Читать книгу Thomas Tuchel - Daniel Meuren - Страница 8

Оглавление

MIT AL PACINO ZUM SIEG ÜBER DIE BAYERN

Psychotricks und Regeln brechen

Das erste Training verläuft bemerkenswert unspektakulär. Die Beobachter, gleich ob Journalisten oder die für Mainzer Verhältnisse recht zahlreichen, gut fünf Dutzend Kiebitze, haben ein Feuerwerk an revolutionären Übungen erwartet, die Übungseinheit eines jungen Fußballlehrers, der meint, sich beweisen zu müssen. Aber Tuchel ist viel mutiger. Er wagt die Einfachheit. Der Trainer kommt unprätentiös mit einer Stoppuhr und einer Trillerpfeife um den Hals auf den Trainingsplatz, spricht kurz zu seiner neuen Mannschaft, und dann sieht man eine halbe Ewigkeit lang Profis, die sich Bälle ganz simpel über sieben oder acht Meter zuspielen und sich dabei ihre Namen zurufen. Die Einheit vermittelt den Eindruck eines Kennenlernspiels in einer bunt zusammengewürfelten Jugendmannschaft. Doch die Übung hat ihren Sinn. Tuchel hat unter anderem zwei große Defizite bei seinem Team ausgemacht: Das Passspiel ist ihm zu lasch, entsprechend hört man ihn in dieser wie in den Trainingseinheiten der folgenden Wochen immer wieder das Wort „schärfer“ über den Platz schreien. Jeder Pass soll so scharf gespielt werden wie möglich und nötig. Und die Namensnennung beim Passspiel soll dafür sorgen, dass eine in der Krise mit dem Vorgänger verstummte Mannschaft dazu findet, dass die Spieler wieder miteinander sprechen. „Ich weiß noch, dass nach dem Training viele gesagt haben, der macht jetzt Schüler- oder Jugendtraining“, sagt Christian Heidel. „Aber die Mannschaft dachte das überhaupt nicht. Tuchel kam gut an, seine Ansprache kam an. Vor dem Training hat er mit der Mannschaft fünf Minuten geredet – da war der Jugendtrainer in die Kabine gekommen. Und als die Mannschaft aus der Kabine rauskam, war er der Profitrainer.“ Tuchel zeigt vom ersten Moment an ein Charisma, mit dem er die Mannschaft für sich gewinnt.

Andreas Ivanschitz beurteilt das aus Sicht eines damaligen Führungsspielers ähnlich. „Das waren schon spannende Tage“, erinnert sich der damalige Topverdiener im Mainzer Kader. Gut drei Wochen zuvor ist der 25-jährige österreichische Nationalspieler als erfahrener Stareinkauf verpflichtet worden. Er soll als Spielgestalter das Herzstück des Mainzer Teams werden. „Die Entlassung von Andersen war dann erst mal ein Schock. Es wird ja schließlich jener Trainer gefeuert, der dich geholt hat. Und du entscheidest dich ja auch wegen Gesprächen mit dem Trainer und dessen Ideen für einen Transfer. Dazu bist du bei einem Bundesliganeuling. Es gibt sicher angenehmere Situationen“, sagt Ivanschitz. „Aber dann schwemmte Thomas Tuchel diese ganze Angst, diese Bedenken mit seinem ersten Auftritt weg. Er kam als junger Trainer in die Kabine und hat mit seiner Ausstrahlung und Lockerheit die Zweifel genommen. Er strahlte und hatte Bock auf den Job. Er war bereit. Das spürte man einfach. Spätestens auf dem Platz war dann jeder von ihm überzeugt. Die ersten Stunden in der Kabine und auf dem Platz waren einfach beeindruckend. Mir hat das direkt die Unsicherheit genommen.“

Tuchel registriert mit feinem Gespür, dass der erste Auftritt vor seiner neuen Mannschaft gelungen ist. Er stellt sich schon am selben Tag einem Interview mit der FAZ. Damals ist er noch offen für solche Gespräche, die ihn schon drei Jahre später zu langweilen beginnen, als er sich mehr und mehr auf die Pflichtveranstaltungen für Trainer beschränkt. „Heute war ein schöner Tag für mich“, sagt er. „Ich habe mich auf den Job gefreut. Und das kann man mit einem Lachen zeigen. Dann kriegt man auch ein Strahlen zurück. Wenn die Spieler das so bemerkt haben, ist das ein gutes Zeichen.“ Wenige Tage später reflektiert er seinen beruflichen Aufstieg noch einmal etwas ausführlicher. „Ich profitiere von einer absolut glücklichen Fügung. Es war für mich schon Glück, so sehr wertgeschätzt zu werden als Trainer der A-Junioren. Sicher war auch wichtig, dass der Verein bei Jürgen Klopp mit einer ähnlichen Entscheidung gute Erfahrungen gemacht hat“, sagt er. „Ich kenne viele andere gut ausgebildete Trainer, die das Glück noch nicht hatten. Wir haben uns auf den Tagungen der U19-Trainer immer wieder gefragt, wie man in den Profibereich kommt, ohne die obligatorischen Länderspiele und Bundesligaeinsätze im dreistelligen Bereich. Da gehört einfach Glück dazu, einen Verein zu haben, der sich was traut. Ich glaube, dass mein Werdegang bei fast keinem anderen Verein möglich gewesen wäre.“

