Читать книгу Das alte Leben - Daniel Nebelhain - Страница 3
Kapitel 1
ОглавлениеIch sitze wieder einmal vor dem PC und durchforste das Web nach günstigen Häusern. Als Programmierer verdiene ich nicht wenig, aber ich gehöre auch ganz sicher nicht zu den Reichen. Eine kleine Familie habe ich schon, nun fehlt uns nur noch das passende kleine und vor allem erschwingliche Heim. Die meisten Preise sind einfach nur unverschämt, halbe Ruinen die dann noch 120.000 oder 130.000 EUR kosten sollen. Unser Mietshaus hier ist allerdings auf Dauer auch kein wirklicher Zustand, mit dem man leben kann. Die Erbauer unseres kleinen Domizils hatten die glorreiche Idee Nachtspeicherheizungen einzubauen. Im Winter wird es nie wirklich warm und die Stromkosten treiben uns noch in den Ruin. Die Lösung ist also ein eigenes Häuschen zu suchen, wo man dann tun und lassen kann, was man will. In der Übersicht sind wieder einmal die altbekannten Kandidaten im Angebot. In dem Bereich, wo ich suche, liest man sehr oft „Renovierungsbedürftig“ oder „Der Handwerkerstraum“. Es zeigt sich wieder einmal ein altbekanntes Haus mit dem schmückenden Hinweis 'Renovierungsbedürftig'. Das Haus kenne ich schon, ich hatte mit dem Makler telefoniert, sodass wir uns zumindest die Besichtigung sparen konnten. 100.000 € soll das Schätzchen kosten, leider ist die Bezeichnung 'Renovierungsbedürftig' weit unter trieben. Die Fenster sind Einfach-verglast, beheizt wird mit traditionellen Kaminöfen und im Keller steht Wasser. Vielleicht sollten die Makler lieber einmal in ihre Anzeigen schreiben „Ruine sucht Arbeitstier“. Das nächste Haus kenne ich noch nicht. Ein altes Fachwerkhaus, 95.000 € und das erste Bild sieht schon einmal sehr gepflegt aus. Also einfach einmal hineinschauen, was da weiter steht. Ich klicke den Link an und ... natürlich 'Loading'. Ich liebe mein Light-DSL. In den größeren Städten sind die Menschen mit dicken DSL Leitungen gesegnet, für uns auf dem Land hat man sich so tolle Dinge wie Light-DSL einfallen lassen. Ich warte also geduldig, dass die Seite endlich geladen wird. Aus Langeweile male ich mir mit meinem Kugelschreiber 2 Wellenlinien auf die rechte Hand zwischen Daumen und Zeigefinger. Ich weiß nicht, warum ich das überhaupt tue, aber irgendwann in meiner Jugend hatte ich damit angefangen, mir dieses Symbol immer wieder auf die Hand zu malen. Vermutlich ist es einfach nur eine der kleinen Macken, von denen jeder irgendwo eine hat und die einen nicht gleich in die Anstalt bringen. Es soll das Symbol für Wasser sein, auch wenn ich nicht gerade ein begeisterter Schwimmer oder Wassersportler bin. Ich gehe öfters einmal angeln, aber das war es auch schon so ziemlich mit meiner Wasserliebe. Die Seite ist endlich geladen und ich schaue die Bilder durch. Alles sieht sehr gepflegt aus und dem Text entnehme ich, dass es auch ansonsten gut passt. Vier Zimmer, Baujahr 1900, die Wasser- und Elektroleitungen wurden bereits erneuert. Das Haus steht in Kleinendorf, das ist direkt das Dorf nebenan. Kurzerhand rufe ich den Makler an und eine angenehm klingende weibliche Stimme meldet sich. Ich mache mit Ihr einen Termin für den nächsten Tag aus. „Mausi! Morgen haben wir um 16.00 Uhr eine Besichtigung“, rufe ich Richtung Badezimmer. Meine Frau Jenny liegt wieder einmal in der Badewanne. Sie sollte eher die Macke mit den Wellenlinien haben, so oft wie sie badet. „Ist okay, so lang es nicht, wie das letzte Haus ist, dass wir gesehen haben“, ruft es zurück. Das letzte Haus war ein totaler Reinfall. Im Dach befand sich ein kleines Feuchtbiotop. Die Maklerin meinte da nur „Das müssen Sie einfach abdichten und dann haben Sie ein super Schnäppchen gemacht“. Der werte Herr Nachbar von diesem Haus war ein Schrotthändler oder zumindest sah sein Grundstück so aus. Zwei alte Autos vollgestopft mit irgendwelchem Krempel und daneben aufgetürmt Dinge, die vor Ihrem Tod vermutlich einmal Kühlschränke und Waschmaschinen waren. Nein, morgen das Haus wird besser. Das spüre ich einfach. Am nächsten Tag sind wir mit unserer Tochter Xiameh