Читать книгу Führung ist keine Raketenwissenschaft - Daniel Mehde - Страница 8
ОглавлениеKommunikationslegastheniker
von Daniel Mehde
Zu wenig und zu viel
Die Liste an Klagen von Mitarbeitern, die sich über ihre Führungskräfte beschweren, ist lang:
■ Sie kommunizieren nicht ausreichend.
■ Wichtige Informationen werden nicht weitergeben.
■ Sie sind viel zu selten ansprechbar.
■ Es finden viel zu viele schlecht organisierte Meetings statt.
■ Es wird von oben herab gesprochen.
■ Es wird nicht erklärt, wohin die Reise gehen soll.
■ Es wird heute dieses und morgen etwas anderes gesagt.
■ Es finden keine Mitarbeitergespräche oder nur sehr kurze und wenig erhellende statt.
■ Es wird kein Feedback gegeben. Falls doch, ist es nur Gemecker und keine konstruktive Kritik.
■ …
Die Liste an Klagen, die Führungskräfte über ihre Teams und Mitarbeiter haben, ist natürlich ähnlich lang:
■ Ich arbeite in einem Kindergarten!
■ Meine Mitarbeiter finden immer nur Gründe und keine Lösungen!
■ Es wird sich dauernd nur beklagt, aber keiner spricht Probleme offen an!
■ Ich bekomme kein Feedback von meinem Team!
■ Die Mitarbeiter reden hinter dem Rücken übereinander!
■ Die Mitarbeiter beteiligen sich in Meetings nicht!
■ …
Das Thema Kommunikation ist so umfänglich, und die Probleme, die damit verbunden sind, sind so mannigfaltig, dass es schwer ist, es einzugrenzen. Letztlich haben alle Interaktionen in einem Unternehmen mit Kommunikation zu tun. Deshalb geht hier auch besonders viel schief.
Beziehungsebene
Ein Hauptgrund für das Scheitern von Kommunikation im beruflichen Kontext ist meiner Meinung, dass immer noch viel zu oft die Beziehungsebene ignoriert wird. Dass Kommunikation laut dem Eisbergmodell eine Sach- und eine Beziehungsebene hat, dürfte den meisten Menschen bekannt sein. Das Eisbergmodell ist so elementar und so oft beschrieben worden, dass ich es an dieser Stelle nur kurz in Erinnerung rufen will. Die Sachebene macht laut diesem Modell nur einen kleinen Teil der Kommunikation aus. Der weitaus größere Teil menschlicher Kommunikation findet unter der Wasseroberfläche auf der Beziehungsebene statt. So weit, so klar. Und dennoch ist es manchmal faszinierend zu sehen, wie wenig Bedeutung dieser Ebene geschenkt wird. Auf der Beziehungsebene wirken Dinge wie Gefühle, Sympathie und Antipathie, Erfahrungen, die ich gemacht habe, Vorurteile, die ich habe, und Faktoren wie Stress beziehungsweise Entspannung. Diese Aspekte beeinflussen maßgeblich unsere Interaktion mit unseren Mitmenschen.
Wenn ich zum Beispiel als junger Ingenieur frisch von der Uni als Führungskraft in einen Produktionsbetrieb komme, wo ich auf erfahrene Meister treffe, die seit vielen Jahren in dem Bereich arbeiten, kann in Sachen Kommunikation vieles schiefgehen. Die langjährigen Mitarbeiter haben wiederholt die Erfahrung gemacht, dass Schlauberger von der Uni überheblich sind, nur über theoretisches Wissen verfügen und von der Praxis keine Ahnung haben. Außerdem wird oftmals vermutet, dass der Neue versucht, auf Kosten des Teams Karriere zu machen, und in zwei Jahren sowieso wieder weg ist. Die gute Arbeit von vielen Jahren werde nicht wertgeschätzt, so lautet häufig die Meinung der Alteingesessenen, stattdessen wolle der junge Ingenieur neue und unrealistische Ideen einbringen, die sowieso nicht funktionieren. Das haben die erfahrenen Mitarbeiter schon mehr als einmal erlebt. Und warum sollte es diesmal anders sein?
Wenn Sie jetzt als hochmotivierter, junger Ingenieur eine Führungsposition in diesem Bereich übernehmen, werden Sie wahrscheinlich auf jede Menge Ressentiments, Unwillen und Widerstand stoßen. Sie haben die Mitarbeiter noch nicht richtig kennengelernt und ihnen auch noch nichts getan, und trotzdem ist die Kommunikation schon getrübt. Wenn Sie jetzt nicht aufpassen, werden Sie bildlich gesprochen mit dem Eisberg kollidieren. Ein guter Ansatz ist, mit viel Wertschätzung für geleistete Arbeit aufzuwarten. Auf der langjährige Erfahrung der Mitarbeiter sollten Sie aufbauen. Sie haben zwar neue Ideen und eine breit aufgestellte Kenntnis über die theoretischen Zusammenhänge. Die Kollegen verfügen aber über unbezahlbares Erfahrungswissen. Aus diesem Grund ist es ratsam, viele Fragen zu stellen, und den Wissensfundus des Teams auch wertzuschätzen und zu nutzen. Ich empfehle jungen Führungskräften, am Anfang viel zuzuhören, ehrliches Interesse an den bisherigen Arbeitsabläufen zu zeigen, und sich mit bahnbrechenden und neuen Ideen sowie Veränderungsimpulsen ein wenig Zeit zu lassen. Die Welt verändern und zu einem besseren Ort zu machen können Sie immer noch.
Um Wertschätzung geht es nämlich in diesen Fällen immer. Wenn beide Seiten Wertschätzung vermissen lassen, ist das der beste Weg, um in Demotivation und Konflikte abzudriften.
Wenn man sich nicht wertgeschätzt fühlt, begeht man leider häufig den Fehler, dies nicht direkt anzusprechen, sondern mit Trotz oder Aggression darauf zu reagieren. Die Mitarbeiter werden immer bockiger und freuen sich, wenn die neuen Ideen des Chefs nicht umsetzbar sind.
Der neue Chef fühlt sich dann häufig nicht ernst genommen, zieht die Machtkarte und wird autoritär. Dies kann sich zu einem Teufelskreis entwickeln.
Uns begegnen im Arbeitsalltag viele Situationen, in denen es nicht um die Sachebene, sondern vielmehr um Macht geht nach dem Motto „Das stimmt. Aber wenn ich ihm jetzt recht gebe, dann hat er ja gewonnen!“ oder „Der darf mit seiner guten Idee nicht schon wieder Erfolg haben, sonst kriegt er noch einen Höhenflug!“.
In vielen Firmen kommt es vor allem darauf an, wer eine gute Idee jeweils hat, wobei ein Ranggefälle zu beobachten ist. Ist es ein Mitarbeiter, der eh ständig mit der Führungsriege aneckt, wird eine Idee oft als nicht umsetzbar bewertet, sprich die Kosten dafür sind auf einmal zu hoch oder der Plan ist insgesamt viel zu zeitraubend. Hat wiederum ein sogenannter „Chef-Chef“ – also ein höherer Vorgesetzter – dieselbe Idee, grenzt sie an Genialität und kann umgesetzt werden.
So sind schon viele Verbesserungsvorschläge von Mitarbeitern „minderen Rangs“ in der Schublade verschwunden. Nach Monaten werden sie dann auf einmal an anderer Stelle und von einer anderen Person mit mehr Sternen auf den Schulterklappen wieder eingebracht …
Auf diese Weise geht wertvolle Zeit verloren – Zeit, die immer auch Geld ist.
Meta-Management
Da die Beziehungsebene unsichtbar ist, muss man sie sich von Zeit zu Zeit ins Blickfeld bringen. Das kann man zum Beispiel tun, indem man einen bewussten Reflexionsprozess einleitet und sich die Frage stellt: „Wie gut bin eigentlich im Kontakt mit meinen Mitarbeitern?“ Ein weiteres gutes Mittel ist, sehr wachsam zu sein, was die kleinen atmosphärischen Schwingungen angeht. Meistens entwickeln sich Konflikte aus kleinen Befindlichkeiten oder Unzufriedenheiten.