Tuchel rechtfertigt das Vertrauen umgehend. Vier Tage nach seinem Dienstantritt läuft eine völlig andere 05-Elf auf, als zum Saisonauftakt Bayer Leverkusen in Mainz zu Gast ist. Thomas Tuchel beginnt seine Laufbahn als damals jüngster Trainer der Bundesliga ausgerechnet in einem Duell mit dem damals ältesten Coach. Altmeister Jupp Heynckes, 64, hatte 22 Jahre zuvor für einen Wutausbruch bei seinem heutigen Gegenüber gesorgt: Als Heynckes seine Mönchengladbacher Borussia 1987 Richtung Bayern München verließ, riss im schwäbischen Krumbach ein 13 Jahre alter Borussen-Fan aus Ärger ein paar Poster von der Wand. Jetzt, in Mainz, begegnet Tuchel seinem einstigen Idol mit dem gebotenen Respekt abseits des Spielfelds, aber auf dem Platz fordert seine Mannschaft den Favoriten aus Leverkusen erstaunlich couragiert heraus: Nach fünf Minuten bringt Tim Hoogland die Rheinhessen in Führung. Torhüter Heinz Müller wehrt anschließend noch einen Elfmeter von Tranquillo Barnetta ab. Trotzdem liegt Bayer zur Pause 2:1 vorn dank Treffern von Derdiyok und Kießling kurz vor dem Halbzeitpfiff. In den zweiten 45 Minuten plätschert das Spiel vor sich hin. Das Bundesligadebüt von Thomas Tuchel scheint mit einer Niederlage zu enden. Aber dann trifft der eingewechselte Daniel Gunkel. Der Mittelfeldspieler drischt einen Freistoß aus 22 Metern mit perfekter Schusstechnik über die Mauer hinweg ins Tor. „Ich weiß von Leuten aus seinem Trainerteam, dass Thomas Tuchel noch heute immer mal wieder erzählt, dass seine Karriere auch hätte ganz anders verlaufen können, wenn ich diesen Ball nicht reingehauen hätte“, sagt Gunkel. Der Teilerfolg im ersten Spiel unter dem neuen Trainer stärkt das Vertrauen der vielen altgedienten Profis in den so bundesligaunerfahrenen Trainer. In der Woche darauf spielen die Mainzer in Hannover das nächste Unentschieden ein. Und dann kommt der erste große Festtag: Bayern München erscheint am Bruchweg mit dem neuen Trainer Louis van Gaal. Tuchel und sein Team messen sich also nach nicht einmal drei Wochen der Zusammenarbeit mit einem der besten Teams der Welt und einem der erfolgreichsten Trainer im Weltfußball. Van Gaal, einst mit Ajax Amsterdam Champions-League-Sieger und beim FC Barcelona sowie mit der niederländischen Nationalmannschaft recht erfolgreich, gehört zu jenen, an denen Tuchel sich orientiert hat bei seinem Werdegang. Der Niederländer, der die Öffentlichkeit und auch viele seiner Spieler mit seiner knorrigen Art verstört, ist ein Verfechter des Positionsspiels. Und er ist ein Tüftler, wenn es um die Feinheiten des Trainings geht. In seinem zu jener Zeit erschienenen Buch „Louis van Gaal – Biographie & Vision“ beschreibt van Gaal zahlreiche Beispielübungen, die jenen ähneln, die Tuchel für sein Team zu jener Zeit entwickelt hat. Immer ging es Tuchel dabei darum, seine Spieler durch Aufgabenstellungen zu zwingen, sich intuitiv so zu verhalten, wie es Tuchel für den Spielansatz im Wettkampf wünscht.

Schon im dritten Spiel seiner Cheftrainerlaufbahn gegen die Bayern sind Fortschritte durch Tuchels Arbeit zu sehen. Die Passschärfe fällt ins Auge. Aber gegen die Übermannschaft des deutschen Fußballs geht Mainz 05 vor allem mit einer Überzeugung ins Spiel, die durch die zwei Unentschieden an den ersten beiden Spieltagen gewachsen ist. Die Ergebnisse sind vermutlich ideal für den Ansatz des Trainers: Sein Team spürt, dass es wettbewerbsfähig ist, es besteht aber auch kein Grund für Leichtfertigkeit, wie sie durch allzu schnelle Erfolge entstehen könnte. So wächst die Neugier im Team, die Aufnahmebereitschaft scheint unermesslich, wie man bei den Trainingseinheiten sehen kann. Manche Spieler wie Schürrle oder auch Ivanschitz, die nach dem Training noch fleißig Freistöße üben, scheinen gar nicht genug bekommen zu können. Die Situation erinnert an jene bei den A-Junioren, als in den ersten Wochen im Trainingslager Einheiten erst durch die einbrechende Dunkelheit beendet wurden, da die Spieler einfach nicht vom Feld wollten. Die Profis vertrauen ihrem Coach nach kurzer Zeit bereits blind. „Die ersten beiden Ergebnisse haben uns darin bestärkt, dass der Trainer ganz genau weiß, was er tut. Deshalb haben wir das auch vor dem Bayern-Spiel geglaubt“, sagt Ivanschitz.

