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2. Kapitel – Aufbruch nach Gantuigh

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Ich kehre heim, hämmerte es unentwegt in seinem Kopf, als er mit seinem Bündel auf dem Rücken hinter Mert her ging, ebenso wie: Sie sind alle tot. Wir werden die einzigen T'han T'hau auf Gantuigh sein. Alle anderen sind tot.

Unzählige Gefühle stritten in ihm, während er die starre, ausdruckslose Maske des ficha'thar aufgesetzt hatte. Da war immer noch ein Rest Furcht, dann Unsicherheit, aber auch Zorn über die vergangenen Jahre; Betroffenheit und eine dumpfe Trauer, wenn er an Skatarhak und das Schicksal der T'han T'hau dachte, die mit ihm in den Krieg gezogen waren; Entschlossenheit – er würde nach Gantuigh zurückkehren oder sterben, eine andere Wahl gab es für ihn nicht mehr; Sehnsucht und Hoffnung, die in der vergangenen Nacht immer größer geworden waren; und noch so viele andere, die er nicht benennen konnte.

Die Finger seiner rechten Hand tasteten nach dem Schwertgriff und schlossen sich darum. Die Berührung des Metalls in seiner Handfläche beruhigte ihn sofort.

Er war ein T'han T'hau – was hatte er zu fürchten?

Der Tod schreckte ihn nicht. Er war seit je her sein Weggefährte, und er hatte ihm bereits zweimal geradewegs ins Auge geblickt: als er vor mehr als zwanzig Jahren in einen Hinterhalt getappt war, und bei ihrem Aufbruch aus Gantuigh, als das Wundfieber ihn fast umgebracht hätte.

Sein Schwert, seinen Stolz und seine Würde – mehr brauchte er nicht, und wenn er in den vergangenen Jahren häufig genug das Gefühl gehabt hatte, letztgenannte verloren zu haben, so spürte er sie heute deutlicher denn je. Ungeachtet des Schlammes, der bizarre Muster auf seinem Schuppenkleid bildete, war er der gewaltigste T'han T'hau, den diese Welt je gesehen hatte.

Tiko holte mit zwei raschen Schritten auf und ging neben ihm her.

»Täusche ich mich oder bist du noch größer geworden?« fragte er mit einem Lächeln. »Manchmal vergesse ich, was für ein Gigant du bist. Und in Momenten wie diesen sehe ich dich an und weiß, dass noch jede Handbreit von dir mehr T'han T'hau enthält als so mancher ganze Mann.«

Cridan sah auf seinen Freund hinunter und lächelte zurück.

»Du hast Recht. Ich musste den T'han T'hau nur wiederfinden. Er hatte sich wohl im Moor verlaufen.«

Tiko lachte.

»Dann sieh zu, dass du ihn nicht noch einmal verlierst!«

Sie überquerten die Nebelwasser auf einem Floß. Cridan stand aufrecht am Heck und stakte sie durch die unheimliche Landschaft, in der schwarze, kahle Bäume ihre dürren Zweige nach ihnen ausstreckten, als wären es gierige, verkrüppelte Finger.

Kalte, graue Schwaden umhüllten sie, zogen wabernd vorbei und verwandelten alles um sie herum in undeutliche Schatten, um dann plötzlich aufzureißen und den Blick auf die wahre Gestalt der Dinge freizugeben.

Cridan verließ sich ganz auf seinen Orientierungssinn und hin und wieder ein gemurmeltes Wort von Mert.

»Woher kennt Ihr Euch hier so gut aus?« wollte Tiko von dem Boten wissen.

Mert lachte freudlos.

»Ich habe Wochen gebraucht, um Euch hier zu finden, und die meiste Zeit habe ich in diesem verfluchten Nebel verbracht. Zum Schluss war ich versucht, den Bäumen Namen zu geben, so oft, wie ich manche von ihnen gesehen habe.«

Er seufzte.

»Wir müssen dort entlang.« Er zeigte die Richtung.

Endlich lichtete sich der Nebel, und das Wasser unter ihrem Floß wurde flacher, der Grund sandiger. Cridan sprang ab und watete die letzten Schritte ans Ufer, das Floß hinter sich her ziehend.

»Ganz in der Nähe habe ich meinen Wagen untergestellt«, sagte Mert. »Ihr wartet besser hier. Man darf Euch nicht entdecken, sonst war alles umsonst.«

Cridan war es unendlich Leid, sich zu verstecken. Nur zähneknirschend fügte er sich und blieb mit Tiko am Nebelwasser zurück, während Mert zwischen den niedrigen Bäumen, die auf dem kargen Boden wuchsen, verschwand.

Tiko hatte sich ins Heidekraut gelegt, den Kopf auf seine verschränkten Arme gebettet, und sah in den grauen Himmel hinauf, während Cridan rastlos am Wasser entlangging. Eine quälende, kaum auszuhaltende Unruhe trieb ihn um – was war, wenn dies tatsächlich eine Falle war, und Mert mit einem Dutzend Männer zurückkam, die sie töten wollten? Oder, noch viel schlimmer: Was war, wenn Mert nicht wiederkam?

