Читать книгу Am Ende eines Pfads - Daniel Arkadius Kopczynski - Страница 4
DER ABSCHIED
Оглавление"Ich habe mir das schon so oft durch den Kopf gehen lassen. Glaube mir, Europa ist nicht sicher genug." Er saß neben ihr, seinen starken Arm auf ihrer Schulter ruhend.
Anton war ein Krabbenfischer, hier oben an der Nordsee, in der Nähe von Hedwigenkoog. Zwischen Büsum und St. Peter Ording. Sein Vater und er arbeiteten hart für ihr Brot. Anton arbeitete aber eher für seine Zukunft, die er langsam plante. Heute würde er sie in seine Pläne einweihen. Heute würde er ihr erzählen, worüber er die ganzen Wochen schon so oft nachgedacht hatte.
Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu und Anton saß neben seiner Verlobten auf einer Bank und blickte aufs Meer. Die Sonne leuchtete in tausenden von rötlichen Farben und ein Paar Möwen kreischten in der Luft. Die kühle Seeluft stieg ihm in die Nase und das tat gut.
"Anton, du weißt, ich gehe mit dir, wohin du möchtest. Aber wohin möchtest du denn überhaupt gehen?" Elisabeth sprach sanft auf ihn ein und lächelte. In seine Gedanken versunken, schaute er in ihre tiefen, blauen Augen, die ihn so ehrlich anschauten. Er betrachtete ihre langen, blonden Haare, ihre zarte Haut und ihre sanften Gesichtszüge. Sie war sein ein und alles, sein bester Freund. Mir ihr wollte er weggehen.
"Nach Amerika!" sagte er entschlossen. "Dorthin sind schon so Viele ausgewandert. Sie sagen, dort gibt es Land so fruchtbar, wie das verheißene Land, welches in der Bibel erwähnt wird. Dort wollen wir hin!" Langsam begann er aufzustehen. "Komm, es ist schon spät, ich bringe dich nach Hause."
"Wann?" fragte sie.
"Wann? Na, jetzt. Dein Vater wird sich noch Sorgen machen."
"Nein. Ich meine, wann wollen wir nach Amerika?" Seine grünen Augen leuchteten auf. Sie hatte eingewilligt. Sie hatte ihn wie immer verstanden. Das tat sie immer. Und er wusste, sie dachte genauso wie er. Ja, Amerika. Das Land wo Milch und Honig fließt. Er verstand zwar nichts von Landwirtschaft, aber das würde er schon lernen. Die anderen haben es irgendwann auch gelernt. Die Zeiten waren schlecht, das Meer langweilig. Er wollte weg hier. Etwas erleben. Etwas Großes wagen. Ja, er würde fahren und das sehr bald.
"Wann?", wiederholte er noch einmal. "Ich denke nach den nächsten guten Krabbenfängen. Dann habe ich genug Geld zusammen, um für uns beide die Überfahrt zu bezahlen und um später etwas Land zu kaufen. Zwei, drei Wochen. Aber erstmal zu keinem ein Wort."
"Ja", sagte sie.
An einem der vielen Deiche stand ein altes, mit Reet gedecktes Haus. Der Deich war schon ziemlich alt. Im Jahr 1696 hat man hier alles eingedeicht. Und irgendwann hat Antons Großvater Knut, dieses Elternhaus erbaut. Hier ist schon Antons Vater aufgewachsen. Und nun auch Anton selbst. Seinen Großvater Knut hatte irgendwann die See bei einem schweren Sturm behalten und so musste sich seine Großmutter mit ihrem Kind alleine durchschlagen. Doch zu allem Glück war sein Vater damals schon 17 Jahre alt gewesen und konnte das Krabbengeschäft weiter halten. Antons Vater ging Krabbenfangen und Antons Großmutter verkaufte alles auf dem Markt. Und so hat auch Anton alles von seinem Vater gelernt und so war es bis heute.
Das Haus war von Weitem nicht gleich zu erkennen, weil es schon spät am Abend war. Das Gespräch mit seiner Elisabeth war schon über zwei Wochen her und nun war es auch an der Zeit, seine Eltern in seine Pläne einzuweihen. In der Stube brannte Licht. Man hörte Stimmen von Menschen, die sich ernst unterhielten.
"Jung! Büst du di seker?"
"Ja Vater, ich will nach Amerika. Ich bin jung und habe genug Geld."
Das Gute war, sein Vater hatte immer für ihn Zeit gehabt. Er hatte immer für ihn Verständnis. Anton wusste, sein Vater, aber auch seine Mutter, würden beide nicht wollen, dass er wegfährt. Aber sie würden es akzeptieren. Es war ja sein Entschluss und er war schon ein erwachsener Mann.
"Mutter! Vater! Ich liebe euch, aber ihr müsst es verstehen. Ich möchte etwas wagen. Amerika soll wunderschön sein und groß. Vielleicht fünf Mal größer als Europa oder noch größer, ich weiß es nicht, aber groß."
Seine Eltern sahen ihn nachdenklich an und hielten sich an der Hand.
"Anton, du weetst wi wölen blot dat Best, un dat it neet uns di hier mit Dwang fasthollen, aber wi wölen, dat du ok glückelk büst. Un ist dat neet to gefahrelk, mien Jung?" Seine Mutter schaute ihn besorgt an. Sie war gleich nach Elisabeth, seine beste Freundin. Sie verstand es wahrscheinlich auch, aber sie hatte Angst. Sie hatte immer Angst, wenn er etwas Gewagtes vorhatte. Doch dieses Wagnis musste ihr bestimmt ganz schön zusetzen.
"Es ist nicht weniger gefährlich, als wenn Vater und ich zum Krabbenfang rausfahren und ein Sturm droht. Aber was ist schon ungefährlich, Mutter?"
Nach diesem Gespräch war entschieden, dass Anton und seine Elisabeth tatsächlich auswandern würden. Beide Familien waren sehr betroffen, aber es hatten nicht die einzigen Menschen aus der Gegend, sich dazu entschlossen auf der anderen Seite des großen Teiches, ihr Glück zu versuchen. Nach drei Wochen harter Arbeit war es dann soweit. Anton packte seine Kisten und Elisabeth tat das gleiche. Morgen würden sie alles auf ihren Wagen verladen und sich nach Bremerhaven begeben, um mit einem Dampfer nach Amerika zu reisen. Anton hatte alles sehr gut organisiert und sich rechtzeitig um die Fahrkarten gekümmert. Er war fleißig, zielstrebig und klug. Elisabeth hatte volles Vertrauen in seine Entscheidungen und folgte ihm gern. Und da ihre Eltern die gleiche Meinung über Anton hatten wie ihre Tochter, waren sie auch nicht übermäßig besorgt. Sicher würden die Kinder in diesem Amerika gut zurechtkommen. Davon waren alle überzeugt.