Tuchel selbst ist in den Tagen vor dem Spiel klug genug, nicht von einem Sieg gegen die Bayern als Ziel zu sprechen. Stattdessen gibt er seinem Team eine Aufgabe mit auf den Weg, die ergebnisunabhängig zu verwirklichen ist. „Unser Anspruch muss mindestens sein, dass die Bayern, wenn sie was holen, es mit blutiger Nase tun. Dann müssen sie nachher im Bus sitzen und sagen: Gut, dass wir das hinter uns haben“, sagt Tuchel. Die Bereitschaft seines Teams für die denkbar schwerste Aufgabe bereits am dritten Spieltag verstärkt Tuchel dadurch, dass er erstmals bei den Profis ein später immer wieder gerne genutztes Mittel einsetzt. Während die Spieler beim Aufwärmen auf dem Platz sind, werden in der Kabine eine Leinwand aufgebaut, ein Notebook und ein Projektor eingerichtet. Nach ein paar letzten Worten zum Spiel schaltet Tuchel das Licht in der Kabine aus, und von der Leinwand spricht nur noch Al Pacino. Vier Minuten und 20 Sekunden lang peitscht der Hollywoodstar in „Any given Sunday“ („An jedem verdammten Sonntag“) in der Rolle des Footballtrainers Tony D’Amato ein krisengeschütteltes Team derart auf, dass es anschließend aus der Kabine stürmt und den hochfavorisierten Gegner besiegt. Pacino sagt Sätze wie „Entweder bestehen wir als ein Team oder wir zerbrechen“, „In jedem Kampf gewinnt nur der, der für ein Stückchen Erde sein Leben einsetzt!“ oder „Seht euch den Mann neben euch an, ich glaube, dann werdet ihr jemanden sehen, der genauso denkt wie ihr“. Dann gehen die Spieler aufs Feld, im Kopf sind die letzten Worte Al Pacinos: „Entweder bestehen wir jetzt als ein Team, oder wir werden untergehen als Einzelgänger.“

Die Mainzer gehen tatsächlich bemerkenswert couragiert in die Begegnung und suchen ihr Heil in einer überfallartigen Pressingoffensive. Getragen wird das Ganze durch noch recht simple, klare taktische Vorgaben des Trainers, der den Spielaufbau der Bayern als Schwachpunkt ausgemacht hat. Die Münchner haben nach gut acht Wochen der Zusammenarbeit mit van Gaal noch lange nicht verinnerlicht, was der Niederländer mit seiner Lehre vom Positionsspiel von ihnen verlangt. Seine Spieler wirken statisch und unbeweglich, im Kopf gehemmt durch die neuen Anforderungen van Gaals. Tuchel hat diese Schwäche erkannt und lässt seine Mainzer aus einer 4-1-4-1-Grundformation heraus wie wild anrennen – vor allem auf den verunsicherten Bayern-Neuzugang Edson Braafheid, der als Linksverteidiger zahlreiche Fehlpässe spielt oder den Ball gleich ins Aus drischt. Das Mittelfeldzentrum verdichten die Mainzer zudem so sehr, dass Bastian Schweinsteiger an der Seite von Neuzugang und Königstransfer Anatolij Timoschtschuk kaum zu einem geordneten Passspiel findet. Die Mainzer belohnen sich für ihren Harakiri-Fußball mit zwei Toren bis zur Pause. Beim 1:0 durch Andreas Ivanschitz in der 25. Minute hilft Bayern-Schlussmann Michael Rensing freundlich mit. Das Tor ist eine besondere Pointe: Genau vor einem Spielzug wie diesem mit Ivanschitz als schussstarkem und torgefährlichem Mittelfeldspieler hatte vor dem Spiel Hansi Kleitsch gewarnt. Kleitsch, einst Förderer von Tuchel beim VfB Stuttgart, hatte sich mit der Gegneranalyse bei den Bayern quasi um eine Beschäftigung beworben. Dafür sezierte Kleitsch vor allem das Mainzer 2:2 gegen Leverkusen. „Für diese Analyse habe ich mit Thomas gesprochen, er hat mir sehr geholfen“, sagt Kleitsch. Tuchel waren die Freundschaft zu Kleitsch und dessen Aussichten auf einen Job bei den Bayern so wichtig, dass er einem kommenden Gegner quasi in der Vorbereitung half. Van Gaal und sein Trainerteam vernahmen die Warnung, schlugen sie aber in den Wind. Van Gaals Assistent Andries Jonker antwortete Kleitsch, dass sie Ivanschitz nicht so offensiv sehen. Später wird sich van Gaal bei Kleitsch persönlich entschuldigen: „Wenn du was sagst“, so der Niederländer zu Keitsch, „dann glauben wir das ab jetzt immer!“

