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HOCHZEIT AUF HOHER SEE

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Die Tage vergingen langsam. Die Passagiere an Bord vertrieben sich die Zeit mit Kartenspielen im Spielkasino. Es befand sich im Oberdeck und wurde von vielen wohlhabenden Gästen sehr gut besucht. Anton und seine Verlobte konnten, im Beisein von Henry, an diesem aufregenden Ereignis teilhaben. Während der vergangenen Tage kamen sich die drei näher und Anton wurde mit dem Rechtsanwalt gut Freund. Sie verstanden sich prächtig und schmiedeten schon jetzt gemeinsame Pläne für die Zukunft. Im Laufe dieser Zeit erfuhr Anton von seinem neuen Freund viel über Handelsgeschäfte, über den Verkauf und den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten. Sie waren täglich zusammen und immer in wichtige Gespräche vertieft. Man saß oft zu dritt an einem der großen Tische im Festsaal und redete bis spät in die Nacht.

Eines Abends, Lisa lag schon im Bett, versuchte Anton sie etwas Wichtiges zu fragen, was ihm schon seit geraumer Zeit durch den Kopf ging. Er wollte Lisa heiraten. Und zwar hier auf hoher See.

"Lisa, schläfst du schon?", fragte er. Er stand im Bad vor dem Spiegel und machte sich gerade für die Nacht fertig. Außerdem war er nervös, denn er wusste nicht wie sie auf seine Schnapsidee reagieren würde. Sie waren heute wieder sehr spät in ihre Kabine gegangen, denn man hatte sich ausgiebig über die politische Situation in Europa unterhalten. Er interessierte sich zwar nicht so sehr für Politik, aber er erkannte, dass etwas Grundwissen in diesem Fach ihm in Zukunft vielleicht von Nutzen sein konnte. So hatte er zugehört und versucht, so gut er konnte, sich an dem Gespräch zu beteiligen. Und später am Abend war er kurz an Deck spazieren gewesen, um über seine Heirat nachzudenken und um sich seine Worte gut zurecht zu legen. Doch was würde sie davon halten?

"Ja, Anton?", fragte sie.

"Ich habe in den letzten Tagen über uns nachgedacht. Ich bin zu dem Schluss gekommen, ob wir nicht als Brautpaar in New York von Bord gehen wollen."

Lisa sah ihn überrascht an. Sie hatte gehofft, dass er bald um ihre Hand anhalten würde. 'Doch auf diesem Schiff? Aber weshalb eigentlich nicht? Ja, hier an Bord würden sie heiraten', beschloss sie. Es würde im Grunde etwas Besonderes sein und einen Pastor, Namens Edwards, hatten sie mittlerweile an Bord kennengelernt und verstanden sich mit ihm sehr gut. Durch Zufall kamen er und Lisa am kalten Buffet ins Gespräch. Er machte ihr Komplimente und sie war etwas verwundert darüber, dass sich ein Geistlicher auf diese Weise mit einer jungen Frau unterhielt. An den vielen Abenden, während dieser Überfahrt, sind sie sich nähergekommen und Pastor Edwards machte den Anwalt, Anton und Lisa, mit anderen sehr wichtigen Passagieren bekannt. Lisa erinnerte sich gern an die erste Begegnung…

"Guten Abend, schönes Kind", bemerkte ein Mann, der neben Lisa am Buffet stand und sich geräucherten Fisch auf seinen Teller legte. Lisa sah ihn verwundert an. Vor ihr stand ein Geistlicher in einer schwarzen Soutane und einem weißen Kragenausschnitt am Hals.

"Guten Abend", entgegnete Lisa höflich und errötete.

"Ich muss sagen, Sie beeindrucken mich zum wiederholten Mal. Sie sehen reizend aus und sind doch so zurückhaltend. Ganz anders als die anderen Damen hier an Bord. Diese wohlhabenden Damen machen auf mich den Eindruck, als wenn sie keinen Anstand kennen würden. Sie hingegen sind so…" Er überlegte einen Augenblick und sprach weiter: "…so anders. Wie eine wunderschöne Rose in einem verwilderten Garten. Ich kann es kaum beschreiben."

"Sie machen mir aber Komplimente. Ich weiß gar nicht, wie ich damit umgehen soll", antwortete Lisa und sah etwas zaghaft in seine Augen.

