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3.6 Strukturiertes Interview
ОглавлениеEs ist soweit, der Bewerber besucht das Unternehmen. Idealerweise kennt der Bewerber bereits aus der schriftlichen Einladung die teilnehmenden Gesprächsteilnehmer namentlich. Aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sollte ein Unternehmen einem Bewerber immer mit mindestens zwei Firmenvertretern begegnen, um im Klagefall zwei firmenseitige Zeugen zu haben. Auch bevor dies arbeitsrechtlich geboten war, gab es qualitative Gründe, einen Bewerber mit mindestens zwei Interviewern zu befragen. Je mehr Firmenvertreter anwesend sind, desto weniger Fehlentscheidungen sind wahrscheinlich und desto valider lässt sich die Leistung eines Bewerbers beurteilen, insbesondere wenn die Interviewer strukturiert vorgehen und einen Vergleichsmaßstab für die Beurteilung haben. Es lässt sich nachweisen, dass sich der Einsatz strukturierter Interviews auszahlt.
Wie gehen Interviewer nun »strukturiert« vor, und welcher Aufbau empfiehlt sich für ein Bewerbungsgespräch? Meistens haben Bewerbungsgespräche in etwa den folgenden Aufbau: Begrüßungs- und Aufwärmphase, Firmenvorstellung, Bewerbervorstellung, Fokussierung der neuen Aufgabe, schließlich Klärung offener Fragen und Abschluss bzw. für die Interviewer die Beurteilung.
In der Begrüßungsphase sollten die Firmenvertreter den Bewerber zunächst nach seinem Befinden fragen, nach der Anreise, ob alles gut gefunden wurde etc. Die Begrüßung bietet zum einen die Gelegenheit, sich auf den anderen einzustimmen, und zum anderen dem Bewerber die Möglichkeit, nicht nur physisch, sondern auch psychisch anzukommen. Nachdem Getränke etc. angeboten wurden, sollten sich die Vertreter des Unternehmens vorstellen und noch einmal kurz erläutern, wie lange das Gespräch dauern wird, ob es ggf. Folgegespräche geben wird etc. Außerdem wird es hier einige Worte zum Unternehmen generell geben, auch Kurzvideopräsentationen können sinnvoll sein. Beispielsweise bei emotionalen Produkten kann ein Video viel mehr vermitteln, als es eine Unternehmenspräsentation über Folien könnte.
Als Nächstes sollte der Bewerber aufgefordert werden, seinen Lebenslauf darzustellen. Manche Interviewer fragen gezielt nach Stationen oder etwa »Knicken« im Lebenslauf, andere lassen den Bewerber selbst wählen, was für ihn die wichtigsten Stationen seines Lebens bzw. seiner Qualifikationen waren. Welche Philosophie die Interviewer auch wählen, entscheidend ist, den Redeanteil des Bewerbers möglichst hoch zu halten. Schließlich wollen die Interviewer etwas über den Bewerber erfahren und das geht nur, wenn dieser auch die Möglichkeit dazu hat. Das heißt aber nicht, dass der Bewerber ungebremst reden sollte. Gerade eloquente und geübte Bewerber werden die Zeit so zu ihren Gunsten zu nutzen wissen. Vielmehr geht es darum, den Bewerber mit gezielten Fragen dazu zu bringen, das zu erzählen, was die Interviewer wissen wollen. Hier gilt: Wer fragt, führt. Wie man diese Fragen am besten formuliert, werden wir gleich erläutern. Damit im strukturierten Interview der rote Faden nicht verloren geht, ist es sinnvoll, dass die Interviewer bereits am Anfang des Gesprächs darauf hinweisen, dass der Bewerber am Ende des Gesprächs noch Zeit hat, seine Fragen zu stellen. Wenn zwei Interviewer eingesetzt werden, können sie sich die Fragen so aufteilen, dass sich je ein Interviewer voll und ganz auf den Bewerber konzentriert und Fragen stellt, während der andere seine Notizen ergänzt und auf die eigenen Fragen vorbereitet.
Die konkrete Vorstellung der Zielfunktion sollte erst nach der Vorstellung des Bewerbers erfolgen, um zu verhindern, dass sich Bewerber bezüglich ihrer Antworten an den erwünschten Aspekten orientieren. Nach den Kenntnissen wird im Weiteren, in Anlehnung an die Struktur des Anforderungsprofils, die relevante Berufserfahrung zu thematisieren sein. Schließlich bilden die Soft Skills, also die sogenannten Schlüsselqualifikationen oder Fähigkeiten, den Schwerpunkt des Interviews. Kenntnisse und Erfahrungen sind den Interviewern bereits aus dem Lebenslauf ersichtlich, ggf. bieten die Arbeitszeugnisse hier ergänzenden Aufschluss. Allerdings sind Zeugnisse das am wenigsten valide Auswahlkriterium, weil Zeugnisse, um arbeitsrechtliche Komplikationen zu vermeiden, immer wohlwollend formuliert sein sollten.
Die Klärung der Fähigkeiten sollte einen nicht unerheblichen Teil des Interviews einnehmen. Gerade weil Selbstaussagen im Lebenslauf oder im Anschreiben nicht in Betracht gezogen werden können (z. B. »Sie gewinnen mit mir einen durchsetzungsfähigen und äußerst teamfähigen Mitarbeiter«), lohnt es sich, hinsichtlich der Bewertung der Fähigkeiten möglichst valide Auswahlinstrumente einzusetzen. Sollte ein AC aufgrund des Zeit- und Ressourcenaufwandes nicht durchführbar sein, empfiehlt sich zur Erhöhung der Validität im Interview die Abfrage der gesuchten Fähigkeiten mithilfe von Fragetechniken. Wie formuliert man nun diese Fragen am besten?