Im Spiel kommt es noch besser für Mainz: Das 2:0 gegen die Bayern erzielt in der 38. Minute Aristide Bancé, die schillerndste Figur in Tuchels erster Saison in Mainz. Der wegen der Bürgerkriegswirren in seiner Heimat vornehmlich in der Elfenbeinküste aufgewachsene Nationalspieler aus Burkina Faso hat die Mainzer in der Saison zuvor mit seinen Toren in die Bundesliga geschossen. Der fast zwei Meter große Hüne mit dem extrem muskulösen Körper bereitet dem Klub aber auch immer wieder Sorgen. Um sein Knie ist es so schlecht bestellt, dass er häufige Trainingspausen einlegen muss. Zudem hat Bancé ausgerechnet am ersten Trainingstag Tuchels in Mainz für einen Eklat gesorgt. Auf dem Parkplatz neben dem Bruchwegstadion soll er eine 23 Jahre alte Frau mit einem kleinen Kind in ihren Armen geschlagen haben. Die Frau behauptet noch dazu, dass Bancé, der frisch verheiratet und Vater eines sechs Monate alten Kindes ist, auch der Vater ihres Kindes sei. Tuchel geht in den Folgetagen klug mit der Geschichte um. Er stellt klar, dass Bancés Verhalten inakzeptabel sei, aber er nimmt die Mannschaft und sich als Trainer in die Pflicht, Bancé aufzufangen. „Ich habe genau beobachtet, wie er sich verhalten hat. Er hat sich sehr zurückgenommen, den Vorfall nicht ansatzweise verniedlicht oder Späße gemacht“, sagt Tuchel. „Auch die Mannschaft ist sehr gut damit umgegangen. Das war ein gutes Zeichen und der richtige Umgang mit der Sache.“ Tuchel weiß, wie er einen solchen Spielertyp zu führen hat. Der eigenwillige, aber vom Wesen her gutmütige Bancé dankt es Tuchel mit einer formidablen Saison und zehn Toren.

Gegen die Bayern ist Bancé in der zweiten Halbzeit, die in der 47. Minute mit dem Anschlusstreffer von Thomas Müller beginnt, mit seiner Kopfballstärke gefragt, vor allem im eigenen Strafraum. Bancé befördert ein Dutzend Bälle bei Standards aus dem Strafraum. Und was der Stürmer und seine Feldspielerkollegen nicht zu verhindern wissen, das wehrt im Sturmlauf der Bayern 05-Torwart Heinz Müller ab. Der Schlussmann erlebt einen der besten Tage seiner Karriere, und Mainz 05 gewinnt erstmals in der 104-jährigen Vereinsgeschichte gegen Bayern München. Selbst Klubikone Jürgen Klopp ist in der Bundesliga sechsmal und einmal im Pokal mit seinen Mainzer Teams an dieser Aufgabe gescheitert. Zur Belohnung darf Torwartheld Müller am Abend ins ZDF-Sportstudio. Dort wollten sie eigentlich Thomas Tuchel sehen. Der lehnt aber ab. Er hat sich wenige Minuten zuvor schon den Feierlichkeiten am Zaun des Fanblocks mit klugen Worten verweigert. „Ich bin heute keinen einzigen Meter gelaufen, habe keinen Zweikampf geführt, kein Tor vorbereitet und kein Tor geschossen“, sagt Tuchel. „Deshalb soll sich die Mannschaft da feiern lassen.“ Tuchel, der sich sicherlich geschmeichelt fühlt von einer Einladung in die Sendung, die nur fünf Kilometer vom Mainzer Stadion entfernt auf dem Lerchenberg produziert wird, setzt in die Tat um, was er in den Tagen zuvor gepredigt hat: Demut. Jenes Wort ist in der Anfangszeit als Profitrainer sein am häufigsten gebrauchtes. „Ich glaube, dass es mir und uns allen gut zu Gesicht steht, bescheiden zu bleiben und schätzen zu lernen, welche Möglichkeiten wir als Fußballer in dieser Parallelwelt haben. Sicher ist Demut auch ein Leitfaden für mich. Ich versuche, danach zu leben, bescheiden zu sein und jeden Tag positiv anzugehen. Man sollte generell dankbar sein für die Talente, die man hat“, sagte er in einem Interview mit der FAZ vor dem Spiel gegen die Bayern und führt weiter aus: „Demut soll wohlgemerkt nicht verwechselt werden damit, dass wir uns kleiner machen, als wir sind. Wenn jetzt ganz konkret die Bayern an den Bruchweg kommen, dann wollen wir keineswegs den Anschein erwecken, dass wir die Guten und Braven sind, die keine Chance haben. Dann wollen wir auf dem Feld auch böse werden.“ Die Boshaftigkeit hilft. Nicht nur der drei Punkte wegen. Abseits des Feldes sind die Mainzer plötzlich „Everybody’s Darling“. Die Fußballwelt wundert sich, dass ein vermeintlicher Chaosklub kaum vier Wochen nach der Trennung vom Aufstiegstrainer die Bayern bezwingen kann.

