Читать книгу Love@work - Das Tagebuch - Dani Merati - Страница 6
2. Kapitel
ОглавлениеDas war ein Albtraum. Das Worst-Case-Szenario. Er hatte es gewusst. Niemals, niemals hätte er das Tagebuch zur Arbeit mitnehmen dürfen. Saschas Wangen brannten, als wäre Benzin über ihm ausgeschüttet und angezündet worden. So ein verdammter Schlamassel! Sein Herz stolperte verdächtig, die Hände zitterten unkontrolliert, als er in seine Umhängetasche starrte; auf die grausige Abwesenheit dessen, was in den letzten Monaten seine Zuflucht gewesen war.
‚Wieso? Verfluchte Scheiße, warum passiert das ausgerechnet mir? Hab ich nicht schon genug am Hals?‘
Er hatte nach dem Kopieren in der Tasche herumgewühlt, um ein Kaugummi zu suchen, denn ihm klebte immer noch der ekelhafte Geschmack von Martins Sperma am Gaumen. Stundenlanges Mundausspülen und trinken hatte nichts geholfen. Tja, er hatte also seine geliebte Umhängetasche - auch ein Geschenk von Oma - aufgehoben und sofort den erschreckenden Gewichtsverlust derselben bemerkt.
Es war einfach unglaublich. So unglaublich, dass Sascha es zunächst nicht zu fassen vermochte. Während er in Taubers Büro oder im Kopierraum gewesen war, hatte jemand in seine Tasche gefasst und sein Tagebuch gestohlen. Er hatte noch nie gehört, dass jemals ein Mitarbeiter von ‚Green Elefant‘ bestohlen worden war. Er konnte es nicht oft genug wiederholen: Das war ein Albtraum.
Panisch glitt sein Blick zu Martins Office. Ob er ... Nein, der hätte ihn bestimmt schon zu sich zitiert und ... Es sei denn, er plante irgendetwas Perfides! Oh Gott, ihm ging der Arsch gerade mächtig auf Grundeis und er schalt sich zum hundertsten Mal für seine Dämlichkeit. Okay, mal angenommen, es war nicht Tauber, wer kam dann bitte infrage?
Unauffällig wanderte sein Blick durch den großen Raum. Die Pause war lange vorbei, die meisten Mitarbeiter wieder anwesend. Sie telefonierten, liefen aufgescheucht herum, diskutierten mit ihrem Nebenmann kreative Ideen. Normaler Alltag eben. Sein Herz legte noch einen Zahn zu, er wurde immer panischer. Wer zum Henker von seinen Kollegen war ein Dieb?
Seine Augen blieben an Adams offener Bürotür hängen. Der saß hinter dem Schreibtisch, den Kopf gebeugt, Knopf im Ohr und die so weich aussehenden Lippen bewegten sich rapide. Vermutlich ein Kundengespräch. Da war er jedes Mal besonders konzentriert und hatte so bestimmt nicht mitgekriegt, ob jemand an Saschas Tasche gewesen war.
Ein grauenhafter Gedanke kam ihm. Könnte Adam? Nein! Auf keinen Fall! Wie kam er denn auf so eine Schnapsidee? Schuldbewusst senkte er den Kopf, starrte auf seinen überfüllten Schreibtisch. Der Agenturchef würde so etwas Mieses nie tun. Er war ein anständiger Mensch, der käme nie auf so eine verwerfliche Idee. Er traute es auch im Grunde seinen Kollegen nicht zu - wie gesagt, sein Hauptverdächtiger war Martin und wenn der schuldig war ... Kaum auszudenken!
Wieder sah er hoch, warf einen sehnsüchtigen Blick auf seinen Boss. Wie gerne würde er sich ihm vor die Füße werfen, ihm alles beichten und sich von diesem wunderbaren Mann trösten lassen. Als spürte der Agenturchef, dass jemand ihn anschaute, sah er auf. Ihre Augen trafen sich, Sascha ertrank in dem Grau, das ihn anstrahlte. Adam zwinkerte ihm zu, machte eine genervte Geste zum Headset und drehte sich dann in seinem Bürostuhl herum.
Okay, er musste sich beruhigen. Nochmals sah er sich unauffällig um, aber es war ja nicht so, als würde der Schuldige ein Schild tragen: ‚Hey, hier bin ich. Ich bin der Dieb!‘
Gottverdammt, wo hatte er sich da nur reingeritten?
Er plumpste auf seinen Stuhl, rollte vom Tisch ab und lugte darunter. Vielleicht war das Tagebuch ja rausgerutscht. Weit und breit kein Buch zu sehen. Scheiße! Wie sollte er sich jetzt bitte schön auf den Job konzentrieren? Ausgerechnet heute, wo Adam ihm mit dem König-Account eine Möglichkeit gab, sich zu beweisen. Die Welt war so ungerecht.
Sascha rollte zurück an den Schreibtisch heran, schaute noch einmal in seine Tasche und widerstand der Versuchung sie durch das gesamte Büro zu schleudern und zu schreien: „Wer von euch Dumpfbacken hat mich beklaut?“
Gott, das könnte er nie bringen. Schon gar nicht, wenn Adam nur ein paar Meter weiter saß.
Er versuchte, ein Konzept für König auszuarbeiten, aber Sanitärprodukte gingen ihm gerade ziemlich am Arsch vorbei. Er produzierte nur Mist, den man getrost im Klo runterspülen durfte. Zudem wurde er das beklemmende Gefühl nicht los, Augen auf seinem Hinterkopf zu spüren, Laserblicke, die ihm das Hirn durchleuchteten und jedes Geheimnis zerpflückten, das er besaß. Verflucht! Das Tagebuch war auch noch fast vollgeschrieben, beinhaltete viele der unschönen Details mit Martin. Und wenn nun doch Tauber der Übeltäter war?
Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken. Vorsichtig lugte er zu Martins geschlossener Bürotür hinüber. Der hatte die Möglichkeit gehabt, als Sascha im Kopierraum gewesen war und das größte Motiv. Andererseits war er nach einem Blowjob immer träge und rührte sich meistens eine ganze Weile nicht mehr.
In Ordnung, wenn es nicht der Bastard war, was sollte dann schon groß passieren? Wollte jemand den Inhalt breittreten, tat er das eben. Feuern würde man ihn deswegen nicht, schließlich hatte er sich nichts zuschulden kommen lassen. Peinlich wäre es natürlich, aber er überlebte jetzt seit Monaten Taubers Gemeinheiten, schlimmer konnte es gar nicht werden.
‚Doch kann es. Sobald Adam dich voller Verachtung ansieht, weil du mit dieser Ratte fickst!‘
Und dann fiel ihm etwas ein, das seine Laune minimal besserte. In dem Tagebuch erwähnte er weder Namen noch spezifische Orte, niemand vermochte daraus zu erkennen, um wen es sich handelte. Wenn der Langfinger ihn öffentlich anprangerte, müsste er beweisen, dass es um Sascha ging und das war nur möglich, indem er zugab, sein Eigentum entwendet zu haben.
Hah! So dumm war bestimmt keiner. Letztendlich konnte nur Tauber ihm gefährlich werden, falls er der Dieb war, da er aktiv beteiligt gewesen war.
Wesentlich ruhiger wandte er sich wieder seiner Arbeit zu und schaffte es tatsächlich, diesmal halbwegs vernünftige Ideen auszuarbeiten, die Adam zumindest nicht in der Luft zerreißen würde.