Wenn Kommunikation schwierig wird, ist in den seltensten Fällen dafür die Sachebene verantwortlich. Sobald ich merke, dass mein Gespräch gerade nicht optimal läuft beziehungsweise gelaufen ist, sollte ich mir also Gedanken machen, welchen kommunikativen Eisblock ich unter Wasser gerade gerammt habe. Ging es in dem Gespräch gerade wirklich um sachliche Themen oder eher um Machtspiele? Finde ich den Mitarbeiter unsympathisch und bin deswegen so abweisend zu ihm? Lasse ich meinen Stress gerade an meinem Umfeld aus? Das sind alles gute Fragen, die man sich von Zeit zu Zeit stellen sollte. Dieses Meta-Management ist für eine Führungskraft ein Schlüssel zum Erfolg.
Wertschätzung bezeichnet die positive Bewertung eines anderen Menschen. Sie gründet auf einer inneren allgemeinen Haltung anderen gegenüber und betrifft einen Menschen als Ganzes. Sie ist eher unabhängig von Taten oder Leistung.
Nehmen Sie sich die Zeit und reflektieren Sie, wie Sie zu Ihren Kollegen, Kunden oder Mitarbeitern in puncto Beziehungsebene stehen. Ob das einmal am Tag oder einmal in der Woche ist, spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass Sie aus der Helikopter-Perspektive Ihre Interaktionen mit Ihrem Umfeld analysieren und ehrlich zu sich selbst sind. Bei schwierigen Kommunikationspartnern bietet sich das besonders an.
Je besser Ihre Beziehungsebene ist, desto weniger Querelen werden Sie im Miteinander haben. Wenn Sie eine gute Beziehung zu Ihren Mitarbeitern haben, fällt es diesen auch schwerer, Sie anzulügen, Sie zu hintergehen, unverhältnismäßige Forderungen zu stellen, sich hängen zu lassen oder blauzumachen. Der „Return on Invest“ auf diesem Gebiet ist riesengroß, versprochen. Oder anders ausgedrückt: Sie werden viel Zeit, Geld und Nerven verschwenden, wenn Sie es nicht tun.
Gespaltene Persönlichkeiten
Ein sehr schönes Erklärungsmodell für die menschliche Kommunikation bietet das Modell der Ich-Zustände der Transaktionsanalyse. Die Transaktionsanalyse (TA) ist eine psychologische Theorie der menschlichen Persönlichkeitsstruktur und wurde von dem amerikanischen Psychiater Eric Berne begründet. Die Transaktionsanalyse bietet eine ganze Reihe von einfachen Modellen, die komplexe psychologische Vorgänge und Phänomene erklären und die Komplexität der Realität reduzieren.
Der große Vorteil ist, dass man mit diesen einfachen Modellen schnell arbeiten und sich und die Situation, in der man gerade steckt, reflektieren kann.
Die Transaktionsanalyse geht davon aus, dass wir uns in verschiedenen Ich-Zuständen „aufhalten“ können. Wir haben, wenn man so will, eine „gespaltene Persönlichkeit“. Was auffällt ist, dass wir uns in verschiedenen Situationen ganz unterschiedlich verhalten können: Bei einem Vorstellungsgespräch sprechen und geben wir uns ganz anders, als wenn wir zum Beispiel auf dem Sportplatz sind. Und sind wir das erste Mal bei unseren zukünftigen Schwiegereltern – gewissermaßen ja auch ein Vorstellungsgespräch –, verhalten wir uns wahrscheinlich anders als abends mit Freunden in der Kneipe. Das heißt, wir haben ein großes Verhaltensrepertoire. Die Transaktionsanalyse geht davon aus, dass wir unsere Kommunikation und unser Verhalten aus verschiedenen Ich-Zuständen steuern.
Das Eltern-Ich
Im Eltern-Ich sind alle Dinge gespeichert, die wir in den ersten Lebensjahren von unseren Eltern, Großeltern, Lehrern und anderen Bezugspersonen aufnehmen. Es ist eine Art Festplatte im Gehirn, wo wir zum Beispiel Regeln, die wir als Kinder oft gehört haben wie „Putz dir die Zähne, räum dein Zimmer auf, sei höflich zu Erwachsenen“ etc. abspeichern. Zusätzlich sind im Eltern-Ich auch Werte, wie beispielsweise Ehrlichkeit, Fleiß, Pünktlichkeit usw. verankert, die wir ebenfalls von unseren Bezugspersonen in den ersten Lebensjahren vermittelt bekommen.
Auch unsere Glaubenssätze sind in diesem Bereich verortet. Das hat nichts mit Religion zu tun, sondern bezieht sich auf die Dinge, die wir über das Leben zu wissen meinen, aber eigentlich nur glauben beziehungsweise uns konstruiert haben. Dabei hat jeder von uns unterschiedliche Glaubenssätze. Manche haben vielleicht den Glaubenssatz „Wer sich anstrengt, kann alles erreichen!“ und ein anderer vielleicht „Man kann sich anstrengen, wie man will, man bekommt doch nur Knüppel zwischen die Beine geworfen!“. Für den einen wie für den anderen fühlen sich die jeweiligen Glaubenssätze absolut richtig an und beeinflussen jeweils die Sichtweise auf das Leben. Vorurteile sind weitere Elemente, die im Eltern-Ich abgelegt sind. Diese übernehmen wir meist ungefragt aus unserem Elternhaus und reflektieren sie, wenn wir Glück haben, im späteren Leben.
Kind-Ich
Passend zum Eltern-Ich gibt es das Kind-Ich. Im Kind-Ich liegen unsere Bedürfnisse und Gefühle. Wenn Sie also gerade einem Ihrer Kollegen am liebsten etwas gegen den Kopf werfen wollen oder Ihren Chef aus Verzweiflung am liebsten anschreien möchten, ist die Chance groß, dass Ihr Kind-Ich in diesen Situationen stark aktiviert ist.
Im Kind-Ich ist aber auch der Humor angesiedelt. Wenn man zum Beispiel seine Kollegen mit Witzen unterhält oder wenn Sie ein Schreibtischstuhlrennen über den Büroflur veranstalten, dann sind Sie ebenfalls im Kind-Ich-Modus.
Das Erwachsenen-Ich
Das Erwachsenen-Ich steht im wahrsten Sinne zwischen dem Eltern- und dem Kind-Ich und fungiert quasi als „Vermittler“. Das Erwachsenen-Ich hat die Aufgabe, eine rollen-, situations- und altersgemäße sowie vernünftige Verhaltensweise herbeizuführen. Da wir verschiedene Rollen in unserem Leben innehaben wie zum Beispiel Kollege, Fußballtrainer, Mutter oder Vorsitzende im Buchklub und in unterschiedliche Situationen geraten, versucht das Erwachsenen-Ich zu ermitteln, was eine vernünftige, altersgemäße Verhaltensweise oder ein angemessener Kommunikationsstil in der momentanen Situation wäre.
Leider ist das Erwachsenen-Ich häufig nicht „angeschaltet“, selbst wenn man es eigentlich von unserem Alter her von uns erwarten könnte. Ein Grund dafür ist, dass es sehr anstrengend sein kann, sich „vernünftig“ zu verhalten. Es ist viel leichter auf dem Sofa Fernsehen zu schauen und Chips zu essen, als sich zum Sport aufzuraffen und danach einen gesunden Salat zu essen. Wir brauchen ein gewisses Maß an Energie, um unser Erwachsenen-Ich zu aktivieren. Das gelingt uns häufig nicht, wenn wir gestresst, müde oder nicht gut drauf sind. Deswegen fällt uns gerne im Nachhinein ein, was man besser hätte sagen sollen oder was man lieber gelassen hätte.