Tuchels Antrittsvorlesung in Psychologie

Zu verdanken haben die Mainzer den erfolgreichen Start in die Zusammenarbeit mit Tuchel ihrer verblüffenden Effektivität: Sie nutzen fast 40 Prozent ihrer Torchancen für Treffer. Vor allem Andreas Ivanschitz hat einen Lauf. Der Österreicher ist an neun der ersten zwölf Tore beteiligt, die dem Klub bis zum achten Spieltag stolze 14 Punkte bescheren. „Thomas Tuchel und der Verein haben gerade in diesen ersten Monaten von mir profitiert“, sagt Ivanschitz. „Aber ich habe genauso von Thomas Tuchel profitiert.“ Ivanschitz wird zu einem jener Spieler, mit denen der Trainer am härtesten ins Gericht geht. Nicht nur im Training, auch in den Spielen schreit er den Österreicher von der Seitenlinie aus immer wieder an, fordert ihn zu mehr Wachheit und Einsatz auf. Mitspieler erkennen keinen Grund, warum sich der Trainer teilweise persönlich, teilweise auch verletzend auf Ivanschitz einschießt. „Natürlich waren diese Ansagen oft unangenehm, und ich dachte mir immer mal wieder: Was will er jetzt schon wieder, warum immer auf mich?“, erinnert sich Ivanschitz. „Aber gerade in der Rückschau muss ich sagen, dass es ihm immer um den Erfolg der Mannschaft ging und darum, dass ich mein Optimum abrufe.“ Tuchel liegt bei seinem österreichischen Spielmacher vermutlich richtig damit, dass er ihn mit einer derartigen Ansprache zu mehr Leistung treiben kann. Ist der harte Umgangston also der Preis, den man als Profi zahlen muss? Viele Ehemalige sehen das anders und sagen in der Rückschau, dass der überragende Fußballfachmann Tuchel nicht wegen seines harten Tons, sondern trotz seiner Ausraster erfolgreich ist. Sie sind sich sicher, dass Tuchel ein noch erfolgreicherer Trainer werden könnte, wenn er sich besser im Griff hätte, wenn er mehr Respekt zeigen würde gegenüber allen Spielern. „Wenn er eine Legende werden will wie Hitzfeld oder Heynckes oder auch Klopp, dann muss er dazulernen. Aber er hat ja noch Zeit, und das Alter wird ihm vielleicht helfen“, sagt ein ehemaliger Spieler Tuchels, der nicht genannt werden will.

In seiner Anfangszeit erweckt Tuchel freilich noch den Eindruck, dass er weiß, wie er auch zarter besaitete Spieler anzupacken hat. Seine Sicht der Dinge bezüglich der Kunst der Mannschaftsführung legt er einmal in einer jener Presserunden dar, die gelegentlich wie Antrittsvorlesungen in Fußballwissenschaft daherkommen. Dort verortet Tuchel sich – aufbauend auf seinem Erfahrungsschatz aus zehn Jahren im Nachwuchsbereich – in der Tradition der Sozialpsychologie. Er referiert über die drei Typen des Fußballspielers und die entsprechenden Anforderungen, die diese an einen Trainer stellen. So gebe es den Spieler, bei dem man den Aggressionstrieb reizen müsse für entsprechende Leistungen, wie Aristide Bancé. Den Mainzer Toptorjäger habe man mit Belohnungen bezüglich Rang und Status in der Mannschaft und der Gehaltshierarchie zu Spitzenleistungen bewegen können.

Bei dem damaligen Mainzer Shootingstar André Schürrle oder eben auch bei einem Andreas Ivanschitz sieht Tuchel die Lage ähnlich, allerdings aufgrund anderer psychologischer Erkenntnisse. Diesen Spielern attestiert er einen natürlichen Spieltrieb, der sie ansporne zu Trainingseifer und Spitzenleistungen. „Sie saugen alles unglaublich neugierig auf. Dieser Spielertyp hat eine Spiellaune wie ein kleiner Hund, wenn er den Trainingsplatz betritt“, sagt Tuchel. „Da muss man eher bremsen.“ Im dritten Teil zur Psychologie der Mannschaftsführung erläutert er den Bindungstrieb, der manche Spieler trotz der vielen verwirrenden Möglichkeiten im Profigeschäft zur Entscheidung für einen Arbeitgeber wie Mainz 05 dränge: Klassische Mannschaftsspieler, wie es beispielsweise die stets aufs Schicksal des Klubs achtenden und kurz zuvor abgetretenen Marco Rose und Dimo Wache waren, brauche der Verein auch künftig.

