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1 Herausforderung Personalmanagement Lernziel

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Sie können skizzieren, wie sich die Personalarbeit in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat und einige aktuelle Herausforderungen schildern.


Abb. 1: Lisa

Lisa ist 23 Jahre alt und Hochschulabsolventin der Betriebswirtschaftslehre (Bachelor). An BWL findet Lisa besonders interessant, dass dieses Studium interdisziplinär ausgerichtet ist und etwa Disziplinen wie Mathematik, Recht oder Psychologie berücksichtigt. Insbesondere im Personalmanagement kommt es dabei auf soziale Fähigkeiten an. Lisa erinnert sich hierbei an das sogenannte Eisbergmodell, das sie in einer der Vorlesungen kennengelernt hat. Demnach sind für Erfolg nicht nur Fakten entscheidend, sondern auch die sogenannten »Soft Facts«.

Während im beruflichen Alltag an der Oberfläche meist nur die verwendeten Instrumente, Methoden und Prozesse im Personalmanagement sichtbar sind, kümmert sich das Personalwesen in Unternehmen ebenso um die unter der Oberfläche liegenden Gefühle und Werthaltungen. Die Arbeit unter der sichtbaren Ebene des Eisbergs erfordert Geschick und setzt sowohl psychologische als auch soziologische Kenntnisse voraus ( Abb. 2). Das Eisbergmodell geht zurück auf die Theorie von Sigmund Freud, der die Bedeutung des Unbewussten (Soft Facts) gegenüber den bewussten Inhalten (Hard Facts) betont hat.


Abb. 2: Das Eisbergmodell des Personalmanagements

Studierende der Betriebswirtschaften, insbesondere mit Schwerpunkt Personalwesen, sollten sich also nicht scheuen, auch über ihren Tellerrand hinauszublicken und beispielsweise angrenzende geisteswissenschaftliche Disziplinen zu berücksichtigen. Schon Thorstein Veblen ( Abb. 3), einer der Gründerväter der Wirtschaftswissenschaften, forderte, dass diese Anthropologie und Soziologie einbeziehen müssten und man kann sagen, dass die heutige BWL auch und gerade durch ihre interdisziplinären Inhalte theoretisch anspruchsvoll und praktisch aktuell bleibt.


Abb. 3: Thorstein Veblen


Abb. 1: Lisa

In ihrem Praktikum hat Lisa sowohl administrative als auch konzeptionelle Tätigkeiten kennengelernt. Ehrlich gesagt hat ihr die administrative Seite weniger Spaß gemacht. Sie hofft, dass die Prognose, die Personalarbeit werde in Zukunft im Wesentlichen strategisch sein, möglichst bald Wirklichkeit wird. In der Tat haben sich die Verantwortlichkeiten von Personalmitarbeitern ebenso wie von Führungskräften und Mitarbeitern in den letzten Jahren grundlegend verändert.

Nicht nur die Erkenntnis, dass die »weichen« Faktoren im Human Resources Management entscheidend sind, hat die Arbeit im Personalwesen verändert. So sind Aufgaben, aber auch Verantwortlichkeiten von der Personalabteilung auf die Führungskraft und im Weiteren auch auf die Mitarbeiter übergegangen. Moderne Personalmanager beraten Führungskräfte, diese coachen und beraten ihre Mitarbeiter, und die Mitarbeiter selbst haben viel an Handlungsspielräumen gewonnen ( Abb. 4). Die Verantwortlichkeit für die eigene berufliche Entwicklung hat sich damit aber auch immer mehr auf den Mitarbeiter selbst verlagert. Modernes Personalmanagement versucht heute mehr und mehr, als strategischer Partner des Business wahrgenommen zu werden und sich von der Zuschreibung auf administrative Rollen zu lösen.


Abb. 4: Alte/moderne Ausrichtung von HR-Management

Insbesondere leistungsfähige IT-Verfahren erleichtern dies zunehmend. Wenngleich es keinen Königsweg für die organisatorische Allokation des Personalwesens in Unternehmen gibt, ist eine Trennung von operativer und strategischer Personalarbeit in jedem Fall sinnvoll. So findet man heutzutage die Personal- und Organisationsentwicklung oft als Stabsfunktion direkt an die Geschäftsführung angebunden. Den Stellenwert, den das Personalwesens im Unternehmen genießt, kann man auch anhand der organisatorischen Einbindung bei der Bedarfsbestimmung ersehen. In einem »sukzessiven« Verständnis reagiert die Strategie der Personalbedarfsbestimmung nur auf die Produkt- bzw. Marktstrategie, bei einem »integrierten« Verständnis wird die Personalstrategie als Teil der Unternehmensstrategie verstanden.