Bei dem Gedanken, ins Moor zurückkehren zu müssen, graute es ihm.

Nein, schwor er sich, was immer auch passiert, ich werde nicht zurückgehen! Lieber sterbe ich!

Es war eine schier endlose, an den Nerven zerrende Warterei, doch Stunden später, als die Dämmerung schon hereingebrochen war, entdeckte er endlich ein Gefährt, das sich langsam seinen Weg durch das unwegsame Gelände bahnte.

Zusammen mit Tiko kletterte er in den hohen, vierrädrigen Wagen, der durch eine Plane abgedeckt war.

Hier saßen sie zwischen Kisten und Bündeln und versuchten, es sich so gemütlich wie möglich zu machen, während der Wagen Richtung Küste schaukelte.

Cridan lehnte sich rücklings gegen eine der Kisten, schob den Arm unter seinen Kopf und schloss die Augen. Die Unruhe war besser geworden, jetzt, da sie sich wieder bewegten. Daher konnte er die Zeit genauso gut dazu nutzen, sich ein wenig auszuruhen.

Wenig später schreckte er aus dem Halbschlaf auf.

Für einen Moment wusste er nicht, wo er sich befand: Dunkelheit herrschte um ihn herum, der Boden schwankte und rüttelte, und etwas drückte ihm hart in die Rippen. Dann erinnerte er sich wieder.

Er zwängte sich in der Finsternis durch die unordentlich gestapelte Ladung nach vorne bis zum Kutschbock und ließ sich neben Mert auf die hölzerne Sitzbank gleiten. Das Pferd schnaubte nervös und peitschte mit dem Schweif, als es die Witterung des T'han T'hau in die Nüstern bekam.

»Ho«, brummte Mert, »ruhig, mein Braver. Alles ist gut.«

Er schenkte Cridan einen Seitenblick und murmelte: »Ihr habt es nicht so mit Pferden, was?«

Cridan zuckte die Achseln.

»Ist ein Geburtsfehler«, gab er zur Antwort.

Mert lachte leise, ließ die Leinen auf die mondbeschienene Kruppe des Pferdes klatschen und schnalzte aufmunternd.

»Wir werden nicht allzu lange brauchen«, sagte er. »Bis zur Küste sind es von hier vielleicht noch zwei Tage. Da wir überwiegend nachts fahren, wird es ein wenig länger dauern als auf dem Hinweg. Dann müssen wir uns nur etwas einfallen lassen, wie wir nach Gantuigh kommen. Ich war davon ausgegangen, dass wir mit Euren Schiffen reisen könnten, aber nun…« Er ließ den Satz unvollendet.

Cridan hob die Schultern.

»Ihr habt Ratiko'khars Entscheidung gehört. Macht Euch keine Gedanken über die Seereise. Wir werden einen Weg finden. Ein kleines Schiff, ein Boot – alles, was wir mit zwei Mann segeln können, wird passen.«

»Mit zwei Mann?« Mert sah ihn entsetzt an. »Wie stellt Ihr Euch das vor?«

»Von mir aus auch drei«, bemerkte Cridan mit einem spöttischen Lächeln, »vorausgesetzt, Ihr könnt segeln.«

Mert lachte etwas abgehackt.

»Leider nein. Ich kann rudern und ein Floß vorwärts bewegen, aber segeln geht über meinen Horizont – im wahrsten Sinne des Wortes. Und Ihr… Ihr habt allen Ernstes vor, mit einem Boot, das von nur zwei Mann gesegelt werden kann, das Meer zu überqueren?«

Cridan hielt eine Antwort für überflüssig, und nach einer Weile seufzte Mert leise.

»Ich gehe davon aus, dass es nicht Euer Ziel ist, auf der Reise zu ertrinken«, murmelte er resignierend. »Mir bleibt also kaum etwas anderes übrig, als Eurem Vorschlag zu folgen. Dann wäre nur noch die Frage zu beantworten, woher wir ein solches Schiff bekommen.«

Cridan grinste.

»Für gewöhnlich liegen Schiffe in einem Hafen«, erwiderte er. »Findet Ihr mir einen Hafen, ich finde Euch ein Boot.«

Mert nickte langsam. »Einen Hafen finde ich für Euch. Mit dem Wagen wird es nicht allzu schwer sein, Euch in die Nähe der Schiffe zu bringen. Alles andere überlasse ich Euch.«

Er zögerte kurz.

»Darf ich Euch eine Frage stellen?«

Cridan neigte zustimmend den Kopf, und Mert sprach weiter: »Wie lange wart Ihr fort? Ich meine, von Gantuigh.«

Cridan schwieg einen Moment.

»Fast elf Jahre«, erwiderte er dann bitter. »Elf lange, vergessene und verlorene Jahre. Elf Jahre, in denen Gantuighs Geschichte ohne uns geschrieben wurde. Skatarhak und alle, die uns kennen, sind tot, sagt Ihr. Es ist… eigenartig. Ich kann mir ein Gantuigh ohne T'han T'hau nicht vorstellen.«

Mert lachte.