Einige Jahre später spricht er in dem Buch „Edge: Leadership Secrets from Football’s Top Thinkers“ des englischen Sportjournalisten Ben Lyttleton nochmals ausführlicher über seine Art der Führung von Spielern. Und er spricht vor allem darüber, welche Rolle Vertrauen spielt. „Wir sprechen von ‚den Augen‘. Hat er gute Augen? Kann ich diesem Kerl vertrauen? Es geht um Bindung und Respekt und Glaube. Wenn du nur ein dumpfes Gefühl hast, dass das im Spieler nicht drin ist, dann ist es schon schwierig.“

Am besten in Tuchels Verständnis von Personalführung kann sich wohl Andreas Ivanschitz versetzen. „Ich habe das so für mich umgesetzt, dass ich es ihm nach harter Kritik dann zeige. Ich wusste immer, wenn ich das schaffen will bei einem 1A-Trainer, dann muss ich das in positive Energie ummünzen. Auch Ansprachen vor dem Spiel waren oft sehr gezielt auf mich abgerichtet. Er baute Druck auf mich auf.“ Wenn Ivanschitz dann ein starkes Spiel mit spielentscheidenden Aktionen gelingt, gibt es freilich auch Lob des Trainers. Er habe sich sichtlich für den Spieler gefreut, dass Ivanschitz umgesetzt habe, was er mit dem Spieler unter der Woche erarbeitet hat. „Das Abfeiern nach dem Spiel zeigte dann, dass er alles für unsere Leistung getan hat. Er konnte sich unfassbar für einen mitfreuen. Er fiel mir nach Spielen in den Arm und zeigte einem, dass wir es gemeinsam geschafft haben“, sagt Ivanschitz.

Wenn der Österreicher sich nun einordnen soll unter den drei Charakteren der Tuchel’schen Typenlehre, dann sieht er sich eindeutig als den neugierigen Spieler, der spielen will und den man nicht motivieren muss. „Aber selbst dann geht es eben auch um Druck. Du brauchst jede Woche einen Ansporn zu Höchstleistung“, sagt er. Genau das, vermutet Ivanschitz, habe Tuchel im Sinn gehabt und zugleich gewusst, dass er ihn so anpacken könne. Ivanschitz kann sich – ohne Namen zu nennen – aber auch an Spieler erinnern, die mit dem Druck von Tuchel nicht zurechtgekommen sind. Andernorts waren solche Spieler, die Mainz als Ersatzspieler verlassen haben, freilich auch nur selten erfolgreicher. „Rückblickend betrachtet, waren die vier Jahre unter Tuchel herausragend für meine Person und die Mannschaft.“

Alle Spieler, die einen längeren Weg mit Tuchel in Mainz gegangen sind, bestätigen dieses Urteil. Tuchel macht Spieler besser. Er treibt sie zu Höchstleistungen. Aber es gibt auch Spieler, die sich sicher sind, dass Tuchel mit einem anderen Umgangston noch ein paar Prozent mehr hätte herausholen können. „Thomas Tuchel war gerade in der Anfangszeit zum allergrößten Teil ein Trainer, mit dem man auch viel lachen konnte“, erinnert sich ein Spieler, der mehrere Jahre mit Tuchel zusammengearbeitet hat. „Man konnte sich abseits des Platzes unterhalten, er ist intelligent und witzig. Aber so 20 Prozent der Zeit war er immer schon der Psychopath, der es übertreibt, der überehrgeizig ist. Dann wurde er persönlich, vergriff sich im Ton, war beleidigend. Von Jahr zu Jahr näherte sich das Verhältnis immer mehr zu 50:50. Er wurde immer ungeduldiger, wenn Spieler nicht die Fortschritte machten, die er sich erhofft hatte. Ich glaube schon, dass er viele Spieler kaputt gemacht hat auf diese Weise.“

Niko Bungert beurteilt Tuchel deutlich positiver. Der langjährige Innenverteidiger von Mainz 05 ist eines der Paradebeispiele für einen Akteur, der sich durch Tuchels Training stark weiterentwickelte. Bungert wurde von Jahr zu Jahr im selben Maß besser, in dem es auch das gesamte Team wurde. Als fleißiger Tuchel-Schüler lernte er dazu und schaffte es deshalb, ein Jahrzehnt in der Bundesliga, am Ende ein wenig gebremst durch Verletzungen, Stammspieler zu sein, obgleich er von seiner schmächtigen Statur her denkbar ungeeignet schien für die tragende Rolle als Innenverteidiger. Der langjährige Kapitän von Mainz 05, der unter Tuchel seine Entwicklung vom 21 Jahre alten, talentierten Aufstiegshelden zum etablierten Bundesligaprofi nahm, weiß noch, wie sich Trainingseinheiten bei Tuchel anfühlten. „Er hat mich wahnsinnig geprägt, ich werde nicht müde zu betonen, dass er einen riesigen Anteil daran hat, dass ich zehn Jahre Bundesliga gespielt habe. Ich glaube, einem 21 Jahre jungen, wissbegierigen Spieler kann nichts Besseres passieren, als ihm zu begegnen. Wenn man sich auf ihn einlässt, bekommt man individuell und auch als Mannschaft die bestmögliche Ausbildung“, sagt Bungert, heute Co-Trainer in Mainz. „Thomas Tuchel hat uns geprägt, und viele Verhaltensweisen und Rituale, die er eingebracht hat, schwingen jetzt immer noch nach.“

