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1.3 Mythos «Sprachbegabung»

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Eine souverän mehrsprachige Person ist, so die Nebentöne und stereotypen Vorstellungen, eventuell auch fleissig. Sicher jedoch ist sie zufällig mit Begabung und vielleicht zusätzlich mit einer besonderen individuellen Biografie reich beschenkt worden. So weit der Mythos. Tatsächlich macht Begabung, gefasst mit dem Modell des Intelligenzquotienten gemäss zahlreichen Untersuchungen einen wesentlichen Teil des Schulerfolgs aus (vgl. Khan 2018, S. 344 f).

Der Mythos der Sprachbegabung allerdings bremst – wie die übrigen – den fördernden Umgang mit Sprachen im Bildungssystem, impliziert er doch eine von aussen wenig beeinflussbare Sprachkompetenz, die Bildungsversuche unterläuft oder sie unnötig macht: Lehrpersonen und Dozierende erwarten so mitunter von Lernenden, die vor Kurzem aus Deutschland eingereist sind, dass sie bessere Texte schreiben als Schweizer derselben Gruppe, und reproduzieren diese Annahme gleich selbst über die Benotung. Weiter verführt dieser Mythos Fachleute beim Erstellen von Lehrplänen dazu, dass sie für Mehrsprachigkeiten weder Förderung noch spezifische Beachtung vorsehen und Sprachenlernen in sämtlichen Schulfächern auf eine marginale Rolle verwiesen bleibt. Kurz: Forschungsergebnisse bleiben didaktisch weitgehend wirkungslos, obschon sie belegen, dass sprachfördernde Lehrpersonen den inhaltlichen Lernstoff mit Lese- und Schreibunterricht verbinden (vgl. Neuland/Peschel 2013, S. 246; Hattie 2009, S. 259).

Weiter vernachlässigt der Mythos der Sprachbegabung die Wirkung der sozioökonomischen Herkunft der Personen, die eine Sprache sprechen oder lernen: Es ist relevant, ob die Eltern eines Kindes mit albanischer Erstsprache im diplomatischen Dienst tätig sind oder Arbeiten ausführen, die keinen formalen Bildungsabschluss verlangen.

Zusammenfassend lässt sich zu den Mythen über Mehrsprachigkeiten, deren es noch weitere gibt – etwa, dass nur Kinder eine Sprache voll und ganz erwerben können – Folgendes festhalten: Zukunft und Gegenwart sind mehrsprachig, und zwar in einem Masse, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, inwiefern die Arbeit mit einer einzigen Bildungssprache pro Region tatsächlich sinnvoll ist. Diskurse darüber, wie Mehrsprachigkeiten zu behandeln sind, müssen von Mythen befreit und in politischen Zusammenhängen gesehen werden. Was eine bestimmte Sprachverwendung bedeutet und bewirkt, sollte in der Schule und im Studium thematisiert werden.

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