Читать книгу Liebe und andere Straftaten - C.T. Sanchez - Страница 6
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ОглавлениеHeart lag bäuchlings auf dem harten Bett seiner Isolationszelle. Er starrte teilnahmslos auf die Kloschüssel, die sich nur einen halben Meter vor ihm an der Wand befand. Mehr gab es in Einzelhaft nicht. Ein Bett, ein Klo und die unerträgliche Einsamkeit. Er konnte nicht einmal aus dem Fenster schauen, weil es hier nur einen schmalen Spalt unterhalb der Decke gab, der die Zelle bei Tageslicht gerade ausreichend erhellte. Um diese Jahreszeit verbrachte man hier jedoch die meiste Zeit im Dunkeln.
Heart wusste nicht, wie viel Uhr es gerade war. Im sogenannten Loch gab es weder Freigang noch Arbeitszeiten. Das Einzige, an was er sich orientieren konnte, waren die Mahlzeiten, die ihm drei Mal täglich durch die Türklappe geschoben wurden. Er schubste mit seiner Hand die Blechschüssel an, die neben seinem Bett auf dem Boden stand und tauchte einen Finger hinein, den er danach gelangweilt begutachtete. Ach ja, das war das Frühstück gewesen. Es musste also irgendwann zwischen 6 und 12 Uhr sein. Er leckte die matschige Substanz von seinem Finger und ließ den Arm wieder herunter hängen. Wie viele Portionen Haferflocken hatte er bereits hinter sich? Er wusste es nicht mehr. Es war ihm auch egal. Wenigstens variierte das Mittagessen in Einzelhaft. Was würden sie ihm heute wohl bringen? Was auch immer es sein würde, es würde ihm sowieso nicht schmecken. Gab es nicht irgendwo einen Sternekoch, der gerne mal im Gefängnis die Insassen mit einem feinen Rumpsteak, einem leckeren Hummer oder ähnlichem beglücken wollte? Bei dem Gedanken bekam er Hunger. Er sollte lieber wieder an was anderes denken. Welche Ideen spukten ihm davor im Kopf herum? Ach ja richtig, nichts! Er fühlte sich nur müde und leer. Er brauchte dringend Abwechslung!
Er hörte ein metallenes Geräusch, das seine innere Leere erst nicht zuordnen konnte. Die Tür öffnete sich. Ein Uniformierter trat ein und grüßte den Häftling, erhielt aber keine Antwort.
„Hey Doc, lebst du noch?“ Der Wachmann trat gegen das Bettgestellt, weil sich Heart nicht gerührt hatte.
Endlich erhob er sich schwerfällig. Er blieb am Bettrand sitzen und streckte sich. Seine Knochen fühlten sich steif an, als hätte er einen hundertjährigen Winterschlaf beendet. Er rieb sich die Müdigkeit aus seinem Gesicht, dann blinzelte er den Beamten an. Es war Randy Johnson. Wenigstens einer, den er mochte, dachte Heart. Die meisten Aufseher spielten sich als überlegene, oft sadistische Arschlöcher auf, Johnson aber nicht. Er behandelte die Häftlinge mit dem nötigen Respekt. Er war okay.
„Du siehst echt scheiße aus“, bemitleidete Johnson ihn.
Heart stand auf. Dabei knackten einige Knochen in seinem Körper so heftig, dass er laut stöhnte.
„Fuck! Lieg du mal zwei Wochen hier rum, dann will ich sehen wie beschissen du aussiehst. Es waren doch jetzt zwei Wochen oder?“ Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Er wusste nicht einmal, welcher Tag heute war.
„Du hast es überstanden“, lächelte der Wachmann.
Johnson klopfte Heart aufmunternd auf die Schulter. Gemeinsam gingen sie den Flur entlang, in Richtung Zellentrakt. Heart war neugierig, warum Ferguson ihn nicht abgeholt hatte. Normalerweise entließ er doch persönlich alle aus der Einzelhaft, um sie noch einmal über ihre Missetaten zu belehren.
„Ferguson hat heute wichtigeres zu tun“, klärte ihn Johnson auf. „Du musst also mit mir Vorlieb nehmen.“
„Was gibt es denn wichtigeres als mich?“, witzelte Heart.