So wird bei Mainz 05 noch immer regelmäßig zusammen gegessen, und bei den Mahlzeiten gilt, dass keiner aufsteht, solange andere noch essen. Tuchel hat diese Regeln eingeführt, weil ihm zu wenig Kommunikation im Team herrschte. Die Regeln förderten das Miteinander. Ähnlich wirkte auch die Einführung eines Frühstücks, bei dem die Spieler einmal in der Woche reihum selbst für den Einkauf zu sorgen hatten. „Das hat Thomas in seiner dritten Saison hier eingeführt. Immer drei Spieler pro Woche sind verantwortlich, kaufen ein und präsentieren“, sagt Bungert. „Die Jungs mussten eigenständig im Supermarkt einkaufen und eine Liste abarbeiten. Es sollte natürlich keine fette Lyonerwurst dabei sein, stattdessen fettarme Putenwurst. Da musste man gegen 7:30 Uhr aufstehen, weil der Einkauf noch vor dem Trainingsbeginn erledigt sein musste.“

Solche Mosaiksteine sind es, die zum Erfolg beitragen, den Tuchel mit seinem Team erreicht. Vor allem aber fühlt sich die Mannschaft sicher, wenn sie von Tuchel auf den Gegner vorbereitet wird. „Nach der Vorstellung des Matchplans verließ man den Besprechungsraum und wusste, heute kann uns nichts passieren. Man ist ohne Nervosität und mit positiver Überzeugung rausgelaufen“, erinnert sich Niko Bungert. „Es war ziemlich detailliert. Das Trainerteam hat nicht nur Stärken und Schwächen des Gegners vorgestellt, sondern exakt auch aufgezeigt, wie wir darauf reagieren müssen. Ein Beispiel: Sechser rauslocken, dann Chip auf unseren Zehner spielen, der dann Platz hat, weil die Innenverteidiger nicht rausrücken. Und in 90 Prozent der Geschichten hat das mit dem Matchplan geklappt. Tuchel hat zwar immer gesagt, das ist ein Fußballspiel, und ihr müsst spontan entscheiden – aber achtet auf diese eine Situation, die wird häufig vorkommen. Und so war es eben auch, und so haben wir oft Erfolge gefeiert.“

Bei der Vorbereitung auf die Spiele weicht Tuchel bewusst von den Usancen der Branche ab. In einem bemerkenswerten, auf YouTube zugänglichen Vortrag unter dem Motto „Rulebreaker“ führt er 2012 aus, wie er bei Mainz 05 in jener Zeit Regeln gebrochen hat. „Die Grundregel in der Bundesliga war damals: ‚Man muss sich für ein Spielsystem entscheiden. Dieses muss man perfektionieren. Und wenn es dann irgendwann automatisiert ist, dann wird man immer besser‘“, sagt Tuchel in dem Clip. Er habe aber für sein Team die Notwendigkeit gesehen, das eigene System auf das des individuell meist besser besetzten Gegners abzustimmen. Woche für Woche sucht er also mit seinem Trainerteam nach Wegen, das gegnerische System lahmzulegen. Meist läuft es darauf hinaus, das System des Gegners zu spiegeln. Wenn der in einem 4-2-3-1 aufläuft, tendieren die Mainzer beispielsweise zu einem Tannenbaum-System im 4-3-2-1, um im Mittelfeld die Räume zuzustellen.

Tuchel gefällt sich sichtlich in der Rolle des „Regelbrechers“. In einem Gewölbekeller in Rorschacherberg am Schweizer Ufer des Bodensees, in dem er einen Vortrag hält, spricht er über jene Anfangszeit vor erfolgreichen Managern. Diese haben sich in der sogenannten Rulebreaker Society zusammengeschlossen, einem Thinktank aus Großunternehmern wie Media-Markt-Gründer Walter Gunz oder dem innovativen Medizinunternehmer Gabor Forgacs. Vor diesen Leuten verspürt der ehemalige BWL-Student Tuchel Hochachtung. Sie werden seinem elitären Anspruch gerecht, die Dinge selbst zu steuern, zu bewegen und vor allem keinen Stillstand zu dulden. Im Manifest des Thinktanks stehen Sätze wie „Wenn ich mich nicht selbst kannibalisiere, dann macht das jemand anderes“ oder „Die Entwicklung eines Geschäftsmodells geschieht durch kreative Zerstörung und zuvor ungekannte Neukombination von Teilen des Geschäfts“ oder „Wenn Regelerzeuger nervös werden, dann bin ich auf dem richtigen Weg. Wenn Regelerzeuger anfangen, gegen mich zu kämpfen, dann bin ich fast am Ziel“. Tuchel sieht sich durch das Interesse dieser Leute an seiner Person bestätigt in seiner Philosophie. Er gewinnt durch die Begegnungen mit wichtigen Menschen aus der Wirtschaft an Selbstüberzeugung. Er geht seinen Weg weiter nach seinem eigenen Matchplan.