Das Erwachsenen-Ich ist häufig bei uns nicht „angeschaltet“. Ein Grund dafür ist, dass es sehr anstrengend sein kann, sich „vernünftig“ zu verhalten. Wir brauchen sozusagen Energie, um unser Erwachsenen-Ich zu aktivieren.
Automatik-Modus
Ein weiterer Grund, warum es schwierig ist, erwachsen zu agieren, ist, dass das Eltern-Ich und Kind-Ich die viel älteren „Systeme“ sind. Sobald wir auf der Welt sind agieren wir im Kind-Ich. Unsere Bezugspersonen reagieren darauf in der Regel mit Eltern-Ich-Interaktionen und -Verhaltensweisen. Wir sind eine derartige Kommunikation einfach gewohnt, es sind sehr ausgeprägte Muster in unserem Verhaltens- und Kommunikationsrepertoire.
Erst viel später bilden wir das Erwachsenen-Ich aus, es ist also unser weniger vertrautes „System“.
Unabhängig vom Alter befinden wir uns permanent in einem dieser drei Ich-Zustände und steuern so unsere Interaktion mit der Außenwelt. Kleine Kinder leben natürlich in erster Linie Kind-Ich-Zustände aus. Aber auch Dreijährige können schon sehr gut Eltern-Ich-Botschaften äußern und wie ein kleiner Professor klingen oder die eigenen Eltern streng auf Fehlverhalten hinweisen: „Papa, das sagt man nicht!“ Die Informationen, die wir mit der Zeit aufnehmen und im Eltern-Ich speichern, lassen sozusagen das Eltern-Ich wachsen, erst später entwickelt sich dann das Erwachsenen-Ich.
Nun schadet es nicht gerade, wenn man mit zunehmendem Alter den Zustand des Erwachsenen-Ichs als „Piloten“ für das eigene Handeln und Kommunizieren wählt. Leider geraten wir im Alltag häufig in Situationen, bei denen wir und unsere Mitmenschen keine Spur von erwachsenen Kommunikations- und Verhaltensweisen zeigen. Damit wären wir bei den Beispielen vom Anfang: „Ich arbeite in einem Kindergarten“, „Alle wollen immer nur recht haben“, „Man wird von oben herab behandelt“ usw. Das sind alles Situationen, bei dem das Erwachsenen-Ich wenig bis gar nicht beteiligt ist.
Wenn ich das Gefühl habe, dass wir ein Kindergarten sind, prägt wahrscheinlich in der Tat zu viel Kind-Ich-Verhalten das Miteinander: Alle sind bei ihren eigenen Bedürfnissen, sind egoistisch, haben Befindlichkeiten, sind neidisch, haben keine Lust oder sind nur an dem eigenen Spaß orientiert. Niemand wagt, offenes und angemessenes Feedback zu geben, stellt die eigenen Bedürfnisse für ein gemeinsames Ergebnis hinten an oder gönnt den Kollegen auch mal einen Erfolg.
In den Diskussionen, bei denen wir vor allem Rechthaberei und Eigenprofilierung erleben, ist zu viel Eltern-Ich im Raum, sodass es nicht mehr um die Sache geht, sondern nur noch um das Gewinnen.
Wenn ich von der Chefin oder dem Chef von oben herab belehrt werde oder vor versammelter Mannschaft bloßgestellt werde, sind das in der Regel auch Eltern-Ich- und Kind-Ich-Interaktionen.
Was folgt aus diesen ersten Erkenntnissen?
Stellen Sie sich zuallererst die Frage: „Was habe ich dazu beigetragen, dass die Situation so geworden ist? Was will ich eigentlich genau sagen und wie kann ich meine Bedürfnisse angemessen äußern?“ Nutzen Sie das Modell: In welchem Ich-Zustand bin ich gerade, und in welchem ist mein Gegenüber?
Sie werden sehen, dass Sie allein schon durch das nüchterne Reflektieren der Situation und das Analysieren der Ich-Zustände mehr Handlungsfähigkeit erlangen und Ihre erwachsenen Anteile stärken werden.
Im Alltag
Wenn wir uns die Kommunikation zwischen Menschen anschauen, stellen wir ganz häufig fest, dass wir nicht das Ergebnis bekommen, was wir eigentlich haben wollen, sobald wir mit anderen Menschen sprechen. Warum das so ist, erklären wunderbar die Kommunikationsregeln der Transaktionsanalyse.
Nehmen wir ein praktisches Beispiel aus dem Alltag. Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Ein Supermarkt in der Mittagszeit, es ist nur eine Kasse geöffnet, und die Schlange ist endlos. Am Ende der Schlange stellt sich eine junge Frau im Business-Outfit mit vielen Waren auf dem Arm an, und man merkt an der Körpersprache, dass sie es sehr eilig hat. Die Kundin eröffnet ein Gespräch mit der Kassiererin mit den Worten: „Können Sie mal eine weitere Kasse aufmachen, es gibt Leute, die müssen arbeiten!“ Der Ton ist hierbei erkennbar von oben herab und sehr fordernd vorgetragen.
Wenn wir uns das Modell der Transaktionsanalyse vor Augen führen, kann man feststellen, dass es sich hierbei um eine Eltern-Ich-Transaktion handelt, die sich vom Eltern-Ich der Kundin an das Kind-Ich der Kassiererin richtet. Die Kundin schießt regelrecht einen Pfeil in das Kind-Ich der Kassiererin mit dem Ziel, dass die Kassiererin schnell gehorcht wie ein artiges Kind und ihren Kollegen oder ihre Kollegin zum Öffnen einer zweiten Kasse herbeiruft. Die Kassiererin wird jetzt also im Kind-Ich angesprochen – gewissermaßen „angetriggert“ – und reagiert vermutlich auch im Kind-Ich-Modus. Aber nicht so, wie die Kundin es sich wahrscheinlich gewünscht hatte, höflich und angepasst, sondern mit den trotzigen Worten: „Nö, mach ich nicht!“
Mit dieser Antwort schießt die Kassiererin einen Pfeil zurück aus dem Kind-Ich in das Eltern-Ich der Kundin. Diese fühlt sich dadurch im Eltern-Ich bestärkt und geht weiter in die Offensive: Sie führt das Gespräch mit weiteren Eltern-Ich-Transaktionen fort, woraufhin die Kassiererin immer trotziger reagiert. Das Ganze ist für die anderen Kunden zu 50 Prozent peinlich und zu 50 Prozent amüsant.
Diese Art der Kommunikation hat dazu geführt, dass die Kundin irgendwann ihre Waren, die sie kaufen wollte, zur Seite legte, sich vorbeidrängelte und direkt zur Kassiererin ging mit den Worten: „Sagen Sie mir Ihren Namen, ich werde mich bei der Geschäftsleitung über Sie beschweren!“ Darauf antwortete die Kassiererin: „Den sag ich Ihnen nicht, den müssen Sie schon lesen!“ Wobei sie auf ihr Namensschild zeigte.