So langsam hob sich seine Stimmung. Oh wie sehr hatte er das süße Wechseln von Wörtern, an eine nicht eingebildete Person, vermisst. In den letzten beiden Wochen hatte er viel Selbstgespräche geführt, die oft im Streit mit sich selbst geendet hatten, weil ihm nicht gefiel, was er sich selbst zu sagen hatte. Er konnte gut verstehen, warum er so oft als Arschloch bezeichnet wurde. Manchmal gab er wirklich gemeine Sachen von sich!
„Mord“, sprach Johnson ernst. Heart blickte ihn überrascht an. „Oder Selbstmord. Das muss noch geklärt werden“, fügte der Wachmann schnell hinzu.
Er erzählte ihm, dass ein Häftling an diesem Morgen nicht zu seiner Arbeit erschienen war und sie ihn dann in seiner Zelle erhängt vorfanden.
Auf dem Weg durch den Zellentrakt, kamen sie an einer Zelle vorbei, in der sich die Spurensicherung der Polizei drängte. Dort war es also geschehen. Er sah Ferguson, wie er mit einem Polizeibeamten sprach. Bedauerlicherweise gab es so etwas hin und wieder. Selbst Heart hatte schon mal, seit er hier gewesen war, über Selbstmord nachgedacht und hätte er nicht verdammt noch mal so viel Angst vorm Sterben, würde er sich bestimmt nicht mehr hier rumquälen.
Johnson brachte Heart zu seiner Zelle, wo er sich frische Kleidung aus dem Schrank nahm. Dann brachte er ihn in den Waschraum. An der Eingangstür blieb Heart abrupt stehen, den Blick auf die sauberen Fliesen gerichtet. Für einen Augenblick sah er wieder das ganze Blut über dem Boden verteilt. Er schüttelte den Gedanken von sich und duschte ausgiebig, während Johnson am Eingang auf ihn wartete. Nachdem er sich saubere Klamotten angezogen hatte, wurde er wieder zurück in seine Zelle gebracht. Irgendwas schien anders. Erst jetzt fiel Heart auf, dass sein Zimmer so leer aussah. Nachdenklich schaute er sich um. Da fehlten ein paar Bücher auf dem Wandregal und an einem der Spinde fehlten die persönlichen Fotos und Postkarten, die sonst immer zu sehen waren. Auf dem unteren Bett fehlte die Bettwäsche.
„Green wurde Gestern entlassen“, klärte Johnson ihn auf, der Hearts Verwunderung bemerkt hatte.
Da fiel es Heart wieder ein. Green war die letzten knapp zwei Jahre sein Zellengenosse gewesen. Er hatte ganz vergessen, dass er nächste Woche entlassen werden sollte, oder war es letzte Woche? Die Woche davor? Sein Zeitgefühl hatte Heart noch nicht wieder erlangt. Egal. Scheiß drauf. Green und er hatten sich zwar immer verstanden, aber Freunde waren sie, in der langen Zeit, nie wirklich geworden. Eine Abschiedsparty hätte es sowieso nicht gegeben.
„In fünf Minuten gibt’s Mittagessen.“ Mit diesen Worten lies Johnson ihn alleine zurück.
Heart ging ans Fenster und kippte es durch die Gitterstäbe. Sofort strömte kalte Luft ins Zimmer, die er tief einatmete. Das hatte er unten im Loch ebenso vermisst wie vieles andere. Er fuhr sich mit der Hand durch die noch feuchten Haare und kratze sich an seinem Vollbart. Er überlegte kurz, ob er ihn vielleicht behalten sollte. Nein, entschied er. Es erinnerte ihn nur an die letzten Wochen. Außerdem hätte er ja sonst auch keinen Grund mehr, bei dem Barbier vorbeizuschauen, der drei Mal in der Woche im Gefängnis arbeitete. Er war um jede Abwechslung dankbar.
Durch die Lautsprecher ertönte eine Glocke, das Zeichen zur Mittagsstunde. Heart machte sich auf den Weg. Der Speisesaal füllte sich schnell. Nachdem Heart seine Ration Eintopf abgeholt hatte, setzte er sich an einen noch freien Tisch. Kaum hatte er sich hingesetzt, legte sich eine große Hand auf seine Schulter.
„Fast hätte ich dich nicht wieder erkannt.“
Heart erkannte sofort die tiefe Stimme. Er lächelte Eddie zu, der neben ihm Platz nahm.
