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3.5Erinnern und Wiedereinführen

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Handlungsmotive, Namen von Orten, kleine Gegenstände, geäußerte Gedanken und sonstige Details muss man sich ebenso merken wie die Namen von Personen

Alles ist unser Material. Mit allem können wir spielen.

Unser Zuhören ist erst dann genau, wenn wir uns wirklich erinnern. Wir brauchen das Erinnern für die sinnvolle Fortsetzung der Szenen. Wenn ich mich nicht erinnere, ob die Heldin als Single oder verheiratet etabliert war, ob sie Ärztin oder Köchin war, ob sie alt ist oder jung, wie soll ich dann die Story sinnvoll fortsetzen?

Aber es geht auch um Strukturen, Formen und Muster. Storys wirken (zumindest im westlichen Kulturkreis) erst als abgeschlossen, wenn genügend Motive wiedereingeführt wurden. Selbst eine mittelmäßige Geschichte wirkt „geschlossen“, wenn das Ende dem Anfang ähnelt.23 Setze den Protagonisten am Ende möglichst verändert an die gleiche Stelle, von der er am Anfang gestartet ist, und schon wirkt eure Impro-Geschichte beinahe genial. Eine Story ist mehr als die Aneinanderreihung verschiedener aufeinanderfolgender Handlungen. Eine Story ist die sequenzielle Wiedergabe von Handlungen, deren ausgewählte Verknappung ihnen Sinn verleiht.24

Bei Storys ist die Notwendigkeit des Wiedereinführens von Elementen augenfällig. Aber auch bei nicht-narrativen Formaten, wie dem Roten Faden25 oder dem freien Harold26 ergeben sich Muster, denen wir die Regie überlassen können. Je freier die Form, umso aufmerksamer müssen wir sein für die Emergenz von Strukturen und Mustern. Und Strukturen, Formen und Muster wiederum lassen sich nur dann entfalten, wenn wir bereit sind, zu erinnern und wiedereinzuführen.

Übung „… was uns zurückführt“27

Erzählspiel. Zwei Spieler als Erzähler.

Jeder spricht immer nur einen Satz. Jeder Satz baut möglichst auf dem vorhergehenden Satz auf und fügt eine neue Information hinzu.

Der Spielleiter kann jederzeit rufen: „was uns zurückführt zu …“, woraufhin einer der Spieler ein bereits eingeführtes Element wieder aufgreifen muss.

18 Bei diesem Mini-Format werden von zwei Duos abwechselnd zwei Storys gespielt, bei denen das eine Duo immer dessen letzten Satz als Start für die eigene nächste Szene nutzt

19 „Status“ bezeichnet im Theater nicht den sozialen Status, sondern, verkürzt gesagt, das subtil körperlich kommunizierte Dominanz-Unterwerfungs-Verhältnis zweier Figuren. Ausführlich zum Thema Status: Improvisationstheater. Band 2: Schauspiel-Improvisation.

20 Der Dialog „Streit mit schönen Worten“ von Karl Valentin und Liesl Karlstadt zieht genau aus dem Widerspruch zwischen Gesagtem und Gefühltem seine Komik: Man hört die schönen Worte, aber glaubt eher dem Ton, in dem sie geäußert werden.

21 Gemeint ist natürlich „Spiel“ im weiteren Sinne, nicht beschränkt auf klassische Impro-Spiele. Dazu ausführlicher „Improvisationstheater. Band 4: Finde das Spiel“.

22 Auch Filme und Geschichten nutzen dieses Mittel. Man denke an den dreimaligen Besuch der verkleideten Stiefmutter in Schneewittchen. In Pulp Fiction sehen wir solche Spiele auf der Handlungs-Ebene: So sehen wir den Gangster Vince drei Mal auf der Toilette, und jedes Mal, wenn er von dort zurückkommt, erwartet ihn Unheil.

23 Auch hier lohnt es sich, bekannte Filme nach dieser „Ende = variierter Anfang-Technik“ abzuscannen. Im bereits erwähnten Pulp Fiction bewegen sich Jules und Vincent sowohl zu Beginn als auch am Schluss durch die Stadt, aber eben völlig verändert – äußerlich als auch innerlich. In Der Pate sehen wir, wie zu Beginn dem alten und am Ende dem neuen Mafia-Chef im selben Zimmer auf traditionelle Weise die Ehrerbietung per Handkuss entgegengebracht wird. Adson van Melk und William von Baskerville reiten sowohl zu Beginn als auch am Ende von Der Name der Rose auf ihren Eseln. Aber das in der einen Woche Erlebte hat sie für immer verändert.

24 Siehe Improvisationstheater. Band 5: Impro-Storys.

25 Zur Langform Roter Faden siehe Seite 240

26 Der Harold ist eine Langform, die kollektiv unter der Leitung von Del Close entwickelt wurde. Kern des Formats ist, dass ein vom Publikum vorgegebener Begriff in verschiedenen Szenen und Spiele „untersucht“ wird. Der Harold wird inzwischen in Hunderten verschiedenen Varianten gespielt. Ausführlich dazu: Improvisationstheater. Band 6: Freie Formen und Collagen

27 Wir verdanken dieses Spiel Andrew Hefler aus Budapest.

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