Fliegende Pfeile
Was man mit diesem Beispiel wunderbar verdeutlichen kann, ist die erste Kommunikationsregel der Transaktionsanalyse: Fliegen die Pfeile parallel zwischen den Ich-Zuständen hin und her, kann das Gespräch endlos weitergehen. Es sagt nichts über die Qualität oder den Erfolg der Kommunikation aus, sondern zeigt lediglich, dass diese Art von Gespräch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortgesetzt werden kann, frei nach dem Motto: „Mach ich nicht!“ „Doch, das machst du!“ „Nö, mach ich nicht!“ „Und ob du das machst!“
Das Problem an derartigen Kommunikationssituationen ist, dass keiner der Beteiligten in den Modus des Erwachsenen-Ich findet. Hätte die Kassiererin auf die schönen Worte der Kundin – „Können Sie mal eine weitere Kasse aufmachen, es gibt Leute, die müssen arbeiten!“ – zum Beispiel geantwortet „Es tut mir leid, wir sind im Moment unterbesetzt, ich werde aber so schnell wie möglich kassieren. Bitte gedulden Sie sich noch einen Augenblick“, dann hätte die Kassiererin aus ihrem Erwachsenen-Ich einen Pfeil in das Erwachsenen-Ich der Kundin geschossen. Somit hätten sich die Transaktionspfeile gekreuzt. Das ist die zweite Kommunikationsregel der Transaktionsanalyse: Kreuzen sich die Pfeile, gibt es entweder einen Gesprächsabbruch oder die Beteiligten müssen den Ich-Zustand wechseln. Das heißt in diesem Fall, die Kundin wäre auch ins Erwachsenen-Ich gewechselt. Dann hätten die beiden Frauen ein vernünftiges Gespräch auf Augenhöhe führen können. Das haben sie aber nicht getan. Mit dem Ergebnis, dass die Kundin ihr Ziel, schnell Waren einzukaufen, nicht erreicht hat und die Kassiererin mit rotem Kopf verärgert an der Kasse saß und sich im Nachhinein wahrscheinlich noch eine Standpauke von der Filialleitung anhören musste. Eine klassische Lose-Lose-Situation, aber trotzdem sehr vertraut, was das Aufeinandertreffen von uns Homo sapiens angeht.
„Parallele Transaktionen“
bedeutet, dass der adressierte Ich-Zustand antwortet und sich auch wieder an den sendenden Ich-Zustand wendet.
„Gekreuzte Transaktionen“
finden statt, wenn jemand eine Ich-Position des Gegenübers anspricht, der aber anders reagiert, indem er aus einer anderen Ebene heraus antwortet. „Gekreuzte Transaktionen“ zielen darauf, Gesprächen eine neue Wendung zu geben.
Nur Eltern-Ich und Kind-Ich
Natürlich kann man nicht nur zwischen Eltern-Ich und Kind-Ich Dialoge führen, sondern sich zum Beispiel auch von Eltern-Ich zu Eltern-Ich unterhalten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn zwei Männer sich gegenseitig die Welt erklären und beide den Rechthabermodus – um nicht zu sagen: den Klugscheißermodus – benutzen. Solche Situationen sind uns aus dem Arbeitsalltag sehr bekannt, beispielsweise wenn Besprechungen endlos dauern, weil zwei Parteien die bekannten Argumente zum zehnten Mal auf andere Art und Weise wiederholen, und der Rest der Teilnehmer die Augen verdreht und auf die Uhr guckt.
Man kann auch von Kind-Ich zu Kind-Ich kommunizieren. Das sind zum Beispiel Situationen, in denen Humor benutzt wird und man sich gegenseitig etwas auf die Schippe nimmt. Wenn Sie den neuen Azubi mit der Aufgabe betrauen, eine Schubkarre mit Spannungsabfall, Gewichte für die Wasserwaage oder ein WLAN-Kabel zu besorgen, dann tun sie das aus dem Kind-Ich heraus. Wenn beide Kommunikationspartner trotzig reagieren, ist das ebenfalls eine Kind-Ich-Kommunikation: „Nee, das mach ich nicht!“ „Also ich mach das auch nicht!“ „Gut dann machen wir es halt beide nicht!“ „Mir doch egal!“ „Mir sowieso!“ Und so weiter und so fort …
Kind-Ich-Kommunikation ist aber auch sehr wertvoll, da Ungezwungenheit und Humor im Arbeitsalltag auch wichtig sind. Mit netten Kollegen und in einem guten Team ist man immer wieder im Kind-Ich-Modus, da das gemeinsame Lachen und Ausgelassensein ungemein wichtig für das Teamklima sind. Versuchen Sie bitte nicht, immer nur vernünftig zu sein. Das könnte schnell langweilig werden und demotivierend auf ihr Team wirken.
Es kommt nicht selten vor, dass dieser Kind-Ich-Spieltrieb überzogen wird und langfristig zu Missstimmung und Konflikten führt. Ich hatte vor einiger Zeit das Vergnügen, einen Workshop mit Ausbildern, alle männlich und im gesetzten Alter, durchzuführen. Die Teammitglieder zeichneten sich dadurch aus, dass sie permanent lustige Sprüche, kleine Provokationen und scheinbar humorvolle Sticheleien untereinander austauschten. Ständig wurde über einen der Anwesenden hergezogen. Oder es wurden unsachliche Kommentare gemacht. Jeder war mal an der Reihe, veräppelt zu werden, aber einige deutlich öfter als andere. Es herrschte eine Stimmung wie auf der Klassenfahrt der 6B der Mario-Barth-Gesamtschule. Der Humor hatte dabei aber auch eine leichte aggressive Note, da die Kommunikation immer auf die Spitze getrieben wurde, bis es einem der Beteiligten zu viel wurde. Dann kippte die Stimmung, und es wurde mit Vorwürfen und Verteidigung reagiert. Das berühmte „Bis einer heult“-Gehabe konnte man hier geradezu „vorbildlich“ beobachten.
Letztendlich hemmte diese Art von Kommunikation die ernsthafte Auseinandersetzung mit wichtigen Themen sowie die Bereitschaft, sich gegenseitig ehrliches Feedback zu geben, und Missstände im Team anzusprechen.
Eine Führungskraft hat die Verantwortung, ein Vorbild zu sein mit dem eigenen Kommunikationsverhalten und somit ein gutes Teamklima aufzubauen. Die Bereitschaft, sich gegenseitig ehrliches Feedback zu geben und Missstände im Team anzusprechen, sinkt sonst erheblich.
Es war wichtig, die Gruppendynamik und die dysfunktionale Kommunikation zu analysieren sowie die Muster aufzubrechen. Gerade eine Führungskraft hat in solchen Fällen die Verantwortung, ein besseres Teamklima aufzubauen und mit der eigenen Kommunikation ein Vorbild zu sein. Nicht selten sind Entscheider mit der eigenen Art zu kommunizieren ursächlich dafür verantwortlich, dass sich eine solche negative Dynamik überhaupt erst entfalten kann. Manchmal macht man auch bei solchen Spielen mit, um dazuzugehören und nicht die Spaßbremse zu sein. Man sollte aber ein gutes Auge darauf haben, wann dieses Verhalten im Team kontraproduktiv wird, und ob noch alle „mit an Bord“ sind. Viele Mitarbeiter lachen auch einfach nur mit, obwohl sie es schon seit geraumer Zeit total nervig finden, aber keine Spielverderber sein wollen.
Erwachsenen-Kommunikation auf Augenhöhe
Im Alltag – ob beruflich oder privat – zahlt es sich aus, wenn wir unseren Gesprächspartnern auf Augenhöhe begegnen und Erwachsenen-Botschaften senden. Vor allem in schwierigen Gesprächen ist das von Vorteil, da wir sonst regelrecht den anderen in einen für uns ungünstigen Ich-Zustand drängen. Wir piksen sozusagen mit unserem Verhalten und unserer Transaktion in einen bestimmten Ich-Zustand des Gesprächspartners und kommen so eventuell in eine ungünstige Dynamik, da seine Reaktion bei uns wiederum den entsprechenden Ich-Zustand verstärkt.
Sie werden nicht verhindern können, dass bestimmte Aussagen des Gegenübers Sie in einem bestimmten Ich-Zustand „antriggern“. Wenn Sie zum Beispiel von oben herab behandelt werden, leuchtet bei Ihnen zum Beispiel der rebellische Teil im Kind-Ich auf. Das können Sie erst einmal nicht verhindern. Was Sie aber vermeiden können, ist, dass auch Sie nach dem Kind-Ich-Schema antworten beziehungsweise Ihr Verhalten auf diese Weise steuern. Wenn Sie versuchen, kurz innezuhalten und durchzuatmen und dann nicht automatisch eine Kind-Ich-, sondern eine Erwachsenen-Botschaft senden, kann sich Ihr Verhalten sehr positiv auf den Gesprächsverlauf und Ihren Erfolg im Leben auswirken.
