Читать книгу Zwischen Menschlichem - Dagmar Herrmann - Страница 7
ОглавлениеAbseits einer Kindheit
Verborgen
dort
hinter den Häusern,
den sauber geputzten Fensterscheiben,
den ordentlich gezogenen Rabatten, einer Zeit,
in der jedes Weizenkorn von Bedeutung,
Apfelhäuschen mitgegessen
wurden,
fand es die Wiese mit bunten Blumen,
dem Duft von Ginster, dem satten Gelb des
gemeinen Löwenzahns, das unschuldige Weiß
wippender, nickender Margeriten,
wenn der Fuß sie streifte, sorgsam,
Schritt für Schritt achtend, kein
Blatt oder Halm zu krümmen
dort
im Weizenfeld, leuchtendes Blau der Kornblume,
am Rande
feinste blässliche Bläulichkeit
achtsamer Wegwarten boten den Augen
Trostspender Schönheit.
In der Mulde aus feinstem Sand, sonnengewärmt,
schickte es Traumbilder den Wolken nach,
aufwärts fliegende Gedankenstifte, hingeworfene Riesengebirge
zeichnend und formend,
und wenn die Farbe vom Weiß ins dunkle Grau
wechselte, die Sonne sich zwängte
durch Berg und Tal, schwebte
sie fort, mit ihnen Abenteuer
zu suchen und
zu bestehen
In lilablassem Tüllkleid mit schwarz polierten
Lackschuhen
tanzend
in einem Zuckerbäckerschloss
aus blanken durchsichtigen Mauern
auf dem Schwarzweißkarree eines gewienerten Schachbrettbodens
Alice im allerkleinsten Format
und der weiße Hase
im Überschwang
seiner Taschenuhr verlustig gegangen
schlitternd und
jauchzend
und wenn sich an goldenen Schnüren
der purpurrote Vorhang hob
am äußersten Ende des prunkvollen Saals:
dort
treten hervor auf eine fantastische Bühne
huldvolle Engel, schrille Spaßvögel, balancieren
lustige Gesellen aufgesetzte spitze Hüte
mit ausladender Krempe, scheckig und fleckig
baumeln Lumpen in Fetzen an dürren Knochen,
klappernd
im stürmisch schlagenden Takt einer
unsichtbar aufspielenden Band
Durch hoch gewölbte Hallen flügeln
in farbenfrohen Federkleidern
prachtvolle Paradiesvögel, im Auf und Ab jagen
schwarzglänzende Raben,
neonfarben schillernde Schmetterlinge
und Falter rauschen
mit riesigen Schwingen wogend hernieder,
gleiten hinweg über staunend
weit geöffnete haselnussbraune Augen
streifen blond gescheiteltes Haar, vorbei an fest
gezurrten Affenschaukeln schmeicheln sich ein
betörende Töne in die zart beseiteten Muscheln
der Ohren, benebeln Sinne …
All das in schweigender Andacht,
in heiliger Erhabenheit unberührter Natur,
in dem allein das Gesummse der Bienen,
das zitternde Zirpen der Grillen,
der Lerche lockender Singsang
im Ast schattenspendender
lauschender Lärche am Waldesrand
erklingen, sich zusammen fügen
zu einer ganz leisen
ganz großen
Symphonie
Dort
hat sich das Kind verborgen,
wollte es bleiben, ging nie
wieder
fort