»Ihr werdet es erleben, wenn Euer Plan aufgeht! Und es ist ein schönes Land! Es hat sich viel verändert, aber zum Guten. Gantuigh ist regelrecht aufgeblüht unter Mar'Tians Herrschaft!«

Cridan traute seinen Ohren nicht.

»Mar'Tian?« wiederholte er ungläubig.

Mert nickte. »Ja. Wenn Ihr so wollt, ist er einer der neuen T'han T'hau. Wir…«

Er hielt kurz inne, musterte Cridan nachdenklich und fuhr dann fort: »Wir nennen Euch nicht mehr die T'han T'hau. Das Wort hat seine ursprüngliche Bedeutung zurück erhalten. Zu den T'han T'hau zählen heute die besten Krieger.«

»Und wie nennen sie uns?«

»Von Euch spricht man nur noch in Geschichten und Legenden«, wich Mert ihm aus. »Ihr seid…«

»Wie sie uns nennen, habe ich gefragt!« Cridans Tonfall war scharf.

Mert schluckte.

»Dämonen.«

»Dämonen also«, wiederholte Cridan und sah auf seine Hände hinab.

Er kannte diese Bezeichnung, und er wusste auch, woher sie kam. Man hatte sie auf dem Kontinent so genannt, und die Fremden um den schwarzhaarigen Krieger Syrian, der den T'han T'hau bis auf ihre Insel gefolgt war, hatten den Namen damals mit nach Gantuigh gebracht.

Für einen Moment blitzte in ihm die Erinnerung an die Menschen auf, die für Skatarhak Anlass genug gewesen waren, den Krieg zu beginnen, den er offenbar schon viel früher und von längerer Hand vorbereitet hatte.

Anlass oder Vorwand, wisperte die boshafte Stimme in seinem Innern.

Diese Frage stellte sich Cridan nicht zum ersten Mal. Und auch dieses Mal fand er darauf keine Antwort, die ihn zufriedenstellte.

»Mar'Tian ist Herrscher?« fragte er nach, um das Gespräch und seine Gedanken wieder auf etwas anderes zu lenken.

»Er war es«, verbesserte Mert. »Volle sechs Jahre, bis seine Amtszeit vorüber war. Warum fragt Ihr? Kennt Ihr ihn?«

»Flüchtig«, bekannte Cridan. »Und wer regiert jetzt?«

»Enod«, erwiderte Mert. »Ein kluger Mann. Nicht ganz so hartnäckig wie Mar'Tian, nicht ganz so kompromisslos, aber ebenso entschlossen, Gantuigh weiter voranzubringen.«

Cridan blieb eine Weile stumm.

»Aber weshalb Mar'Tian?« fragte er dann. »Wenn ich mich recht entsinne, war Esracan doch Herrscher von Gantuigh.«

Mert seufzte leise.

»Ihr wisst es wirklich nicht, oder? Nun gut. Ich werde es Euch erzählen. Über ein Jahrzehnt ist das nun her, dass Skatarhak den Krieg anfing. Er überfiel die Insel mit seinen Dämonen, wo er nur konnte, zwang die Menschen zur Flucht, verwüstete ganze Landstriche und versuchte schließlich mit der geballten Kraft seines Heeres die Hauptstadt einzunehmen. Er brachte den Krieg bis nach L'hunival – und er hätte ihn vielleicht sogar gewonnen, wenn wir damals nicht unerwartete Hilfe bekommen hätten. Fremde vom Kontinent waren es, die uns beistanden. Syrian hieß der Mann, der die Dämonen wegen der Gräueltaten, die sie auf dem Kontinent begangen hatten, bekämpfen wollte. Er und seine Gefolgsleute, große Krieger allesamt, waren unsere Rettung. Esracan verbündete sich mit ihnen, und sie kämpften auf unserer Seite. Ihnen und Mar'Tian ist es zu verdanken, dass es überhaupt noch Menschen auf Gantuigh gibt. Esracan fiel jedoch in der letzten Schlacht, ebenso wie Skatarhak. Anschließend…«

»Wie starb Skatarhak?« unterbrach Cridan ihn. »Ich meine, wer hat ihn getötet? Weiß man es?«

Mert blickte stur geradeaus auf den wippenden Pferdehals, seinen Blick vermeidend.

»Ja, das weiß man, sogar sehr gut.«

Er räusperte sich, bevor er fortfuhr. »Der Anführer der Fremden, Syrian selbst, hat ihn getötet, und dabei fast sein eigenes Leben verloren.«

»Syrian«, murmelte Cridan.

Er erinnerte sich an den Mann: schlank, dunkelhaarig, von einer seltsamen Arroganz geprägt, die ihresgleichen suchte. Furchtlos, voller Verachtung für alles, was ihn umgab. Ein gefährlicher Mann.

Er also hatte Skatarhak erschlagen. Er hatte Cridans König, seinen Freund, seinen Ziehvater getötet.