Dabei gelingt es nicht immer, im Erwachsenen-Ich-Modus zu kommunizieren. Dazu sind die inneren Muster viel zu stark verankert. Zudem braucht jeder von uns ein gewisses Maß an psychischer Energie, um dieses Reflexionsvermögen aufzubringen. Das schaffen wir weniger gut, wenn wir gestresst sind. Auch wenn die Interaktionsmuster mit einem Gesprächspartner schon nachhaltig festgefahren sind, fällt uns der Wechsel der Kommunikationsstrategie weniger leicht.
Was hier hilft, ist, das Gespräch vorzubereiten und sich einige Erwachsenen-Botschaften beziehungsweise Sätze „auf Halde“ zu legen und sich gedanklich mit Satzbausteinen zu bewaffnen.
Die Frage „Was habe ich dazu beigetragen, dass der andere sich so verhält?“ ist ebenfalls eine gute Vorbereitung.
Wie immer im Leben fallen uns die Dinge leichter, wenn wir sie häufiger machen beziehungsweise je öfter wir einmal Erlerntes anwenden.
Ehrlichweise sollte auch erwähnt werden, dass man natürlich nicht jeden Menschen in den Erwachsenen-Modus und ein Gespräch auf Augenhöhe bringen kann. Bei einigen Mitmenschen gewinnt man rasch den Eindruck, dass sie sich gedanklich nur im trotzigen Kind-Ich aufhalten. Wer so ein Verhalten seit 55 Jahren täglich praktiziert, wird sich wahrscheinlich nicht durch drei oder vier Erwachsenen-Botschaften in eine eigenverantwortliche, vernunftbegabte und hoch geachtete Stütze der Gesellschaft verwandeln.
Deswegen ist Erwachsenen-Ich-Kommunikation auch nicht immer die Lösung. In seltenen Fällen bekommen wir vielleicht auch mit klaren Ansagen aus dem Eltern-Ich bessere Ergebnisse. Das bedeutet aber nicht, dass wir es nicht erst einmal mit Erwachsenen-Botschaften versuchen sollten.
Oft ist es auch nur eine faule Ausrede, viele Eltern-Ich-Botschaften zu verwenden nach dem Motto: „Bei dem Mitarbeiter geht das nicht anders.“ Viele Führungskräfte machen es sich zu einfach, wenn sie ausschließlich auf diese Strategie setzen oder sich sogar besonders führungsstark fühlen, je häufiger sie mit Eltern-Ich-Botschaften agieren.
Diese fast schon militärisch geprägte Art zu kommunizieren stößt bei den jüngeren Generationen auf immer weniger Gegenliebe und wird deswegen in Zukunft noch weniger Erfolg bringen.
Da wir glücklicherweise nicht immer auf pathologische Fälle stoßen, sondern die „krassen Verhaltensweisen“ in unserer Wahrnehmung nur präsenter sind, ist es sinnvoll, die anderen erst mal über die Erwachsenen-Ich-Kommunikation anzusprechen. Die meisten Menschen wünschen sich ein wertschätzendes Gespräch auf Augenhöhe.
Feedback
Vielleicht kennen sie diese Aussagen oder haben selbst schon mal etwas ähnliches gesagt: „Feedback bekommen wir gar nicht.“
„Mein Chef gibt einmal im Jahr im Mitarbeitergespräch Feedback, was ich vor einem halben Jahr falsch gemacht habe … Das hätte ich gerne schon mal eher gehört!“
„Ich habe mir mal mit Feedback den Mund verbrannt, das mache ich nicht noch mal.“
„Man wird nach Feedback gefragt, und dann passiert eh nichts!“
„Ich sage immer ehrlich heraus, was ich denke. Mir doch egal, wie das bei den anderen ankommt!“ „Kritisiert wird viel, gelobt wird wenig bis nie!“
Mit dem Thema Feedback ist es komisch: Der Begriff wird in der heutigen Zeit geradezu inflationär gebraucht, und überall wird man um Feedback gebeten beziehungsweise muss Bewertungen abgeben. Dennoch fehlt es häufig an Feedback oder man bekommt wenig konstruktive Rückmeldungen.
Warum ist das so? Eine gute Frage, auf die es wahrscheinlich viele Antworten gibt. Ein Grund für fehlendes Feedback ist aus meiner Sicht, dass es anstrengend ist, Feedback zu geben. Man weiß nicht genau, wie man es formulieren soll, und man weiß erst recht nicht, wie der andere darauf reagiert. Zudem entsteht im Gespräch auch eine größere Nähe, sobald man seine Wahrnehmungen schildert und Gefühle beschreibt. Mit Leuten, die nerven, möchte man diese Form der „Intimität“ nicht teilen. Deswegen regt man sich lieber bei einem Kollegen über den anderen auf.
Ein weiterer Grund dafür, dass Feedback oft vermieden wird, ist, dass viele Leute schlechte Erfahrungen damit gemacht haben, weil sie zum Beispiel im Anschluss an eine Stellungnahme Nachteile für ihre Ehrlichkeit in Kauf nehmen mussten oder zumindest vermuten, dass es an ihrem Feedback lag.
Auf jeden Fall ist fehlendes Feedback eine der Hauptursachen für einen schlechten Teamspirit, für unerfüllte Erwartungen und Konflikte innerhalb eines Teams. So verhält es sich in fast allen Unternehmen. Auch in denen, die in ihrem Leitbild eine aktive Fehler- und konstruktive Feedback-Kultur proklamieren. Die Realität sieht leider oft anders aus, als die bunten Image-Broschüren vermuten lassen.
Feeback-Regeln
„Jetzt bitte nicht schon wieder die Feedback-Regeln“, sagen Sie jetzt vielleicht. Die Feedback-Regeln sind zwar schon tausendmal gehört, aber auch millionenfach nicht umgesetzt worden. Wenn man in einem Seminar die Frage „Sind Ihnen die Feedback-Regeln bekannt?“ stellt, sagen fast alle „Klar!“. Das Problem ist, dass das leider meistens nur rudimentär stimmt. Es sind irgendwelche Bruchstücke von Regeln bekannt, und häufig ist die erste Feedback-Regel, die den Führungskräften einfällt: „Sachlich bleiben!“ Sachlich bleiben ist aber schwierig, wenn die Rückmeldung über Dinge erfolgen soll, die im Eisbergmodell unter der Wasseroberfläche liegen. Wenn ich mich zum Beispiel über etwas ärgere oder enttäuscht über ein Verhalten bin, kann ich schwerlich nur auf der Sachebene eine Rückmeldung geben. Es ist klar, dass mit „sachlich bleiben“ eigentlich „nicht ausfallend oder beleidigend werden“ gemeint ist. Das ist richtig. Nur habe ich die Erfahrung gemacht, dass „sachlich bleiben“ vor allem folgende Praxis meint: Ein Feedback wird nur auf der Sachebene gegeben, aber die Emotionen oder Bedürfnisse werden nicht an- und besprochen.
Der Fehler beginnt meistens schon am Anfang: Man ist gerade im „Zerstörermodus“ und will jemanden einfach zur Schnecke machen. Oder man fühlt sich in dem Moment als armes Opfer und kommt weinerlich daher. Vielleicht leidet man auch am akuten Erbsenzählersyndrom und referiert kleinlich über die vielen Fehler des Gegenübers. Man geht also schon mit der falschen Grundhaltung in das Gespräch, also nicht mit einer Plus-plus-Haltung. Um dies zu verhindern wurden Feedback-Regeln erfunden.
Die Feedbackregeln sind eine Methode der „Themenzentrierten Interaktion“ (TZI).
Die TZI ist ein Konzept zur Arbeit in Gruppen. Ziel ist soziales Lernen und persönliche Entwicklung. Sie wurde Mitte der 1950er-Jahre in den USA von der Psychologin Ruth Cohn entwickelt.