„Steht dir auch gut. Meinst du…“, Eddie fuhr sich über sein glatt rasiertes Kinn.
Heart winkte sofort ab. „Nein, nur ich kann diesen verwahrlosten Look rocken!“
Eddie fing an zu lachen. Er hatte ein bellendes Lachen, das tief aus seinem Bauch heraus kam und überaus ansteckend war. Wie sehr er Heart doch vermisst hatte! Gemeinsam lachten sie für einen Augenblick und vergaßen die Welt um sich herum. Eddie erzählte seinem Freund, was er in den letzten beiden Wochen alles verpasst hatte. Auch berichtete er von seinem Wiedersehen mit Tom. Er war ihm vor wenigen Tagen im Hof über den Weg gelaufen. Anscheinend hatte er eine Woche auf der Krankenstation verbracht. Mehr als ein „Hallo“, „Wie geht’s?“, „Danke fürs Leben retten“ und „Keine Ursache“ hatten sie allerdings nicht viel miteinander gesprochen.
„Ich glaube, er ist schüchtern“, zwinkerte Eddie.
„Ich glaube eher, dass er vor dir Angst hat“, feixte Heart.
Eddies mächtige Erscheinung und starkes Stimmorgan konnten sehr angsteinflößend sein, was durchaus seine Vorteile hatte. Niemand versuchte ihn zu verärgern, aus Angst von ihm vermöbelt zu werden, denn Eddie sah nicht nur so aus, er war in der Tat bärenstark. Heart liebte es zu provozieren, doch genau aus diesem Grund hatte er sich anfangs auch von ihm fern gehalten. Er war schließlich nicht Lebensmüde. Doch dann wurde er vor knapp zwei Jahren zur Strafe zur Putzkolonne degradiert, bei der auch Eddie zu jener Zeit gearbeitet hatte. Nachdem sie tagelang gemeinsam schweigend die Flure geschrubbt hatten, kamen sie irgendwann doch ins Gespräch und stellten fest, dass sie auf der gleichen Wellenlänge lagen und der andere gar nicht so schlimm war, wie zuerst vermutet. Seit dem waren sie Freunde geworden und verbrachten viel Zeit miteinander.
Nach dem Essen gingen alle Häftlinge zurück an ihre Arbeitsplätze. Als Heart in den Hof mit der Grünanlage trat, nickte der Aufseher an der Tür zur Begrüßung. Heart erwiderte es kurz und gesellte sich zu seinen Kollegen am Holzschuppen. Rodchenko verteilte wie gewohnt die Ausrüstungen und Aufgaben. Als Heart an der Reihe war, strahlte er ihn überschwänglich an.
„Doc! Na endlich bist du wieder da.“ Rodchenko überreichte ihm Handschuhe und Eimer. Heute sollte er das Unkraut jäten.
„Du hättest ja auch mal ein Wörtchen mit Peterson sprechen können. Ich bin mir sicher, er hätte meine Iso-Zeit um die Hälfte verkürzt, wenn du ihn darum gebeten hättest. Ich weiß doch, dass er dir nichts ausschlagen kann“, beschwerte sich Heart mit einem wissenden Grinsen.
„So wie ich das sehe, hast du deine Strafe verdient!“ Rodchenko beugte sich zu ihm nach vorne und senkte seine Stimme. „Wenn du mir jemals ein Messer oder irgendwas anderes in den Hals oder sonst wo rammst, bringe ich dich um“, dann lehnte er sich mit einem heiteren Lächeln wieder zurück, „Du siehst übrigens scheiße aus. Es gefällt mir nicht.“
„Eigentlich hatte ich auch vor, ihn wieder loszuwerden“, Heart fuhr nachdenklich mit den Fingern über seinen Bart. „Aber vielleicht warte ich noch etwas länger damit.“
Die beiden veranstalteten einen kleinen Staring Contest, bei dem der Erste der wegschaut oder zu lachen beginnt, verloren hat. Keiner lachte oder schaute jedoch fort. Erst Rodchenkos grobe Aufforderung, sich endlich an die Arbeit zu machen, beendete das kleine Machtspielchen. Sie grinsten sich zum Abschied noch kurz an. Ja, es war eine Hass-Liebe, die die zwei verband.