Bei der Prognose der Leistungsfähigkeit von zukünftigen Mitarbeitern sind ungeachtet des demografischen Wandels für die meisten Tätigkeiten schon heute keine physischen Kriterien mehr entscheidend. Dagegen werden sozio-emotionale Belastungsfaktoren aufgrund von psychischem Druck und Stress weiter in den Vordergrund rücken. Bezogen auf Auswahlverfahren heißt das etwa, dass die Lern- und Veränderungsfähigkeit als Schlüsselqualifikation an Bedeutung zunehmen wird. Aber auch die Motivation für lebenslanges Lernen wird in den Vordergrund treten.

Eine Sonderrolle bei den Fähigkeiten spielt der sogenannte »Habitus«. Schon Aristoteles bezeichnet das Auftreten oder die Umgangsformen einer Person, ihre Vorlieben, Gewohnheiten und das Sozialverhalten als »Hexis«, lateinisch Habitus (habere »haben«). Der Begriff Habitus wurde von dem Soziologen Pierre Bourdieu (1930-2002) dann in die Soziologie eingeführt (1987). Als Habitus ist demnach das gesamte Auftreten einer Person, vom Lebensstil über Sprache, Kleidung bis hin zum Geschmack zu bezeichnen. In der soziologischen Ungleichheitsforschung ist damit auch die klassenspezifisch erworbene, unbewusste Angepasstheit der Dispositionen, Verhaltensmuster und Einstellungen einer Person an das jeweilige soziale Umfeld gemeint. Am Habitus einer Person lässt sich der Status einer Person in der Gesellschaft ablesen. Grob unterscheidet Bourdieu vier Kapitalsorten: Ökonomisches Kapital (Vermögen, Unternehmen, Grund, Aktien, Geld, Schmuck, Kunstwerke), Kulturelles Kapital (Bildung, Wissen, Titel), Soziales Kapital (Familie, Freunde, Bekannte, Kontakte) und Symbolisches Kapital (Prestige, Reputation, Auszeichnung). In seiner gesellschaftlichen Kritik zeigt Bourdieu, dass ökonomisches Kapital sich in alle anderen Kapitalsorten relativ einfach verwandeln lässt, während das umgekehrt nicht gilt. Distinguierte soziale Gesellschaftsschichten erkennen sich schon aufgrund des Habitus‹, ohne den richtigen »Stallgeruch« ist ein Aufstieg in die gesellschaftliche Elite selten möglich.

Das Personalmanagement steht vor einem Umbruch, was den demografischen Wandel der deutschen Bevölkerung angeht. So werden für die kommenden Jahre wahrscheinlich nicht mehr genügend hochqualifizierte Arbeitskräfte in Deutschland zur Verfügung stehen. Daran ändern auch kurz- oder mittelfristige konjunkturelle Schwankungen und Krisen nichts Grundlegendes. Dabei steigt nicht nur die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften weiter, auch werden viele Hochqualifizierte aus den geburtenstarken Jahrgängen den Arbeitsmarkt verlassen. Frührente bzw. Berufsaustritt unter dem 60. Lebensjahr sind volkswirtschaftlich schwer zu finanzieren und stehen zudem einer steigenden Lebenserwartung gegenüber. Die Schlussfolgerungen daraus reichen von politischen Entscheidungen im Bildungswesen über die vermehrte Einbeziehung von Teilzeitarbeit, insbesondere der Möglichkeit für hochqualifizierte Frauen, Beruf und Familie verbinden zu können, bis hin zur Konzeption von Personalentwicklungsmodellen, welche einen längeren Lebensarbeitszyklus berücksichtigen.

Für manche deutet deshalb alles darauf hin, dass den Unternehmen ein »War for Talents« bevorstehen könnte, auch wenn Variablen wie Konjunktur, Einwanderung oder Rationalisierung, resp. zunehmende Digitalisierung keine präzisen Prognosen zulassen. Durch die starke Nachfrage seitens der Unternehmer und das geringe Angebot auf der Arbeitnehmerseite werden die Unternehmen schon heute mehr und mehr gezwungen, Arbeitnehmer mit attraktiven Konditionen zu werben. Hierbei werden ältere Mitarbeiter nicht benachteiligt sein, in mancher Hinsicht lassen sich durch den reichhaltigen Erfahrungsschatz beruflicher und persönlicher Kompetenzen u. U. sogar Vorteile ableiten. In Zukunft wird das Recruiting deshalb vermehrt Ältere als Zielgruppe zu berücksichtigen haben.

