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Des Schicksals Fügung

Inspiriert von einer Geschichte aus dem

Buch „Madita“ von Astrid Lindgren.

Margot bettet Jockel in eine der großen Zigarrenkisten, die sie von Onkel Friedrich abgestaubt hat. Die Unterlage aus weicher blauer Watte aus Mutters Kosmetikbeutel dient als Matratze. Liebevoll deckt sie ihn mit einem hellbraunen Stückchen Samt zu, das sie aus einem abgelegten Sofakissen geschnitten und gesäumt hat. Margot liebt ihren Jockel unsagbar.

Caroline tut es immer mehr leid, dass sie Margot den Jockel zum 12. Geburtstag geschenkt hat. Sie hat die kleine Holzpuppe selber geschnitzt, die sogar ihre Gliedmaße bewegen kann und ihm die Sachen, die er trägt, geschneidert und gehäkelt: ein spitzes hellblaues Mützchen aus Baumwolle, kariertes Hemd und Sepplhose, weiße Baumwollstrümpfe mit roter Bordüre und braune Schühchen aus einem Stück Leder. Er sieht aus wie ein kleiner lustiger Junge. Und so hat Margot ihn ins Herz geschlossen, und jetzt heißt es: Jockel hier und Jockel da. Jockel sitzt mit am Tisch, Jockel auf Margots Schoß, Jockel in der Schultasche, Jockel im Kino. Margot hat keine Augen mehr für ihre allerbeste Freundin.

Caroline fühlt einen brennenden Schmerz und schließlich einen törichten, abgrundtiefen Hass auf die kleine Holzpuppe.

Eines Tages jedoch, als Margot von ihrer Mutter mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet, in die Küche gerufen wird, ist sie mit Jockel ganz allein in der Wohnstube. Der sitzt ihr gegenüber auf dem Sofa, sorgfältig an ein Kissen gebettet, Caroline am Wohnzimmertisch ihm Aug in Aug gegenüber. Caroline blickt Jockel unentwegt an. Es scheint, als bewege er seine Lider, was doch ganz unmöglich ist. Es scheint ihr, als blicke er sie aus den aufgemalten hellblauen Augen höhnisch an. Caroline kocht vor Wut. Sie beugt sich über den Stubentisch, um ihm direkt in das alberne hölzerne Gesicht zu starren.


Ich kann doch nichts dafür

Nun gerät die brennende gelbe Kerze, die im Kerzenhalter aus Murano-Glas auf der bestickten kostbaren Brokattischdecke steht, ins Wanken. Vor Schreck erstarrt sieht Caroline zu, wie sie einen kleinen Bogen zu beschreiben scheint, um eigens auf Jockel zu landen, der unverzüglich Feuer fängt. Caroline glaubt an eine Fügung des Schicksals!

Plötzlich greift das Feuer um sich, die Tischdecke brennt und aus den Sofakissen züngeln die Flammen. Caroline stürzt aus dem Haus und rennt so schnell sie ihre Beine tragen durch den Garten auf die Straße, immer weiter die Landstraße hinauf. Außer Atem kommt sie auf einer kleinen Anhöhe zum Stehen. Erst hier dreht sie sich ganz langsam und zögernd um: Das Haus brennt lichterloh.

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