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2 Berufliches Schreiben als literale Teilhabe

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Textmuster wie etwa Protokolle, Berichte oder Briefe (auch in Form von E-Mails) können in nahezu jeder Gemeinschaft eine Rolle spielen. Da aber eine Gemeinschaft aus unterschiedlichen Mitgliedern besteht und verschiedene Funktionen oder Zielsetzungen hat, ergeben sich für die literale Teilhabe auch entsprechend unterschiedliche Formen und Anforderungen. So dient ein Regierapport im Bauwesen unter anderem dazu, die erbrachten und «protokollierten» Leistungen dem Auftraggeber verrechnen zu können, während die Patientenakte in der Krankenpflege beispielsweise beim Dienstwechsel dazu dient, die Kolleg*innen auf den neuesten Informationsstand zu bringen. Eine Schreibgemeinschaft zeichnet sich also durch bestimmte Merkmale aus (Graham 2018), vor allem durch folgende:

Die Mitglieder nehmen in den jeweiligen Gemeinschaften unterschiedliche Rollen ein. Ist man Mitglied mehrerer Gemeinschaften, muss man auch verschiedene Rollen wahrnehmen können.

Jede Gemeinschaft erfüllt eigene Zwecke oder Funktionen. Damit verbunden kann eine Gemeinschaft eigene Textmuster oder Normen (oft auch in Form von Vorlagen) herausbilden.

Es können sich spezifische Tools (Handschrift, abrufbare Textbausteine im Textverarbeitungsprogramm usw.) etablieren.

Eine Schreibgemeinschaft kann eine kollektive Geschichte entwickeln. Dies kann beispielsweise meinen, dass eine Chefin begonnen hat, ihren Mitarbeitenden zum Geburtstag eine Postkarte zu schreiben, dass ihre Mitarbeitenden das wissen und eine entsprechende Erwartungshaltung aufbauen.

Wie berufliche Schreibfähigkeiten erworben werden, ist entsprechend wesentlich eine Frage der Enkulturation im jeweiligen beruflichen Feld (Jakobs 2005). Daraus lassen sich zwei zentrale Implikationen ableiten:

a) Schulisches Schreiben kann zwar die Voraussetzungen für den Erwerb des beruflichen und akademischen Schreibens schaffen, es kann jedoch nicht berufliches bzw. akademisches Schreiben vermitteln, da die Merkmale einer beruflichen oder akademischen Gemeinschaft anders ausgeprägt sind als die einer schulischen Schreibgemeinschaft. Wer beispielsweise selbst nicht als Ärztin oder Maurer mit Kundenkontakt arbeitet, wird die entsprechenden literalen Praktiken auch nicht erwerben und damit keinen beruflich angemessenen Rapport verfassen können.

b) Die Vermittlung und Förderung beruflicher Schreibfähigkeiten kann nicht nur eine Aufgabe der weiterführenden Schulen sein, sondern ist auch eine wichtige Aufgabe der jeweiligen (Lehr-)Betriebe beziehungsweise der akademischen Institutionen (zu Letzteren sind auch die Hochschulen selbst zu zählen), da sich die Textproduktion, die «Dokumentenentstehung» und die Unternehmenskultur gegenseitig beeinflussen (Jakobs 2005, S. 30).

Wissen die Schüler*innen, welche Funktion etwa Protokolle grundsätzlich haben, haben sie im Verlauf ihrer schulischen Bildung zudem bereits verschiedene Formen kennengelernt – zum Beispiel ein Versuchsprotokoll aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht oder ein Klassenratsprotokoll aus dem Deutschunterricht – und dabei auch erfahren, dass Form und Funktion zusammenhängen, dann sind sie zwar eher in der Lage, andere Formen zu verstehen und selbst Texte in dieser Form zu verfassen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie sich einen Regierapport oder eine Patientenakte selbstständig erschliessen können. Hinzu kommt, dass mehrsprachige Lerner*innen, die einen Teil ihrer schulischen Bildung nicht in der Schweiz erworben haben, möglicherweise andere Textformen kennengelernt haben. Auch diese Lerner*innen müssen nicht nur wissen, wie bestimmte Textformen aufgebaut sind, sondern auch, wie Form und Funktion zusammenhängen, mit welchen sprachlichen Mitteln sie angemessen umzusetzen sind.

Insgesamt sind damit bestimmte Anforderungen an den Schreibunterricht an weiterführenden Schulen verbunden: Es braucht in erster Linie Lehr- und Lernarrangements, die berufliche beziehungsweise berufsnahe, aber prototypische Situierungen zum Ausgangspunkt nehmen. Solche Situierungen können die spezifischen Merkmale ihrer beruflichen Schreibgemeinschaft modellieren. Das hat auch den Vorteil, dass die Lernenden Schreiben nicht als etwas Isoliertes wahrnehmen oder als Selbstzweck erleben, sondern dessen berufliche Relevanz erfahren können (Schneider u. a. 2013, Kapitel 5).

Eine Verzahnung von berufsfachlichem und sprachlichem Lernen ist nicht nur ein didaktisches Gebot, vielmehr geht es ebenso mit weiteren Herausforderungen einher: Zum einen können diese organisatorisch gemeistert werden, indem Sprach- und Fachlehrpersonen gemeinsam unterrichten, zum anderen wäre auch denkbar, dass die Fachlehrpersonen und Ausbilder*innen in der Aus- und Weiterbildung so vorbereitet werden, dass berufliches Schreiben (und Lesen) Teil ihres Unterrichts, ihrer Förderkonzepte werden.

Im Folgenden wird dies mit Blick auf das Schreiben mit Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache – hinsichtlich wirksamer Fördermassnahmen und darauf aufbauend auch bezogen auf formatives Feedback – kurz ausgeführt.

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