Auch wenn man vermuten könnte, dass die Personalauswahl mit der demografischen Entwicklung an Bedeutung verliert, weil sich die Unternehmen nicht mehr leisten können, allzu wählerisch zu sein, wird wohl genau das Gegenteil der Fall sein. Gerade weil die Fluktuationsrate von Mitarbeitern auch davon abhängen wird, wie zufrieden Mitarbeiter in Unternehmen sind, ergibt sich das Erfordernis, die Passung bereits möglichst schon bei der Auswahl zu prognostizieren.


Abb. 1: Lisa

Lisa fragt sich schon heute, wie sie Beruf und Familie in Einklang bringen wird, denn ihr ist klar, dass sie später eine Familie gründen will. Zugleich hat sie an ihrer eigenen Mutter gesehen, dass es sehr schwierig sein kann, Familienleben und Beruf oder sogar Karriere in Einklang zu bringen. Auf der anderen Seite weiß Lisa, dass die Arbeitswelt heute, anders als zu den Zeiten ihrer Mutter, eine Flexibilisierung erfahren hat und sie hofft, dass diese noch weitergehen wird.

Es hat bereits heute eine zunehmende Flexibilisierung (quantitativ, qualitativ, zeitlich, örtlich) in der Personaleinsatzplanung stattgefunden mit Vor- und Nachteilen sowohl für Mitarbeiter als auch für Unternehmen: Für Unternehmen ist die höhere Motivation der Mitarbeiter und die dadurch erwartungsgemäß höhere Produktivität ein Vorteil. Man kann die Beschäftigungsreserven auf dem Markt besser nutzen, und nicht zuletzt sorgt eine flexible Personaleinsatzplanung für eine höhere Kundenorientierung. Mitarbeiter genießen eine bessere Work-Life-Balance und können ihre Arbeit gemäß ihren individuellen Aktivitätszyklen und Biorhythmen gestalten. Dies kann zu höherer Motivation und höherer Produktivität führen

Doch es gibt auch Nachteile. Auf Unternehmensseite heißt höhere Flexibilisierung zunächst auch geringere Kontrolle. Das kann aber durch adäquate Administration und dementsprechende Steuerungsinstrumente im Performance- und Wissensmanagement ausgeglichen werden. Für die Mitarbeiter kann eine hohe Personaleinsatzflexibilisierung bedeuten, dass die Arbeit »gefühlt« nie aufhört. Dies zieht Überforderung durch Leistungsdruck nach sich, und Mitarbeiter müssen deshalb heute anders als früher selbst ein gutes Zeitmanagement mitbringen, um nicht in die Burnout-Falle zu laufen.

Moderne Flexibilisierungsinstrumente ermöglichen sowohl eine strukturell als auch eine konjunkturell höhere Anpassungsfähigkeit. Hierbei können Unternehmen aus einer Vielfalt von personalpolitischen Methoden auswählen, um sowohl unternehmensinterne (strukturelle) als auch marktbezogene (konjunkturelle) Krisen zu bewältigen. Während konjunkturelle Krisen eher temporär sind, erfordern strukturelle Krisen oft einen erheblichen Umbau des Unternehmens. Dementsprechend kann auf konjunkturelle Krisen mit personalpolitischen Maßnahmen wie Kündigung von 40-Stunden-Verträgen, Teilzeitoffensiven, Sabbaticals, einem Abbau von Resturlaub oder auch Kurzarbeit reagiert werden. Auch der Abbau von Gleitzeitguthaben oder ein Inhouse-Placement kann die Zeit überbrücken, bis die Konjunktur wieder anzieht. Konjunkturelle Krisen haben externe Gründe, die sich normalerweise wieder legen. Deshalb wollen Unternehmen in solchen Zeiten meist nicht Personal abbauen, das nach Beendigung der Krise wieder teuer eingekauft werden muss.

Anders verhält es sich bei strukturellen Krisen. Hier reicht das personalpolitische Repertoire vom Nichtersatz von Fluktuationen, Altersteilzeitmodellen, vorzeitiger Beendigung über Outsourcing bis hin zu Standortschließungen und betriebsbedingten Kündigungen. Diese Maßnahmen machen Sinn, wenn die Zukunft veränderte strukturelle Anforderungen an Unternehmen stellt und bestimmte Kompetenzen oder Funktionen nicht mehr oder zukünftig in anderer Weise oder Anzahl benötigt werden. Die genannten Instrumente zur Bewältigung von Krisen sind vornehmlich quantitativ ausgerichtet. Qualitative Flexibilität bieten personalwirtschaftliche Instrumente wie Job Rotation, Job Enlargement, Job Enrichment, Projekteinsätze oder Inhouse-Placement. Wie Inhouse-Placement funktionieren kann, soll anhand des Beispiels der Recruiting-Abteilung eines großen Konzerns verdeutlicht werden.

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