Feedback-Regeln sollen einem Akteur dabei helfen, einen Kommentar so zu formulieren, dass der Betroffene die Rückmeldung auch annehmen kann. Denn Aussagen wie „Müller, geben Sie sich mehr Mühe, da muss mehr kommen!“ oder „Kannst du einmal was ordentlich machen?“ führen ja meistens nicht dazu, dass sich ein Gesprächspartner beim anderen für das wertvolle Feedback bedankt und dann sofort eine Verhaltensänderung einleitet. Das Gegenteil ist häufig der Fall: Derjenige, der das Feedback bekommt, ist verärgert und fühlt sich herabgesetzt. Und der Feedback-Geber denkt sich hinterher: „Ich habe es ja angesprochen, aber das hat eh nichts gebracht …“
Also sollte man ein Feedback so formulieren, dass die Mitmenschen damit auch etwas anfangen können. Denn wie heißt es so schön: Feedback ist ein Geschenk! Aber oft sehr schlecht verpackt, sodass der Empfänger es gerne umtauschen möchte.
Ich-Botschaften senden
Häufig werden Sätze gesagt wie „Du hörst mir nicht zu!“ oder „Du bringst nie den Müll runter!“.
Diese Du-Botschaften werden als Vorwurf oder Angriff verstanden. Durch die Verwendung des Wortes „Du“ wirkt der Satz wie eine charakterliche Zuschreibung und allgemeingültige Aussage, aber nicht wie eine Wahrnehmung, die eine bestimmte Person in diesem Moment hat. Die Aussage wirkt also schärfer, als sie eigentlich oft gemeint ist. Da Druck in der Regel Gegendruck erzeugt, ist die Reaktion auf der Gegenseite meist eine Rechtfertigung oder Verteidigungshaltung.
Aus diesem Grund ist es besser, Ich-Botschaften zu senden, also ein Feedback aus der Ich-Perspektive zu formulieren. „Ich habe gerade den Eindruck, dass du mir nicht zuhörst.“ „Ich habe jetzt dreimal hintereinander den Müll raugebracht, und ich würde es gut finden, wenn du es das nächste Mal machst.“ Sie merken schon, im letzten Satz ist auch ein „Du“ enthalten, aber die Aussage insgesamt ist aus der Ich-Perspektive gesprochen und wirkt dadurch wie eine individuelle Wahrnehmung, die ich persönlich habe, und nicht wie eine allgemeingültige Festschreibung. Jeder hat seine eigene Wahrnehmung. Die Katze mag Mäuse, ich nicht …
Sie werden sehen, dass diese kleine Umstellung der Aussage von „Du“ auf „Ich“ eine große Wirkung hat.
Verallgemeinerungen vermeiden
„Du hast immer die Fernbedienung.“ „Immer entscheidest du alles.“ „Nie lässt du mich ausreden.“ „Jedes Mal schmeißt du deine Klamotten hierhin.“ Diese Beispielsätze sind mit wunderbaren Verallgemeinerungen garniert. Nie, immer, alle, jedes Mal etc. sind verbale Brandbeschleuniger, die jeden Streit die nötige Schärfe verleihen. Gerade in privaten Konflikten benutzen wir diese Wörter sehr gerne. Das Problem daran ist, dass Verallgemeinerungen die Sache größer machen als sie eigentlich ist. Wenn ich sage „Du kommst immer zu spät“, heißt das übersetzt, dass die Person in seinem gesamten Leben nicht einmal irgendwo pünktlich gewesen ist. Auf eine solche Aussage reagieren die meisten zu Recht ungehalten, da sie nicht der Wahrheit entspricht. Es gibt auch Chefs, die beim Zuspätkommen eines Mitarbeiters einfach „Mahlzeit!“ sagen, aber das ist ein anderes Thema …
Viel besser ist es also auf Verallgemeinerungen zu verzichten und das Feedback hingegen genauer zu beschreiben. „Ich habe mitbekommen, dass du jetzt zweimal hintereinander zu spät gekommen bist, und ich möchte dich bitten, morgen pünktlich zu erscheinen.“ Mit so einer Aussage kann man doch viel besser leben.
Konkrete Situation beschreiben
Häufig wird Feedback sehr allgemein geäußert, da heißt es dann zum Beispiel „Du musst ordentlicher arbeiten“ oder „Du machst zu viele Fehler“. Mit solchen Aussagen kann der Feedback-Nehmer oft nichts anfangen, da dieser nicht genau weiß, auf welchen Umstand sich die Rückmeldung genau bezieht. Am besten ist es, wenn man eine kritikwürdige Situation zuerst beschreibt und die eigene Wahrnehmung der Lage schildert. Je konkreter die Aussagen sind, desto besser. So hat der Feedback-Nehmer die Möglichkeit, sich die Situation zu vergegenwärtigen und die Sicht des anderen besser nachvollziehen zu können. Ein Feedback-Geber hat sich ja meist schon lange mit einer bestimmten Situation, die er kritisieren will, beschäftigt. Der entsprechende Interaktionspartner hat häufig aber noch nicht einmal bemerkt, dass der andere sich über sein Verhalten geärgert hat oder sich davon beeinträchtigt fühlt. Aus diesem Grund muss ein Feedback-Geber den Gesprächspartner erst in die Situation holen, um ihm die Möglichkeit zu geben, die Kritik auch nachvollziehen zu können.
Wahrnehmung und Gefühle widerspiegeln
Nachdem der Feedback-Geber die konkrete Situation beschrieben hat, kann er seine Wahrnehmung und Gefühle zum Ausdruck bringen und erläutern, warum das Verhalten des anderen seiner Meinung nach ungünstig war. Dies ist der Teil, der häufig im Arbeitsleben zu kurz kommt. Wir reden in der Regel ungern über Gefühle, bleiben lieber vermeintlich sachlich und orientieren uns an Zahlen, Daten, Fakten. Sehr häufig geht es aber leider überhaupt nicht um die Sachebene, sondern um Emotionen: Ich habe mich zum Beispiel über ein bestimmtes Verhalten des anderen geärgert. In diesem Fall ist eine Rückmeldung nötig, und diese gebe ich dem anderen am besten, indem ich meine eigenen Wahrnehmungen und Gefühle widerspiegele. Der Vorteil daran ist, dass mein Feedback so mehr Wirkung entfaltet, da Gefühle bei meinem Gegenüber persönliche Betroffenheit erzeugen. „Ehrlich gesagt habe ich mich darüber geärgert. Ich war enttäuscht, weil du mir zugesagt hattest, dass du das machen würdest. Ich habe mich deswegen wie ein Idiot gefühlt.“ Diese Aussagen erzielen eine Wirkung, und der andere kann besser nachvollziehen, warum ich mich überhaupt aufrege. Außerdem kann keiner sagen, dass ich falsch liege. Wie ich mich fühle oder wie meine Wahrnehmung ist, weiß ich nun mal am besten. Der andere kann vielleicht sagen, dass er das nicht wollte, er kann aber nicht sagen, dass ich mich so nicht gefühlt habe.
Zeitnahes Feedback geben
Aus Coach-Sicht muss man eigentlich gegen zeitnahes Feedback sein. Die meisten Aufträge bekommen wir, weil kein zeitnahes Feedback in Teams und Abteilungen, zwischen Mitarbeitern und einer Führungskraft erfolgt. Die meisten atmosphärischen Störungen, Konflikte und schlechte Teamarbeit resultieren aus dem Umstand, dass eine Kritik nicht rechtzeitig erfolgt ist. Das kennt wahrscheinlich jeder: Man ärgert sich über einen Kollegen, spricht ihn aber nicht an, sondern redet mit einem anderen Kollegen über ihn. „Der Heinz kriegt doch nichts auf die Reihe …“ Wenn Heinz um die Ecke kommt, grüßen wir freundlich und lästern weiter, sobald er weg ist. Wir sprechen nicht miteinander, sondern übereinander.