Seltsamerweise empfand Cridan bei diesem Gedanken nur ein leichtes Bedauern und sogar fast so etwas wie Erleichterung. Er hatte es kommen sehen. Er hatte gesehen, wie Skatarhak sich verändert hatte, hatte das Verhängnis geahnt, hatte immer wieder versucht, Skatarhak zum Einlenken zu bewegen. Vergebens: Skatarhak hatte sich nicht aufhalten lassen wollen.

Zum Schluss war er zwar noch Cridans König gewesen, aber von der Freundschaft und der Verbundenheit, die einst zwischen ihnen geherrscht hatte, war nichts mehr geblieben.

Vielleicht war das von allen Dingen das Traurigste.

»Also wurde Mar'Tian zum Herrscher gewählt«, sagte Cridan schließlich. »Und dann? Was geschah mit den übrigen T'han T'hau? Sind sie geflohen?«

»Nein.« Mert schüttelte den Kopf. »Vermutlich ist einigen die Flucht geglückt, doch alle anderen nahm man gefangen und richtete sie hin als Verräter. Sie hatten den Treueid gegenüber Gantuigh gebrochen. Mar'Tians Männer haben monatelang ganz Gantuigh abgesucht, bis auch der letzte Dämon tot war. Seitdem gibt es keine Dämonen mehr. Jedenfalls nicht auf Gantuigh.«

«Wir sind also die letzten.«

Die eigenen Worte klangen fremd in Cridans Ohren und lösten eine seltsame Form der Wehmut in ihm aus. Wenn sie wirklich die letzten waren, dann war das Volk der T'han T'hau so gut wie ausgelöscht.

Was für eine bitterböse Ironie des Schicksals! Skatarhak hatte die Menschen vernichten wollen, und erreicht hatte er statt dessen die Vernichtung der T'han T'hau!

»Man nennt Mar'Tian seitdem auch den Schlächter der Dämonen«, fuhr Mert fort. »Nach dem Krieg hat er jeden einzelnen Dämon selbst gerichtet. Er hatte keine andere Wahl. Dämonen oder Menschen, etwas anderes blieb nach diesem Krieg nicht mehr. Zu tief war die Kluft, die Skatarhak geschlagen hatte, zu groß der Verrat. Die Dämonen hatten sich gegen die Menschen gewandt, hatten Krieg gegen sie geführt, und ein Friede war undenkbar geworden.«

Er seufzte leise. »Mar'Tian ist selbst vom Blut der T'han T'hau, doch er hat sich damals für die Menschen entschieden. Zum Glück, wie ich sage.«

Vom Blut der T'han T'hau, dachte Cridan. Seine Gedanken waren zäh, schwerfällig, wenn er an das Entsetzliche dachte, das geschehen war. Wie Recht er damit hat! Und nicht nur irgend ein T'han T'hau – es ist das Blut der Königslinie, das in Mar'Tians Adern fließt. Letztlich ist es ein Erbe Skatarhaks gewesen, den der Krieg auf den Herrscherthron gebracht hat. Wobei ich stark bezweifle, dass Skatarhak das gefallen hätte.

»Woher weiß Sureth von uns?« fragte er. »Wenn man auf Gantuigh glaubt, die Dämonen seien endgültig vernichtet, wie ist er auf die Idee gekommen, uns suchen zu lassen? Ihr sagtet doch, Ihr habt uns gesucht, wenn ich mich recht erinnere.«

»Eine gute Frage«, lächelte Mert. »Ein Zufall spielte Sureth Euren Brief in die Hände. Nach wie vor versiegelt und unberührt. Seitdem sucht er nach den Überlebenden der Dämonen. Ich bin nicht der einzige, den er ausgeschickt hat, und ich bin schon das dritte Jahr für ihn unterwegs. Es ist eine mühsame Plackerei, die so manche Gefahr mit sich bringt, aber er zahlt gut.«

Er grinste. »Wobei… Der Lohn der letzten Jahre wird nichts sein gegen das, was ich dafür bekommen werde, Euch gefunden zu haben. Sureth hat große Pläne mit Euch, glaube ich. Aber das lasst Euch besser von ihm erzählen.«

Cridan dachte eine Weile schweigend nach. Die Worte des Mannes hatten ein ungutes Gefühl in ihm hinterlassen.

Er sah Mert an.

»Was glaubt Ihr? Haben wir wirklich eine Aussicht, wieder zurückkehren zu können?«

Er spürte sofort, dass dem Mann die Frage unangenehm war.

»Sureth ist sich dessen sicher«, antwortete Mert ausweichend. »Sonst hätte er Euch kaum gebeten, mich zu begleiten, und mich wohl auch nicht immer wieder auf die Reise geschickt.«

»Das war nicht meine Frage«, erinnerte Cridan ihn.

Mert blieb eine ganze Zeitlang stumm, dann zuckte er mit den Achseln.

»Ich weiß nicht«, log er. »Sureth hat vermutlich Recht.«

Cridan lächelte.