Heart gesellte sich zu Tom, der gerade dabei war Feldsalat zu ernten. Der junge Mann begrüßte ihn mit einem freundlichen „Hallo“. Heart blieb stumm. Statt dessen beugte er sich zu ihm, um sich die Narbe an Toms Hals genauer anzusehen. Er hatte versucht, den Schnitt so klein wie möglich zu halten, doch mit dem stumpfen Messer und dem vielen Blut, das er nur schwer im Zaum halten konnte, war es ein doch relativ großer Eingriff gewesen. Nicht seine beste Arbeit, stellte er nachdenklich fest.
„Tut mir leid.“ Heart deutete auf Toms und dann seinen eigenen Hals.
Tom wusste, was gemeint war. Er hatte sich selbst noch nicht ganz an den Anblick gewöhnt, wenn er in den Spiegel sah. Aber er war froh, noch am Leben zu sein. Das war wohl das aller Wichtigste.
„Du hast mir das Leben gerettet. Ich danke dir.“
„Ich würde ja sagen ‚Gern geschehen’, aber so ist es nicht.“ Tom war verdutzt und Heart erläuterte: „Dein Leben habe ich gerne gerettet, nur nicht unter den Umständen und den Folgen.“
Nun war es Tom, der sich entschuldigte.
„Du kannst ja nichts dafür“, zuckte Heart gleichgültig mit den Schultern und wandte seinen Kopf, um nach dem lästigen Unkraut zu suchen.
Bis zum Feierabend erledigten sie stillschweigend ihre Aufgaben. Heart arbeitete gerne im Garten. Er hatte es sehr vermisst. Er genoss die frische Luft, den Duft der Pflanzen und die warmen Strahlen der Sonne, die heute extra für ihn hinter den Wolken hervor gekommen war.
Die Zeit bis zum Abendessen verbrachte Heart an diesem Tag im Fitnessraum. Er hatte sich die letzten zwei Wochen kaum bewegt, weshalb er den Drang verspürte, alles auf einmal nachzuholen. Bevor er ins Gefängnis gekommen war, hatte er wöchentlich Gejoggt und ein Mal im Monat Kickbox Training gemacht, um sich fit zu halten. Das versuchte er hier fortzuführen, was aber nicht immer gelang. Eine Runde im Hof zu joggen glich oft einem Spießrutenlaufen, besonders im Sommer, wenn der Hof überfüllt war. Der Fitnessraum war ganzjährig eine beliebte Anlaufstelle für die Insassen. An diesem Tag hatte er Glück gehabt, einen freien Boxsack zu ergattern, an dem er sich fast zwei Stunden ununterbrochen auspowern konnte.
Nach der Abendmahlzeit kaufte er sich im Gefängniskiosk ein wenig frisches Obst und Kaffeebohnen. Dann lieh er sich in der Bibliothek noch ein Buch aus. Zurück in seiner Zelle verstaute er seine Errungenschaften in seinem Spind. Bis kurz vor dem Einschluss spazierte er noch mit Eddie und dessen Zellengenosse im Hof umher.
Wieder in seinem Zimmer, setzte er sich an den kleinen Tisch und nahm das Buch in die Hand. Bevor er jedoch zum Lesen kam, tauchten Ferguson und Tom im Türrahmen auf. Heart brauchte keine Erklärung, als er den Stapel Kleidung und Bettwäsche in Toms Armen sah. Er bekam sie aber trotzdem.
„Glückwunsch, ihr Süßen. Ab Heute schlaft ihr zusammen“, sprach Ferguson mit zusammengekniffenen Augen und einem abfälligen Schmunzeln.
Er schubste Tom grob in die Zelle, drehte sich auf dem Absatz um und verschloss die Tür hinter sich, obwohl das Signal zur Einschließung erst fünf Minuten später ertönen würde. Ruhig schloss Heart das Buch auf dem Tisch und schob es von sich. Er starrte seinen neuen Mitbewohner mit einem leichten Kopfschütteln an.
„Warum?“ Das war alles, was er wissen wollte.
„Burt ist…“, Tom wusste nicht so recht, wie er sich ausdrücken sollte.
Er hatte die Neuigkeit selbst erst vor wenigen Stunden erfahren und nach dem Abendessen war er zu Direktor Peterson zitiert worden, der ihm einem harten Verhör unterzogen hatte. Doch Tom beteuerte, dass er das Zimmer am Morgen vor Burt verlassen hatte und dieser zwar schlecht gelaunt wie immer aber quick lebendig gewesen war. Erst als Peterson sich sicher war, dass Tom wirklich nichts mit der Sache zu tun hatte, ließ er ihn gehen. Zurück in seine alte Zelle durfte er jedoch nicht, weil diese noch, bis zum Abschluss der Ermittlungen, gesperrt blieb. Ein Glück, dass gerade erst vor einem Tag ein Bett in einer anderen Zelle frei geworden war.
