhamster abgegeben worden waren. Einem davon wollte sie künftig das Leben lebenswert gestalten. Allerdings waren die Goldhamster noch auf der Quarantänestation gewesen. Deshalb hatte sich meine Freundin kurzerhand für zwei Wellensittiche entschieden. Sie hat die Tiere noch immer, und sie behauptet stur, dass es tatsächlich Wellensittiche sind. Damit belügt sie sich allerdings selbst. Tatsächlich hat man meiner Freundin im Tierheim nämlich ganz üble Schmutzfinken aufgeschwatzt. Ein solche Missgriff würde mir garantiert nicht passieren.

Auf der Suche nach der für die Vermittlung von Tieren zuständigen Tierheim-Mitarbeiterin bin ich zunächst in der Hundeabteilung gelandet. Sofort war ich Feuer und Flamme! Vielleicht, dachte ich, wäre ein Hund ja auch nicht schlecht. Ein struppiger, graubrauner Mischling mittlerer Größe hatte mich sofort ins Herz geschlossen. Entschlossen sagte ich: „Sitz!“ - Und der Hund setzte sich! Ich streichelte das Tier, und der Mischling ließ sich das gefallen. Ich bin, dachte ich, vielleicht doch der geborene Hundehalter.

Als die zuständige Mitarbeiterin endlich zu mir kam, behauptete ich dennoch etwas gegen meinen Willen, dass ich nicht etwa einen Hund, sondern eine Katze haben möchte. Die Frau fragte überrascht zurück: “EINE Katze? Warum denn nur EINE? Nehmen Sie doch besser zwei, da ist das Tier nicht so allein.” Ich schüttelte vehement den Kopf. Mich grauste bei dem Gedanken mich zum Diener zweier Herrn zu machen, also bestand ich auf einem einzelnen Tier. Wir gingen in den Katzentrakt, und die Tiervermittlerin stellte mir etwa einhundert Katzen vor. Allerdings sagte sie in jedem Katzenzimmer: „Diese beiden Tiere können wir nicht trennen, die kennen sich schon seit ihrer Geburt, die vermitteln wir nur zusammen.“ Ich sah meine Chancen schrumpfen und dachte an den struppigen, graubraunen Mischling, der sich tatsächlich gesetzt hatte, als ich „Sitz!“ gesagt hatte. Die Vermittlerin zeigte mir unterdessen weitere Katzen. Inzwischen waren wir allerdings bei den Tieren angekommen, die wegen diverser Krankheiten und aus Altersgründen überhaupt nicht vermittelt werden sollten. Ich fragte mich, warum die Frau mir diese Katzen zeigte und hatte die Hoffnung auf eine einzeln vermittelbare Katze schon fast aufgegeben. Doch nach einer dreiviertel Stunde kamen wir völlig überraschend zu vier Katzenzimmern, in denen sich insgesamt acht Katzen befanden, die einzeln vermittelt werden konnten. Ich atmete auf. Meine Vermittlerin fragte mich noch, ob meine Katze ausschließlich in der Wohnung leben würde. „Nein“, sagte ich stolz erhobenen Hauptes, „meine Katze darf selbstredend draußen herumstromern.“

Ich hatte die Wirkung dieser Aussage völlig falsch eingeschätzt. Meiner Katzenvermittlerin stand das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben.

„Ein Freigänger???“, fragte sie ungläubig.

„Jawohl“, erwiderte ich, „ein Freigänger.“

Vermutlich ist das Halten von Katzen als Freigänger eine tierschutzrechtlich sehr bedenkliche Angelegenheit. Jedenfalls reduzierte sich die ohnehin überschaubare Auswahl der infrage kommenden Katzen nochmals deutlich. Von den acht einzeln vermittelbaren Katzen waren nur zwei als Freigänger tauglich. Das jedenfalls behauptete die Tierheimmitarbeiterin. Ich seufzte. Doch welch ein Segen: Eine der beiden verbliebenen, als Freigänger einzeln zu vermittelnden Katzen war schwarz. Außerdem schien sie etwas phlegmatisch zu sein. Genau das, was ich wollte.

Allerdings lebte sie mit einer zweiten Katze in einem Zimmer. Deshalb kam ich an meine künftige Katze zunächst gar nicht heran. Das zweite Tier war nämlich sehr lebhaft. Und bei allem Verständnis dafür, dass ein Besucher bei der Langeweile in einem Tierheimzimmer eine willkommene Abwechslung ist: Das Tier war aufsässig. Kaum hatte ich das Zimmer betreten, stürmte sie auf mich zu, schmuste um meine Beine herum und drängte mich, sie zu streicheln, als kennten wir uns schon ewig. Ich nahm sie aus reiner Gutmütigkeit kurz auf den Arm und bedauerte sie ein wenig, weil ich mich schon vor der verglasten Tür gegen sie entschieden hatte. Sie hatte wirklich Pech: Erstens war sie weiß mit schwarzen und rostroten Flecken, entsprach also nicht meinem Farbwünschen. Zweitens wollte ich keine aufdringliche Katze. Zu allem Überfluss hatte dieses bedauernswerte Geschöpf drittens noch ein zusätzliches Handicap: Sie hatte keinen Schwanz! Damit fehlte diesem Tier alles, was eine Katze erst zu einer Katze macht. „Oh du armes Tier“, dachte ich mitleidig, „du wirst wohl bis zum Sankt Nimmerleinstag im Tierheim zubringen.“ Ich ließ sie herunter, um mich endlich meiner schwarzen Katze zuzuwenden. Die Dreifarbige ließ nicht von mir ab, sie schimpfte eifersüchtig. Ganz deutlich konnte ich vernehmen, wie sie sagte: Du gehörst mir, weil ich schneller war, als die alte, behäbige Pinka. Ich war nicht ihrer Meinung.

Mimi Superstar

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