»Glaubt mir, Mert, es ist gefährlicher, einen T'han T'hau anzulügen, als ihm eine ehrliche Antwort auf eine Frage zu geben.«

Mert schluckte hörbar. »Das war nicht…«

»Gelogen?« Cridan lächelte noch breiter, so dass seine Reißzähne im Mondlicht glänzten. »Oh doch, Mert, das war es.«

Der Mann schwieg.

»Gut«, sagte er dann plötzlich. »Ihr wollt eine ehrliche Antwort? Ihr sollt sie haben: Ich glaube nicht daran, dass es jemals wieder Dämonen auf Gantuigh geben kann. Mar'Tian, der Schlächter der Dämonen, ist zwar nicht mehr selbst Herrscher, aber noch immer oberster Heerführer von Gantuigh und einer der wichtigsten Berater des Herrschers. Er hat damals alles daran gesetzt, die T'han T'hau endgültig vom Antlitz der Erde zu tilgen. Wenn er erfährt, dass es Euch noch gibt, wird er nicht eher ruhen, bis er auch den letzten Dämon getötet hat. Sureth mag eine Vision haben, eine Vorstellung davon, wie es sein könnte, aber wenn Ihr mich fragt… Ich glaube nicht daran.«

Cridan starrte eine Weile wortlos in die Dunkelheit, die vor ihnen lag, dann erhob er sich und kletterte in den Wagen zurück.

Er hatte vorgehabt, Tiko zu wecken, doch der T'han T'hau saß mit offenen Augen an eine der Kisten gelehnt und sah ihm entgegen. Sein Blick verriet, dass er das Gespräch mitangehört hatte.

Cridan hockte sich vor ihn, verbarg das Gesicht in den Händen und atmete tief durch.

»Sag mir, warum sind wir hier, Ratiko'khar?« murmelte er. »Es wird unser Tod sein, nach Gantuigh zurückzukehren. Ich habe geschworen, dich zu beschützen – wie kann ich dich da in den Tod führen?«

Tiko schüttelte den Kopf.

»Nichts ist sicher«, entgegnete er ruhig. »Noch sind wir nicht tot. Und warum wir hier sind?«

Er wies auf das hintere Ende des Wagens. »Bitte. Geh zurück! Du kannst jederzeit umkehren, wenn du willst.«

Cridan sah auf. Er spürte aufkeimenden Zorn in sich. »Niemals! Ich habe geschworen, an deiner Seite zu stehen!«

Tiko lachte laut auf. »Was soll das werden, Cridan? Belügst du mich oder doch lieber dich selbst? Ich entbinde dich von allen Verantwortungen mir gegenüber.«

Seine Stimme wurde hart. »Sei ehrlich: Du würdest tausendmal lieber sterben als zurückzugehen.«

Cridan erwiderte seinen Blick.

»Mehr als tausendmal. Wenn es nur Gantuighs Erde ist, auf der ich sterbe.«

»Na also.« Tiko nickte. »Dann hör mit diesem Gerede auf! Für uns alle ist irgendwann die Zeit gekommen. Wenn die Götter entschieden haben, dass die T'han T'hau vernichtet werden sollen, dann werden wir es nicht verhindern können. Aber ich für meinen Teil ziehe es vor, daran zu glauben, dass sie uns eine letzte Gelegenheit geben, die Fehler unserer Väter – und besonders meines Vaters – wiedergutzumachen und uns alle, Menschen wie T'han T'hau, zu retten. Und nun gib Ruhe. Es ist noch ein weiter Weg bis nach Gantuigh.«

Cridan nutzte die endlosen Stunden im Wagen vor allem zum Schlafen. Etwas anderes konnte er ohnehin nicht tun, und das Grübeln hatte er nach einer Weile auch aufgegeben.

Sie waren der Küste schon sehr nah gekommen, als er davon wach wurde, dass Mert mit der flachen Hand gegen die Plane schlug.

»Soldaten«, zischte er. »Nicht mehr als die übliche Patrouille in der Umgebung der Stadt, hoffe ich. Wahrscheinlich haben wir Glück und sie lassen uns in Ruhe, aber zur Sicherheit solltet Ihr Euch lieber verstecken.«

Cridan und Tiko sahen sich an. Tiko schnitt eine Grimasse, und Cridan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Gut, vielleicht hätte man Tiko gerade noch in einer der größeren Kisten verbergen können, aber es war schlichtweg unmöglich, einen riesigen T'han T'hau wie Cridan hier drinnen zu verstecken. Sie mussten einfach hoffen, dass die Soldaten sich nicht für sie interessierten.

Leider war das Schicksal nicht auf ihrer Seite.

»Halt«, befahl eine barsche Stimme. »Haltet an!«

Es war lange her, dass Cridan die Sprache des Kontinents gehört hatte, aber er verstand sie sofort.

Knarrend kam der Wagen zum Stehen.

»Wo soll‘s denn hingehen?« fragte die fremde Stimme. Sie war nicht wirklich unfreundlich, aber hart und befehlsgewohnt. Vor Cridans innerem Auge entstand unwillkürlich das Bild eines nicht mehr ganz jungen, höheren Offiziers mit der Hand auf dem Schwertgürtel.