„Oh man“, Heart verdrehte die Augen. „Das war dein Kumpel, der heute früh gestorben ist?“
Tom nickte.
„Fuck! Sag mal, ziehst du Ärger an dich wie Scheiße die Fliegen?“
„Ich kann doch nichts dafür“, verteidigte sich Tom.
„Muss ich mir jetzt um meine eigene Gesundheit sorgen machen?“
Heart legte seinen Kopf schief und betrachtete intensiv seinen neuen Mitbewohner. Mit seinen dunklen Haaren konnte Tom durchaus einem Unglücksraben ähnlich sehen. Zum Glück glaubte Heart jedoch nicht an solch Aberglauben. Dennoch war er etwas verärgert, ausgerechnet diesen schüchternen, hilflosen Knaben zugewiesen bekommen zu haben. Er brauchte niemandem zum Babysitten.
„Du schläfst da unten.“ Heart zeigte mit dem Finger auf das untere des Hochbettes.
„Okay.“
Tom war nicht sehr begeistert. Schon wieder musste er sich mit dem unteren begnügen, in dem er sich so eingeengt fühlte. Er hoffte, dass wenigstens der Doc nicht so laut schnarchte und sich so oft im Schlaf drehte, wie Burt es immer getan hatte.
„Welcher ist mein Schrank?“, fragte er Heart, der ihn zurückgelehnt mit verschränkten Armen anschaute.
„Der freie“, gab Heart gehässig von sich.
Na toll, dachte Tom und wählte zögernd den rechten der beiden aus. Glück gehabt! Es war der leere. Er verstaute seine Kleidung darin und bezog dann sein neues Bett. Nach getaner Arbeit drehte er sich wieder zu Heart, der ihn unverändert beobachtete. Tom bemerkte, die Kaffeemaschine auf dem kleinen Tisch. So etwas gab es in Burts Zelle nicht.
„Du hast eine Kaffeemaschine. Cool.“ Tom zeigte begeistert darauf und trat einen Schritt näher heran.
„Das ist meine. Also Finger weg!“ Es lag ein bedrohlicher Unterton in Hearts Stimme.
Wenn es um seinen geliebten Kaffee ging, verstand er keinen Spaß. Es hatte ihn auch Mühe und Zeit gekostet, bis er die Anschaffung des Vollautomaten genehmigt bekommen hatte. Sie war sein Heiligtum, an diesem dunklen Ort und er hütete sie wie sein Augapfel.
Tom kratzte sich unsicher am Kopf. Würde es genauso laufen, wie mit Burt? Bisher war Heart nicht sehr freundlich ihm gegenüber gewesen. Der Empfang von Burt damals in dessen Zelle war nicht viel kälter gewesen. Niedergeschlagen setzte er sich auf sein Bett, den Blick zum Boden gewandt.
Heart hatte ein kurzes Aufblitzen von Mitleid, doch er zeigte keine Reue. Besser der Junge lernte von ihm, wie es hinter Gittern zuging als von manch anderen, wie zum Beispiel die Schläger, die ihn vergewaltigen wollten. Er zog sein Buch wieder zu sich heran, schlug es auf und begann endlich zu lesen. Wie gern hätte er die Möglichkeit gehabt, während seiner Isolationshaft ein paar Bücher zu lesen. Die Zeit verging beim Lesen wie im Fluge. Nachdem er die erste Seite gelesen hatte, spürte er Toms Blick auf sich ruhen. Er schlug die Seite um.
„Hör auf mich anzustarren“, knurrte er, ohne von dem Buch aufzuschauen.
Tom legte sich seufzend hin und starrte auf das Bettgestell über ihm. So lag er wach da, bis Heart irgendwann das Licht löschte und sich auch in sein Bett legte. Draußen war es schon lange dunkel gewesen. Beide schliefen schnell ein und Tom verbrachte seine erste Nacht seit langem, in der er weder durch Schnarchen noch lautes Quietschen der Bettfedern geweckt wurde.