pünktlich vor dem Haus. Jenny mustert das Haus von oben bis unten. „Rein äußerlich hast Du dich mit dem Haus ja schon einmal übertroffen“, sagt sie verschmitzt. Da kommt auch schon eine galante junge Dame ganz in Schwarz gekleidet auf uns zu und sagt „Sie müssen Familie Knatterbart sein, ich bin Frau Röder, wir hatten gestern telefoniert“. „Angenehm“, erwidere ich. „Dann schauen wir uns das Schmuckstück einmal an“ sagt sie zuversichtlich und schließt die Türe auf. Der Flur macht schon einmal einen sehr ordentlichen Eindruck. Auch die folgenden Räume bestätigen den ersten Eindruck von dem Haus. Die Dielenböden scheinen in einem sehr guten Zustand zu sein und die Tragebalken sehen solide und gepflegt aus. Der kleine Garten ist etwas verwildert, aber das bekommt man ohne Probleme wieder hin. Der Dachboden ist ein wenig zugig und es liegt Staub von vermutlich einigen Jahren. Die Dachbalken sehen solide aus und es gibt auch keine Anzeichen auf Holzwürmer oder ähnlich angenehme Mitbewohner. Zum Schluss ist nun der Gewölbekeller an der Reihe. Sollte es da keine böse Überraschung geben, so wäre das Haus damit in unseren Favoriten. Der Keller riecht etwas muffig und eine einzelne Glühbirne tut flackernd ihr bestes, das Gewölbe zu erleuchten. Auf den ersten Blick sieht alles noch ganz passabel aus, dann jedoch fällt mein Blick in eine Ecke, die doch ein bisschen feucht aussieht. Ich gehe näher heran, um das Ganze einmal aus der Nähe zu betrachten. Was ich dann sehe, lässt mich im ersten Augenblick erst einmal erschaudern, im zweiten Augenblick bin ich einfach nur irritiert. Auf einem der Ziegel sind zwei Wellenlinien eingeritzt. Ist das nun ein Zeichen? Sanft streiche ich mit meiner Hand über die Linien und erfühle die Konturen. Wer hat so etwas hier hinein geritzt? Und vor allem warum? Ich fange mich wieder und begutachte nun die ganze Wand. Ein Zeichen zum Kauf ist das Symbol sicher nicht. Die Wand ist eindeutig feucht und es ist ein Leichtes den Mörtel oder was auch immer da benutzt wurde, mit dem bloßen Finger herauszukratzen. Es ist schon ironisch, der ganze Keller trocken, nur hier die Wand mit dem Symbol ist feucht. Ich wende mich wieder an Frau Röder „Gut, dann sind wir wohl soweit durch“. „Und wie ist Ihr erster Eindruck? Haben Sie Interesse?“ fragt sie zuversichtlich nach. Ehrlich, wie ich bin, antworte ich „Das Haus ist toll, aber mit der nassen Wand ist das Haus leider raus“. „Das ist nur eine kleine Stelle, die kann man günstig wieder richten lassen. Ansonsten gefällt Ihnen das Haus doch oder?“ harkt sie nun nach und ich sehe ihre Zuversicht aus dem Gesicht schwinden. „Nein Danke, mit so etwas fangen wir erst gar nicht an. Da ist uns einfach das Risiko zu hoch, dass es doch nicht so günstig wird oder einfach noch mehr kommt“ zerstöre ich nun ihre letzten Hoffnungen vollends. „Gut, da kann man nichts machen. Sollten Sie es sich doch noch anders überlegen, melden Sie sich. Meine Nummer haben Sie ja“ sagt Frau Röder etwas enttäuscht. Wir verlassen das Haus wieder, verabschieden uns und fahren mit meinen alten Astra nach Hause. „Mach dir nichts daraus Olaf, das Haus war wirklich schon viel besser, als die letzten Häuser die wir gesehen haben. Wir finden noch etwas das passt“, versucht Jenny mich aufzuheitern. „Ja Papa, das Haus war eh nichts für uns, oben im Dach habe ich gesehen, dass da eine Spinne wohnt, aber ich hab nicht geschrien. Und überhaupt war da gar kein Stall für ein Pony im Garten.“ kommt es von der Rückbank. Ich lächle „Ihr habt ja recht, irgendwann finden wir schon das richtige Haus für uns“. Zu Hause angekommen essen wir noch gemeinsam Abendbrot am Esstisch. Später lassen wir den Abend gemütlich auf dem Sofa ausklingen. Es läuft wieder einmal Fluch der Karibik. Schon oft gesehen, aber doch immer wieder sehenswert. Auf jedem Fall besser, wie die Highlights die Jenny sonst einschaltet. In der ersten Werbung bringen wir dann Xiameh ins Bett und kuscheln uns anschließend zu zweit auf das Sofa. Kurz vor elf ist der Film dann zu Ende und wir gehen zu Bett.