»Zum Hafen«, erwiderte Mert. Sein Akzent war deutlich, als er die ungewohnten Laute der fremden Sprache formte. »Ich habe ein paar Kisten mit Ware, die ich noch heim nach Gantuigh bringen will.«

»Ein paar Kisten? Und was ist drin, wenn ich fragen darf?«

»Nur übliche Handelsware«, entgegnete Mert. »Überwiegend Pelze, auch ein wenig Silberschmuck und Glas.«

»Dann habt Ihr ja sicherlich nichts dagegen, wenn wir uns das mal ansehen.«

»Von mir aus gern, aber macht das nicht unnötige Umstände? Es ist eng dort hinten, und Eure Leute werden nur alles durcheinander bringen. Das bedeutet für mich ebenso viel Arbeit wie für Euch.«

»Mag sein«, die Geräusche von knirschendem Sattelzeug und Waffen, die gegen Beinkleider klatschten, drangen an Cridans Ohr, als die Soldaten absaßen, »aber ich habe meine Vorschriften.«

Schritte wurden laut, näherten sich dem Wagen und gingen daran entlang. Cridan lauschte, dann machte er eine kreisende Geste mit der Hand und hob vier Finger. Tiko nickte und wies nach vorne, zwei Finger erhoben.

Cridan lächelte. Er hatte ebenfalls sechs Männer gezählt, die aus den Sätteln gerutscht waren.

Er legte Daumen und Zeigefinger um die Schwertklinge und zog die Waffe ein Stück aus der Scheide, dann ging er lautlos neben dem senkrechten Schlitz in der hinteren Plane auf ein Knie nieder, so dass er auf Augenhöhe mit einem davor Stehenden sein würde. Gespannte Erregung prickelte in seinem Nacken und ließ seinen Atem schneller gehen. Götter, das hier war…

Eine Hand griff nach der Leinwand und schlug sie zur Seite.

Der Soldat blickte direkt in Cridans Gesicht. Erschrocken sprang er zurück.

»Was…«

»Überraschung«, entgegnete Cridan böse grinsend, war mit einem Satz aus dem Wagen und zerfetzte dem Soldaten mit den aufgestellten Schuppen seines linken Unterarms Hals und Gesicht. Seine geballte Rechte traf den zweiten Soldaten wuchtig auf die Nase und zertrümmerte seinen Gesichtsschädel.

Beide Soldaten waren noch nicht zu Boden gegangen, da war Cridan schon beim dritten Mann. Ein rascher, aber brutaler Tritt in die Kniekehlen ließ den Mann nach vorn taumeln. Cridan riss das Schwert aus dem Gürtel, und noch in der gleichen Bewegung trennte er dem Mann den Kopf von den Schultern.

Der vierte Soldat schaffte es immerhin, seine Waffe zu ziehen, bevor Cridan ihn erreichte, seine Deckung schlichtweg unterlief, ihm die Schulter in den Leib rammte und ihm die Schwertklinge in die Kehle stieß.

Die letzten beiden Soldaten, darunter der Offizier, hatten sich zur Flucht gewandt. Der Offizier rannte geradewegs auf sein Pferd zu, sprang in den Sattel und schlug dem Tier die Sporen in die Seiten.

Cridan stürmte vorwärts und bekam mit einem gewagten Sprung gerade noch den Steigbügel zu fassen. Der Schwung ließ ihn in den Körper des Pferdes prallen. Als die messerscharfen Kanten seiner Schuppen eine Reihe tiefer Schnitte in der Flanke des Tieres hinterließen, brach es mit einem schrillen Wiehern zur Seite aus.

Cridan zog sich hoch, packte den Zügel und die Mähne des Pferdes und zerrte es mit roher Gewalt herum. Das Pferd bäumte sich noch einmal auf, bevor es strauchelnd zu Boden ging. Seinen Reiter begrub es im Fallen unter sich. Ihm den Hals durchzuschneiden, war eine Kleinigkeit.

Als Cridan sich umdrehte, stand Tiko über der Leiche des letzten Soldaten. Er sah Cridan an, schüttelte ganz leicht den Kopf und sagte langsam, beinahe bedächtig: »Du hast wirklich nichts verlernt.«

Cridan lächelte, hob die Rechte mit der Waffe und betrachtete gedankenverloren und mit einer beinahe beunruhigenden Befriedigung sein Schwert und das Blut, das davon herunter tropfte. In seinen Adern pochte Triumph.

»Wenn ich dir sagen würde, dass ich die halbe Zeit, die ich im Moor herumgewandert bin, mit meinem Schwert geübt habe, wäre das gelogen. Es war viel mehr. Immer in der Hoffnung«, er hielt die Klinge waagrecht und sah Tiko darüber hinweg an, »ich könnte es eines Tages noch mal gebrauchen.«

Tiko runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts und kehrte mit ihm zum Wagen zurück.