Wobei er den Begriff„Matchplan“ schon sehr bald aus seinem Wortschatz verbannt. Tatsächlich verwendet er ihn gerade mal noch in seinen ersten Wochen als Profitrainer: Als „Matchplan“ dann zu seinem Markenzeichen gemacht wird, verweigert er sich dem Wort. Er will nicht reduziert werden auf Zuschreibungen wie „Taktikfuchs“ oder „Motivationsguru“. Tut es doch jemand, reagiert Tuchel alsbald geradezu allergisch. „Das ist nur das Was, aber das Wie entscheidet Spiele“, antwortet er einmal barsch einem Journalisten. Was Tuchel sagen will: Die taktischen Vorgaben des Trainers sind nichts wert, wenn sie nicht dazu führen, dass die Spieler ihre Tugenden auf den Platz bringen. Die Grundformation muss in seiner Mainzer Zeit vor allem dazu beitragen, dass seine Spieler in Zweikämpfe kommen. Gewonnene Zweikämpfe sind Erfolgserlebnisse, die Zutrauen geben zum Spielansatz. Selbstbewusste Spieler wiederum sind in der Lage, den Mut aufzubringen, das eigene Spiel mit dem Ball durchzusetzen und somit auch die Laufintensität ins Spiel zu bringen, die der Trainer sich wünscht.

Tuchel fördert bei seiner Mannschaft diese Bereitschaft, sich zu verausgaben und in Zweikämpfen aufzureiben. Er gibt gerade in den ersten Jahren keine Ergebnisziele vor. Aber er misst seine Mannschaft an Laufdaten. Wenn sie ein Spiel verliert, aber die kumulierte Laufdistanz, die Zahl an Sprints und an intensiven Läufen stimmt, die Zweikampfquote den Wünschen entspricht, dann vermittelt Tuchel seinem Team das Gefühl, dass es alles für den Erfolg getan hat. Umgekehrt kann er mit seinen Spielern hart ins Gericht gehen, wenn sie ein Spiel gewinnen, aber die Grundtugenden vermissen lassen. Die Spieler schätzen diese Art der Kritik, weil es sich um klar vereinbarte Ziele im Team handelt, die umsetzbar sind unabhängig von individueller Qualität.

Gerade in den ersten Monaten geht Tuchel freilich auch mit den großen Augen eines Newcomers durch die Fußballwelt. Ein freies Wochenende nach einem Freitagspiel nutzt er beispielsweise zu einem Ausflug, den er sich vorher allein finanziell vielleicht nicht hätte leisten können. Teammanager Axel Schuster organisiert ihm einen Trip zu einem Spiel von Real Madrid. Tuchel fliegt mit einem Freund in die spanische Hauptstadt, die Tickets führen die beiden in eine Loge des Estadio Santiago Bernabeu. Tuchel staunt nicht schlecht, als er wenige Meter neben sich die Meistertrainer Radomir Antic und Bora Milutinovic erkennt. Er fragt sich, wie er die Trainerroutiniers ansprechen könne. Am Ende entscheidet er sich dazu, dass er sich bei ihnen vorstellt mit den Worten: „Hi, I am a young coach from Germany.“ Milutinovic antwortet ihm: „We are young coaches too.“ Das gemeinsame Gelächter ist groß. Tuchel gefällt der erste Kontakt mit der ganz großen Fußballwelt. Solche Erlebnisse motivieren ihn.

Zu Hause in Mainz bleibt er seinem Weg treu. Woche für Woche wird akribisch an der Spielidee für den kommenden Gegner gearbeitet. Und tatsächlich haben die Mainzer schnell den Ruf, ein äußerst unangenehmer Gegner zu sein. Wenn Tuchels Elf verliert, dann nur selten deutlich. Und eine Spielidee ist stets zu erkennen. Mainz 05 wird als Bereicherung der Bundesliga angesehen. Und der junge Trainer an der Seitenlinie als ein etwas kauziger, aber spannender neuer Charakter. Der Klub beendet die Spielzeit auf Rang neun. Besser waren die 05er noch nie platziert. Und Tuchel überrascht sich selbst: Vor der Saison war er sich noch sicher, dass er in jedem Fall erstmals am Ende der Saison mit einer Mannschaft mehr Niederlagen als Siege auf dem Konto haben würde. Tatsächlich beendet Mainz die Spielzeit mit zwölf Siegen bei nur elf Niederlagen sowie elf Unentschieden. Bis zum Ende seiner Amtszeit in Mainz nach fünf Spielzeiten wird Tuchel diese Bilanz aufrechterhalten und 65 Siege bei nur 61 Niederlagen einfahren. In der Tuchel-Tabelle, die auf eine ab 2012 von Heidel aufgestellte saisonübergreifende Rechnung zurückgeht, schneidet Mainz 05 in den Jahren unter Tuchel als fünftbester Klub ab: Nur Bayern München, Borussia Dortmund, Schalke 04 und Bayer Leverkusen sammeln in den Spielzeiten von 2009 bis 2014 mehr Punkte. In 170 Bundesligaspielen stehen für Mainz unter Tuchel 239 Punkte, also 1,41 Punkte pro Spiel zu Buche – ein unfassbarer Wert für einen Klub dieser Größenordnung.

Thomas Tuchel

Подняться наверх