"Keine Angst. Ich wollte Sie mit meinen ehrlichgemeinten Bemerkungen nicht verunsichern. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Pastor Edwards, aus Chicago." Er reichte Lisa die Hand und lächelte freundlich.

"Sehr angenehm. Ich heiße Elisabeth und reise mit meinem Verlobten Anton Gerstenberg nach New York. Wir kommen aus Deutschland, genauer gesagt von der Nordseeküste und möchten in Amerika ein neues Leben beginnen", entgegnete Lisa und lächelte erleichtert, denn sie hatte gleich bemerkt, dass der Pastor ein anständiger Mann zu sein schien.

"Es freut mich, Sie kennenzulernen. Und ich kann Ihnen versichern, dass es kein Fehler war auszuwandern, denn in Europa entwickeln sich die Dinge nicht nach dem Willen Gottes. Der Mensch wird immer selbstsüchtiger und habgieriger. Und er hat überhaupt keine Achtung vor einem Menschenleben. Schauen Sie sich doch an was in Europa los ist! Vorletztes Jahr ist der österreichische Kaiser Joseph I ganz knapp einem Bombenattentat entgangen und letztes Jahr hat jemand versucht Ihren Kaiser Wilhelm I zu töten. Und nächstes Jahr?“ Er machte eine Pause und schloss seine Konversation mit den Worten: "Es wird alles immer schlimmer, meine Dame. Gut, dass Sie und Ihr Zukünftiger sich in die neue Welt aufmachen." Der Pastor verabschiedete sich und ging zu seinem Tisch.

Am nächsten Abend machte Lisa den Pastor mit ihrem Verlobten und Henry Jobbins bekannt und man verbrachte die nächsten Tage zusammen und tauschte sich aus.

Pastor Edwards war hingegen mit einer gewisse Agnes van Burk aus den Niederlanden befreundet, die er wiederum Lisa vorstellte. Lisa und Frau van Burk waren von der ersten Begegnung an, beste Freundinnen. Diese Frau van Burk war eine sehr vornehme Dame. Sie reiste nach Amerika, mit der Absicht eine Organisation für die Anerkennung der Frauen in Politik, Wirtschaft und Bildung zu gründen. Agnes van Burk und Lisa pflegten fortan oft Gesellschaft und hatten sich sehr viel zu erzählen. Man könnte fast sagen Agnes van Burk hatte Lisa als ihre Tochter adoptiert.

'Ob man Pastor Edwards nicht fragen könnte, ob er mich und Anton traut?', überlegte sie. Sie sah Anton an und wusste nicht zu antworten, so gerührt war sie. Anton blickte in ihre Augen und fragte: "Lisa, möchtest du meine Frau werden?"

"Ja, Anton, ich will. Und wie ich es will!", sagte sie erleichtert. Er kam zu ihr ans Bett, nahm sie in seine Arme und sie küssten sich zärtlich.

Am nächsten Tag wurde alles mit Pastor Edwards, dem Kapitän Kurt von Goessel und Henry Scott Jobbins besprochen. Alle waren überrascht und dennoch freute man sich sehr darüber. Henry und Elisabeths neue Freundin Agnes van Burk würden die Trauzeugen sein.

Der Tag der Trauung wurde festgelegt und das Personal des Schiffs begann den Festsaal zu schmücken. Viele Girlanden und bunte Kerzen erleuchteten den großen Saal. Weiße Tischdecken wurden über die Tische ausgebreitet. Das Küchenpersonal arbeitete auf Hochtouren. Das eine Hochzeit auf diesem Schiff gefeiert wurde kam nicht oft vor. Anton und Lisa würden der äußeren Erscheinung nach, keinen sehr vornehmen Eindruck machen aber es würde sich schon etwas Passendes zum Anziehen finden.

Die Zeit war gekommen, eine Rede von Pastor Edwards wurde gehalten, man betete und sang und am Schluss wurde das Jawort gegeben.

Und so kam es, dass die Besatzung und ein Teil der Passagiere des Schnelldampfers "Elbe" an einer Hochzeitsfeier auf hoher See teilnehmen durften.

Am nächsten Morgen des Jahres 1884, erschien die Stadt New York am Horizont.

Am Ende eines Pfads

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