Es ist warm und die Sonne brennt auf mich herab. Der Schweiß steht mir auf der Stirn und ich habe eine halb fertige Wand vor mir. Zu meiner linken ist ein etwas breitspuriger Zwerg mit dunkelblondem Haar und fast schwarzen Augen. Ich kenne diesen Zwerg, das ist Walter und er begleitet mich schon einige Jahre. „Endlich einmal eine gut bezahlte Arbeit“, gibt er von sich und verdreht dabei die Augen. „Ach komm, wir haben Arbeit und müssen nicht über die Felder krauchen“. „Oh ja, ich schleppe viel lieber Ziegel und mauere einen Keller in einem Erdloch. Zum Glück hat der liebe Gott beschlossen, uns auch noch mindestens 40 Grad im Schatten zu bescheren, damit wir nicht frieren müssen“. Ich mag diesen Zwerg, seine Ironie lässt selbst unangenehme Situationen erträglicher werden. Vielleicht ist es aber auch einfach die Tatsache, nicht alleine irgendwo vor sich hin zu arbeiten. „Du willst Abkühlung? Kannst Du haben“. Ich ritze zwei Wellenlinien auf einen der Ziegel ein. „Bitte schön, hier hast Du Wasser. Du musst nur kräftig saugen“.“Das nennst Du Abkühlung?" Noch ehe ich mich versehe, landet eine gute Kelle Mörtel in meinem Gesicht. Es ist schon erstaunlich, wie abkühlend so etwas sein kann. Gut, der Pferdemist im Mörtel ist nicht ganz so angenehm, aber ansonsten kühlt es doch ganz gut. „Ach so eine Abkühlung meinst Du und ich Depp dachte Du hast Durst“. Nun landet in Walters Gesicht eine gute Kelle Mörtel. „Was treibt Ihr da unten!?“, brüllt es von oben. Der Bauherr, das gibt nun Ärger. „Hagen hat den Mörtel zu dünn angerührt, aber ich habe noch etwas Sand hinzugetan. Der Klatschtest ist in Ordnung“, ruft Walter zurück. „Klatschtest? Wollt Ihr mich veräppeln?“ brüllt er zurück und läuft dabei langsam rot an. „Ja, das haben wir vom Meister in Obersdorf gelernt. Mit dem Mist ist das nicht gerade angenehm, aber so prüft man am besten, ob die Konsistenz stimmt. Wir wollen ja schließlich ordentliche Arbeit abliefern“ brüllt Walter zurück. „Nun gut, Ihr seid die Experten. Weiter mit der Arbeit", erklingt es besänftigt von oben und die rote Farbe weicht langsam wieder aus seinem Gesicht. „Klatschtest?“, blicke ich Walter fragend an. „Ja, Klatschtest“, grinst er. „Meister in Obersdorf?“ frage ich weiter. „Erinnerst Du dich nicht mehr? Du solltest nicht mehr so viel trinken“ flüstert Walter nun zurück und grinst dabei schelmisch. Ich widme mich wieder der Wand und die Szenerie verschwimmt langsam.