Das ist aus zwei Gründen fatal: Erstens liegt hier ein Fall von selektiver Wahrnehmung vor.
Wenn uns ein Kollege auf die Nerven geht, verengt sich unser Fokus immer mehr auf die negative Wahrnehmung des anderen. Uns fällt häufig nur noch Störendes auf. Wenn der Kollege irgendetwas gut macht, nehmen wir es gar nicht wahr, sondern warten nur noch auf seinen nächsten Fehler. Der liebe Kollege, den wir gerade auf dem „Kieker“ haben, merkt natürlich, dass wir in der letzten Zeit irgendwie komisch geworden sind. Er spricht uns aber auch nicht an, sondern verengt seine Wahrnehmung ebenfalls auf unser negatives Verhalten. Irgendwann haben wir dann alle genügend Furchtbares über den jeweils anderen gesammelt, sodass entweder gar keine Kommunikation mehr stattfindet oder die kleinste Kleinigkeit reicht, um einen handfesten Streit zu erzeugen.
Der zweite Grund, warum es fatal ist, auf zeitnahes Feedback zu verzichten, ist, dass wegen diesem zwischenmenschlichen Zwist zweier Personen mit der Zeit ganze Teams und Abteilungen auseinanderbrechen können. Jede Seite sucht sich jeweils Verbündete, die sie in der eigenen Wahrnehmung bestärken. „Du hattest doch auch schon mal Probleme mit Heinz, oder?“ Wenn man Ja sagt, gehört man zum Team. Fällt die Antwort negativ aus – „Ich habe mit Heinz keine Probleme“ –, landet man schnell auf der Feindesliste.
Nun ist es ja völlig klar, dass man nicht immer sofort In der Lage ist, ein Feedback zu geben. Manchmal ist der Augenblick unpassend, manchmal ist man emotional zu aufgebracht, ab und zu fehlt vielleicht auch der Mut, direkt Dinge anzusprechen, die stören. Wenn ich mich auf dem Weg nach Hause immer noch über eine bestimmte Situation ärgere oder deshalb sogar abends vor dem Einschlafen noch aufgebracht bin, ist es in den meisten Fällen sinnvoll und eine gute Regel, ein klärendes Gespräch mit dem betreffenden Kollegen oder der Führungskraft zu führen. Dabei ist es sinnvoll, sich im Vorfeld schon Gedanken zu machen, was und wie ich ein Problem genau ansprechen will.
Unter vier Augen
Vor einer Gruppe kritisiert zu werden, empfinden die meisten Menschen wahrscheinlich als wenig angenehm. Vielmehr empfinden sie so einen Umstand als Gesichtsverlust oder fühlen sich beschämt, was wiederum zu Abwehrreaktionen führen kann. Dadurch erzielt das Feedback nicht seine gewünschte Wirkung.
„Manchmal muss man einen öffentlich hängen, um eine Botschaft an die gesamte Belegschaft zu senden!“ Ich würde diese Ansicht allerdings nicht als regelmäßige Führungsmethode empfehlen. „Leading by Terror“ ist kein langfristig tragbares Erfolgskonzept, sondern führt lediglich dazu, dass die Mitarbeiter versuchen, keine Fehler zu machen und nicht aufzufallen. Kreativ und innovativ kann man so als Team oder Firma nicht agieren. Ein Feedback sollte – vor allem wenn es kritisch ausfällt – besser unter vier Augen gegeben werden. Bei öffentlichem Lob ist ebenfalls Vorsicht geboten: Ob das – sicher gut gemeinte – öffentliche Lob für einen einzelnen Mitarbeiter oder eine einzelne Mitarbeiterin die richtige Wirkung entfaltet, ist keineswegs sicher. Häufig löst es sogar den gegenteiligen Effekt aus: „Warum werde ich nicht gelobt, ich war genauso fleißig? Der versucht sich eh immer nur beliebt zu machen!“ Die Folge ist, dass der Gelobte sich nicht gut fühlt, in diese Situation gebracht worden zu sein, und alle anderen Mitarbeiter sauer sind, dass die Chefin oder der Chef ihre großartige Leistung nicht sieht. Die Führungskraft hingegen glaubt, dass sie alles richtig gemacht hat, weil das Loben und die Wertschätzung an sich ja so wichtig sind …
Verstehen Sie mich nicht falsch, loben sie Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ausgiebig und oft. Machen Sie dies aber bitte auch möglichst konkret und im Vieraugengespräch. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.
Den richtigen Moment abpassen
Feedback – vor allem wenn es ein wenig kritisch oder heikel ausfällt – sollte natürlich zum richtigen Zeitpunkt geäußert werden. Wenn mein Gegenüber gerade im Stress oder sowieso heute nicht gut drauf ist, sollte ich einen ruhigen Moment abpassen, um meinen Kommentar loszuwerden. Ich persönlich hasse es, wenn es sowieso augenblicklich hektisch ist und ich mich vielleicht noch über mich selbst ärgere, ein qualitatives und konstruktives Feedback von meinen lieben Mitmenschen zu bekommen. Manchmal ist es in so einem Fall besser, gegen die Regel „zeitnahes Feedback geben“ zu verstoßen und lieber einen anderen Zeitpunkt für ein Gespräch ins Visier zu nehmen.
Oft ist in Ratgeberbüchern zu lesen, dass man fragen soll, ob ein Feedback erwünscht ist oder man ein Feedback geben darf. Das kann man aus meiner Sicht gerne machen, ich würde allerdings keine Muss-Regel daraus machen wollen. Die Frage wirkt manchmal etwas aufgesetzt und wird in der Regel ja sowieso mit „Ja, klar!“ beantwortet, selbst wenn dies gar nicht der Wahrheit entspricht. Denn im Grunde genommen handelt sich hierbei um eine rhetorische Frage, die man sich auch sparen kann. Ich finde die Frage „Hast du eine Sekunde Zeit, kann ich mit dir kurz sprechen?“ etwas weniger aufgesetzt und eleganter. Entscheiden Sie selbst …
Auch Positives zurückmelden
Der Standard in Unternehmen scheint die Sandwich-Methode zu sein: Erst etwas Positives mitteilen, dann etwas Negatives, und dann wieder mit etwas Positivem enden. Ich bin kein Fan dieses Verfahrens. Das Problem daran ist, dass es mir sehr schwerfällt, etwas Positives über meinen Interaktionspartner zu sagen, wenn ich mich gerade richtig ärgere und voller negativer Emotionen bin. Häufig werden dann sowieso nur Allgemeinplätze geäußert – und das ist kein authentisches Feedback. Ob diese Methode also die gewünschte Wirkung entfaltet, wage ich zu bezweifeln.
Außerdem folgt daraus, dass viele Mitarbeiter schon in Habachtstellung geraten, sobald sie gelobt werden. „Was habe ich jetzt schon wieder angestellt?“, denken dann viele, denn die Erfahrung hat sie gelehrt, dass im Anschluss an ein Lob auf jeden Fall auch Kritik geäußert wird. Diese Vorgehensweise entwertet damit sowohl ein ehrlich gemeintes Lob als auch das jeweilige Feedback.
Besser ist es, das Gespräch mit etwas Positivem zu beenden oder generell auch mal nur eine positive Rückmeldung zu geben, statt diese gleich wieder zu relativieren.
Lösungsmöglichkeiten
und Verbesserungsvorschläge besprechen
Es ist schon erstaunlich, wie häufig immer wieder dieselben Probleme besprochen werden, ohne dass nach konkreten Lösungen gesucht wird. In manchen Konferenzen werden jedes Mal die gleichen Themen angeschnitten, ohne dass ein konkreter Plan beschlossen wird, wie das Problem behoben werden oder man zumindest der Lösung einen Schritt näherkommen kann.