Mert war eindeutig blass um die Nase, und in seinen Augen stand Furcht, als Cridan sich auf den Kutschbock schwang und mit einem lässigen Satz auf die Ladefläche sprang.

»Lasst uns weiterfahren«, meinte Tiko und klopfte dem Mann auf die Schulter. »Und macht Euch keine Sorgen. Solange man ihn nicht reizt, ist er absolut umgänglich.«

»Tatsächlich, ja«, murmelte Mert. »Ich bin nur gerade etwas… überfordert vom plötzlichen Wechsel der Situation. Mir war nicht bewusst, wie schnell man sein Leben verlieren kann, wenn man an den Falschen gerät. Aber Ihr habt Recht, wir sollten weiter. Und zwar sehr schnell, bevor jemand uns hier sieht!«

Er ließ die Zügel auf den Rücken des Pferdes klatschen. Gehorsam setzte sich das Tier in Trab und zog sie mit flotten Schritten weiter Richtung Meer.

Im roten Licht der Abenddämmerung rollte der Wagen durch die kleine Stadt zum Hafen. Cridan, der sich bäuchlings auf die Ladefläche gelegt hatte, beobachtete ihre Umgebung aufmerksam durch den kleinen Schlitz unter der Plane. Er war nach der Begegnung mit den Soldaten auf alles gefasst, doch zu seiner Erleichterung – und zu seinem leisen Bedauern – behelligte sie niemand mehr. In dem geschäftigen Treiben auf den Straßen fiel ihr Gefährt als eines unter vielen nicht auf.

Am Hafen reihte Mert seinen Wagen in die Schlange der Karren ein, die darauf warteten, ihre Waren beim Hafenmeister anmelden und an den Mann bringen zu dürfen.

Es war eine lange Wartezeit, in der die Sonne endgültig hinter dem Horizont verschwand und den Hafen und die Stadt in Dunkelheit tauchte. Der Handel am Kai ging jedoch im Schein der entzündeten Fackeln unvermindert weiter. Nur allmählich rückten sie in der Schlange auf und kamen dem langgestreckten Gebäude, in dem der Hafenmeister seine Geschäfte leitete, immer näher.

Mert lenkte den Wagen schließlich so dicht an die Bretterwand des Hauses, dass Cridan sie mit ausgestrecktem Arm leicht hätte berühren können.

So gut es bei den diffusen Lichtverhältnissen und unter der Plane hindurch ging, musterte er ihre Umgebung. Ein paar Schritte von ihnen entfernt befand sich eine Tür in der Wand. Sie schien unverriegelt zu sein.

Mert legte die Zügel ab, sprang vom Kutschbock und näherte sich dem Karren hinter ihnen, auf dem ein zusammengesunkener, alter Mann saß. Cridan ließ ihn dabei nicht aus den Augen.

Mert begrüßte den Alten freundlich und fragte dann: »He, weißt du, wie lange der Hafenmeister noch weitermacht? Es ist schon dunkel, und ich habe keine Lust, hier in meinem Wagen zu übernachten.«

Der Alte lachte ein zahnloses Lachen und antwortete: »Na, der macht weiter, bis alle dran waren. Gibt Geld, weißt du?« Er deutete nach hinten.

»Aber es sind ja nur noch eine Handvoll da. Die meisten sind schon wieder abgedreht und werden morgen wiederkommen. Erfahrungsgemäß geht’s auch schneller, je später es wird. Wenn die Händler weg sind, kauft der Hafenmeister die Waren auf und lässt sie ins Lager bringen. Morgen früh wird er sie dann gewinnbringend an den Meistbietenden verscherbeln.«

Mert hob die Brauen. »Und das lasst Ihr Euch gefallen?«

»Ach«, der Alte wiegte den Kopf, »so schlecht zahlt er nicht. Es springt immer noch genug für uns dabei heraus.«

Er sah zu Merts Wagen und rieb sich die Nase.

»Du bist nicht von hier, nicht wahr? Du klingst, als kämst du von draußen«, er deutete aufs Meer hinaus.

Mert lächelte. »Stimmt genau. Ich komme von Gantuigh. Du bist von hier? Dann kannst du mir sicher sagen, wo ich eine anständige Herberge und einen Stall für mein Pferd finde, wenn ich mit dem Hafenmeister einig geworden bin.«

Der Alte grinste breit.

»Aber sicher. Du musst dort entlang«, er drehte sich auf dem Kutschbock seines Karren herum und zeigte nach hinten. »Siehst du da hinten das Licht?«

Mert trat näher an ihn heran. »Welches meinst du? Die Wagen haben ja alle ihre Laternen an.«

»Na, da hinten«, der Alte deutete erneut. »Komm, ich zeige es dir. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit.«

Mert half ihm vom Kutschbock herunter, und der Alte ging mit ihm ein paar Schritte weit die Reihe entlang. Sie hatten ihnen den Rücken zugedreht.

Cridan zögerte nicht lange. Er packte Tiko an der Schulter, machte eine auffordernde Geste, kroch unter der Plane des Wagens hindurch und ließ sich in den Schatten des Gebäudes fallen. Lautlos landete er auf allen Vieren. Kaum einen Herzschlag später folgte ihm Tiko auf demselben Weg.

Ohne ein Geräusch zu verursachen, schlichen sie zwischen dem Wagen und der Wand entlang, bis sie die Tür erreicht hatten. Cridan öffnete sie behutsam ein Stück weiter und dankte im Stillen für die offenbar gut geölten Scharniere, dann schoben sie sich in das dunkle Innere des Gebäudes. Tiko zog die Tür hinter ihnen wieder zu und legte leise den Riegel vor.

Finsternis umgab sie. Nur durch die schmalen Ritzen der roh behauenen Bretter drang Fackelschein von Merts Kutschbock zu ihnen hinein.

Cridan lehnte sich an die Wand, schloss die Augen und lauschte. Er hörte die Stimmen von Mert und dem Alten, die sich ihnen wieder näherten.

»… nicht mehr allzu lange dauern. Es ist nur noch ein Wagen vor mir. Ich sollte aufschließen. Vielen Dank für deine Empfehlung.«

»Nichts für ungut. Pass auf dich auf. Nachts ist es hier am Hafen nicht sicher. Nicht einmal die Stadtwache taucht dann hier auf. Nach Mitternacht sollte man sich hier nicht mehr blicken lassen, wenn man noch alle Sinne beisammen hat.«

»Nach Mitternacht, so?« Merts Schritte verklangen direkt vor der Tür. »Du meinst also, es wäre eine schlechte Idee, sich dann noch hier herumzutreiben? Komm, Brauner, noch ein paar Schritte. Gleich hast du Feierabend.«

Das Klappern von Hufen und das knarrende Poltern der Räder verrieten Cridan, dass Mert mit seinem Wagen weiter vorrückte.

»Eine sehr schlechte«, stimmte der Alte ihm zu. »Es sei denn, du legst Wert auf abgeschnittene Ohren.«

»Schade«, kommentierte Mert. »Weißt du, ich kann schlecht schlafen, und ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, um Mitternacht einen kleinen Spaziergang einzulegen, damit ich müde werde. Ich hatte gehofft, ein wenig am Wasser entlanggehen zu können.«

»Na, wenn du das machst, brauchst du dir keine Sorgen mehr ums Einschlafen zu machen«, kicherte der Alte. »Wohl aber ums Aufwachen! Nein, nein, lass das sein, wenn du auf einen gutgemeinten Rat hören willst. Und nun schau, dass du voran kommst, du bist ja gleich dran. Was heißt, ich auch. Und ich will heute noch nach Hause!«

Cridan öffnete die Augen wieder und sah sich um. Schemenhaft konnte er ihre Umgebung erkennen – stapelweise Kisten, Kästen und Säcke standen um sie herum. Tiko hatte es sich vor einer großen Holzkiste bequem gemacht.

Cridan setzte sich, wo er war, lehnte den Kopf gegen die Bretterwand und beschloss, eine Weile zu dösen. Sie würden mindestens bis Mitternacht warten müssen, das war ihm klar, und wenn alles weiterhin nach Plan lief, würden sie nachts segeln. Es war also nicht verkehrt, schon einmal ein wenig zu schlafen.

Tiko stieß ihn mit dem Fuß an. »Was hast du vor?« zischte er.

Cridan runzelte die Stirn.

»Wonach sieht‘s aus?« gab er ebenso leise zurück. »Ich werde schlafen. Oder hast du einen besseren Einfall?«

Tiko schnitt eine missmutige Grimasse. »Wie kannst du nur so viel schlafen?«

Cridan grinste bloß. Er hatte in den Jahren an Skatarhaks Seite gelernt, dann zu schlafen, wenn er die Gelegenheit dazu bekam. Mindestens genauso oft gab es nämlich Zeiten, in denen Schlafmangel vorherrschte – und die kommenden Wochen auf See würden ihm einiges abverlangen. Er war fest entschlossen, die Zeit, die er noch hatte, zu nutzen.

Also brummte er ein gedämpftes »Weck‘ mich, wenn irgend etwas ist«, zu Tiko hinüber, ließ das Kinn auf die Brust sinken und schloss die Augen.

Unwillkürlich glitten seine Gedanken zum Kampf zurück, und er spürte erneut dieses Gefühl, als hätte er etwas wiedergefunden, das er lange vermisst hatte. Ohne dass er es wollte, legte sich seine Rechte auf den Schwertgriff und schloss sich darum.

Zufrieden bist du, nicht wahr, flüsterte die leise Stimme in ihm. Du kannst es nicht verleugnen. Viel zu lange warst du fort, viel zu lange verbannt in die Sümpfe, aber einen T'han T'hau wie dich kann man nicht brechen! Du bist der ficha'thar, und wehe dem, der sich dir in den Weg stellt!

Cridan schüttelte diesen gleichermaßen befreienden wie beunruhigenden Gedanken ab, verschränkte die Arme vor der Brust und beschloss endgültig, zu schlafen.

Dämonentreue

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