Was Feedback anbelangt, verhält es sich auch oft so. Es wird nicht besprochen, welches Verhalten besser wäre oder was man sich in Zukunft wünscht. Apropos wünschen: Die Formulierung „Ich würde mir wünschen, dass …“ wird von vielen Führungskräften inzwischen recht inflationär gebraucht. Häufig ist dies eine Einladung für die Mitarbeiter, nichts zu tun. Wünsche gehen selten in Erfüllung. Deswegen kann man ruhig häufiger auch einfach etwas „erwarten“ oder „dringend darum bitten“. „Wünschen“ klingt häufig zu sehr nach „Der Chef war auf einer Schulung“ oder „Der greift wieder mal nicht durch und kann sich nicht durchsetzen“.
Stattdessen sollte man im Idealfall mit dem Feedback-Nehmer besprechen, wie man sich die Zusammenarbeit oder die gemeinsame Kommunikation in Zukunft vorstellt. Mit dem Blick in die Vergangenheit sollte man sich nicht allzu lange aufhalten.
Kurzfassen und Verantwortung übernehmen
„Kurz ist gut“, sagt der Volksmund. Das gilt auch für ein gelungenes Feedback. Kurz und bündig sollte man die eigenen Punkte vorbringen und sich dann mit der Zukunft beschäftigen. Bitte nicht endlos ausführen, was im vergangenen Jahr so alles aufgefallen ist, zum Beispiel im jährlichen Mitarbeitergespräch im Dezember die 30 Kleinigkeiten aufzählen, die seit Januar passiert sind. Das ist das Gegenteil von Motivationsförderung. Selbst wenn Sie 30 Punkte hätten, konzentrieren Sie sich bitte auf zwei bis drei wichtige Dinge oder machen Sie mehrere Gespräche daraus. Der Feedback-Nehmer kann sich sowieso nicht alles merken.
Plus-plus-Haltung und Erwachsenen-Ich
Diese Feedback-Regeln sind aus meiner Sicht die wichtigsten, ihre Auflistung erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es kommt nicht darauf an, dass man alle diese Regeln immer beachtet. Sie bieten eine Formulierungshilfe, wie man es schaffen kann, Feedback mit der richtigen Haltung rüberzubringen. Die richtige Haltung ist – wie schon erwähnt – das Entscheidende bei dem ganzen Unterfangen: Will ich eine echte, wertschätzende Rückmeldung oder will ich jemanden zusammenstauchen? Will ich Augenhöhe oder will ich die Herabsetzung des anderen? Will ich meine Wut, Frustration, Angst an jemandem auslassen oder will ich wertschätzende Zusammenarbeit und eine aufrichtige Auseinandersetzung mit meinem Gegenüber? In welchem Ich-Zustand formuliere ich das Feedback? Bin ich wirklich im Erwachsenen-Ich?
Letztendlich sind die Feedback-Regeln eine Formulierungshilfe, um aus der Plus-plus-Haltung heraus Erwachsenen-Ich-Kommunikation zu betreiben.
Viel zu oft kritisieren wir die Persönlichkeit des anderen und nicht das gezeigte Verhalten. Aus diesem Grund ist auch das Annehmen von Feedback für viele so schwierig. Sie fühlen sich in ihrer Persönlichkeit angegriffen. Das dem anderen gegenüber geäußerte Feedback lautet dann: „Dein Verhalten fand ich nicht gut.“ Beim Gegenüber kommt auf der anderen Seite aber Folgendes an: „Du bist ein schlechter Mensch. Ich mag dich nicht.“ Wir müssen diesem Phänomen leider ins Auge sehen, da es Menschen gibt, die mit Feedback schlecht umgehen können. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Nur kann das nicht bedeuten, dass wir auf Feedback verzichten. Dann wird ja gar nichts besser …
Feedback bekommen
Für den Fall, dass wir selbst Feedback bekommen, gibt es auch einige Regeln zu beachten, aber zum Glück nur wenige. Die wichtigste lautet: ruhig zuhören und nicht rechtfertigen. Während es mit dem ruhig Zuhören meistens noch recht gut funktioniert, sieht es mit dem „Nicht rechtfertigen“-Part schon ganz anders aus. Viele Menschen haben einen extrem hohen Rechtfertigungsdrang, wenn sie kritisiert werden. Selbst wenn das Feedback noch so wertschätzend und perfekt formuliert ist, ist es für manche Leute sehr schwer, sich nicht erklären zu dürfen. „Ich hatte ja auch keine Zeit!“ „Wenn du wüsstest, wie viel Stress Ich habe!“ „Das war alles ganz anders!“
Das Problem am Rechtfertigen ist, dass ich schnell so wirke, als ob ich mich herausreden will und das Feedback gar nicht annehmen werde. Das führt dazu, dass die Person, die gerade so nett war, mir Feedback zu geben, das Gefühl hat, sie hätte das Ganze auch einem Parkscheinautomaten erzählen können. Das hat zur Folge, dass ich wahrscheinlich nicht so schnell wieder Feedback bekomme. Außerdem wirke ich nicht gerade souverän. Souverän zu wirken ist meiner Ansicht nach aber ein sehr wünschenswertes Ziel und hilfreich für den Führungsalltag.
Das Feedback, das ich bekomme, erst mal so hinzunehmen und hinterher zu entscheiden, ob man davon etwas annehmen kann oder will, ist die deutlich bessere Taktik. Wenn sie wissen, dass sie hierbei Probleme haben, kann das ein Hinweis darauf sein, dass das eigene Selbstwertgefühl ausbaufähig ist.
Was natürlich erlaubt ist, ist, Verständnisfragen zu stellen und nachzufragen, in welcher Situation genau der Feedback-Geber mein Verhalten so wahrgenommen hat. Was genau an meinem Verhalten hat ihm nicht gefallen? Jede Detailfrage, die Ihnen hilft, das Feedback besser nachvollziehen zu können, ist gestattet. Verwechseln Sie aber „Verständnisfragen stellen“ nicht mit solchen Fragen wie: „Ist dir etwa noch nie ein Fehler unterlaufen?“ Das wäre dann wieder eine Ausrede, und somit kann ich Sie auf den vorhergehenden Absatz verweisen …
Die wichtigste Regel ist: ruhig zuhören und nicht rechtfertigen. Viele Menschen haben aber einen hohen Rechtfertigungsdrang, wenn sie kritisiert werden. Das verringert die Chance in Zukunft Feedback zu bekommen.
Auf einen Blick
■ Wer (richtig) spricht, dem kann geholfen werden! Sprechen Sie viel mit Ihren Mitarbeitern, und bauen Sie einen guten Kontakt auf.
■ Auf der Beziehungsebene laufen die wirklich wichtigen Dinge ab. Nehmen Sie diese Ebene bewusst wahr, und sorgen Sie für eine gute Beziehungsebene.
■ Versuchen Sie nicht, Probleme auf der Sachebene zu lösen, die auf der Beziehungsebene liegen. Das ist zum Scheitern verurteilt oder erzeugt maximal kurzfristig Ruhe.
■ Sprechen Sie mit Ihrem Umfeld auf Augenhöhe. Benutzen Sie, wann immer es geht, den Erwachsenen-Ich-Zustand.
■ Nutzen Sie die Chance des zweiten Gesprächs! Wenn Sie in den „rustikalen bis rabiaten“ Gesprächsstil abgedriftet sind, sollten Sie nach einer Weile in einem erneuten Gespräch die Dinge im Erwachsenen-Modus wieder geraderücken.
■ Feedback, Feedback, Feedback! Fast immer ist das Problem, dass wir zu wenig oder zu spätes Feedback geben und einfordern.
■ Reflektieren Sie die Kommunikation mit Ihren Mitarbeitern. In welchem Ich-Zustand bin ich, in welchem Ich-Zustand ist mein Gegenüber?
Gerade bei schwierigen Gesprächspartnern kann das Modell sehr aufschlussreich sein und beinhaltet schon die Lösung: Wahrscheinlich sollten Sie mehr Erwachsenen-Ich-Kommunikation betreiben!