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Kapitel 4

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Endlich einmal wieder ein arbeitsfreier Tag. Der Kellerbau war, im Gegensatz zu der Arbeit sonst, sehr lohnend. Wieder steht die Sonne hoch am Himmel und es zeigen sich nur ein paar Schönwetter-Wolken. „Kennst Du noch den großen Stein am Wald direkt hinter der Brücke am Bach?“, fragt Walter unvermittelt. „Da wo wir schon einmal ein paar Forellen aus dem Bach gegessen haben“ setzt Walter noch hinzu. „Ja? Warum?“ frage ich vorsichtig nach. „Das Gasthaus letztens hat mich auf den Geschmack gebracht. Da waren doch beim letzten Mal noch Löcher im Boden von Kaninchen. Sollen wir uns nicht einen schönen Braten fangen?“ fragt Walter und man kann förmlich sehen, wie ihm schon das Wasser im Mund zusammen läuft. „Das wäre doch Wilddieberei“, bemerke ich skeptisch. „Nicht direkt, der Wirt hat doch Kaninchen in einem Stall, es sind also Haustiere. Demnach wäre es wenn überhaupt nur Hauserei. Ist Hauserei verboten und strafbar? Natürlich nicht! Wären es Hasen, so läge die Sache anders, aber so kann uns keiner was“, verdreht Walter die Realität. „Ich glaube nicht, dass wir mit der Argumentation durchkommen würden, aber solange uns niemand sieht ... Lust auf einen Braten hätte ich auch“ erwidere ich. Auf dem Weg zum Stein erkundige ich mich: „Wie sollen wir das überhaupt anfangen? Wir haben keinen Bogen und auch keine Falle. Wir haben nicht einmal ein Seil“. „Ganz einfach, wir verstopfen alle Eingänge bis auf den Haupteingang und warten. Ist eins von den Kaninchen dann draußen, springe ich und verstelle den Eingang. Du wartest im Gebüsch gegenüber und schnappst dir den Braten“ erläutert Walter seinen genialen und seiner Meinung nach anscheinend unfehlbaren Plan. Am Stein angekommen machen wir uns daran alle Eingänge mit Ästen und Steinen zu verstopfen. Danach verstecke ich mich im Gebüsch und Walter hinter dem Stein. Eine halbe Stunde vergeht und nichts passiert. Sind hier überhaupt noch Kaninchen? Dann fällt mein Blick jedoch auf ein paar Kötel vor dem Loch. Also weiter warten. Das Gras hier sieht auch recht abgefressen aus. Es dauert noch eine gute halbe Stunde, bis sich vorsichtig zwei Ohren zeigen. Einige Minuten später ist es dann gut einen Meter von dem Loch weg und mümmelt ahnungslos etwas Löwenzahn, als Walter dann auch hervorspringt. Erschrocken läuft das Kaninchen los. Ich springe hervor und … „Taubendreck, vergriffen! Es flieht!“ fluche ich. Beherzt setzt Walter nach und verschwindet hinter dem Kaninchen im Busch. Ich versperre nun das Loch. Nicht einmal eine Minute später hetzt das Kaninchen an mir vorbei, gefolgt von Walter. Sie verschwinden in das nächste Gebüsch. „Gleich hast Du es!“ rufe ich hinterher. Ein kurzer Fluch, dann stapft Walter wieder aus dem Busch. „Wir haben ein Loch übersehen“ seufzt er mürrisch. „Das können wir dann heute wohl vergessen. Das Kaninchen kommt so schnell sicher nicht noch einmal aus dem Loch“ füge ich resignierend hinzu. „Versuchen wir es mit angeln?“ frage ich etwas niedergeschlagen nach. Fisch ist zwar kein Braten, aber immer noch besser als Hirsebrei. „Angeln kannst Du auch vergessen, die Sonne brennt seit Tagen, der Bach hier ist nur noch ein Rinnsal und der Weiher ist zu weit weg“ keucht Walter. „Also wieder ins Gasthaus? Vielleicht ist noch etwas von gestern übrig“ merke ich an. „Erst einmal die Kasse prüfen“ keucht Walter langsam zu Atem kommend. „Die Kasse prüfen?“ frage ich verwundert. “Wir haben doch erst gestern guten Lohn bekommen!“ setze ich etwas verwirrt hinzu. „Ja, das ist richtig, aber ich war einsam und dann war da diese nette Dame“ grinst er. Den Rest kann ich mir auch ohne Worte denken. Wir setzen uns auf den Stein und Walter dreht seinen Münzbeutel um und schüttet sich alle Münzen auf die Hand. „Verflucht!“, flucht er plötzlich und wir beide beobachten eine Münze, wie sie wie in Zeitlupe Richtung Boden fällt, genauer gesagt Richtung Kaninchenloch im Boden. Zu Walters entsetzen Richtung dem einzigen Kaninchenloch, das hier nicht verstopft ist. Kurze Zeit später ist die Münze verschwunden. Walter steckt die restlichen Münzen wieder in den Münzbeutel und springt vom Stein. Er nestelt im Loch nach der Münze. „Ich finde nichts, such Du einmal, Du hast längere Arme“ fordert er mich auf. Also probiere ich mein Glück, aber auch ohne Erfolg. Nach einigen Minuten gebe ich auch auf. „Das ist ja einmal echt gut gelaufen, wir haben keinen Braten und das Kaninchen kann sich nun Möhren kaufen“ bemerkt Walter spöttisch. „Du musst das positiv sehen, dann hat es genug zu fressen, vermehrt sich und unsere Chancen steigen, dass wir beim nächsten Mal eins erwischen. Sehe es als eine Investition in die Zukunft an, fast wie Samen in den Boden stecken“ versuche ich ihn ein Lächeln zu entlocken. „Kopf hoch Kleiner! Die Münze können wir zwar vergessen, aber ich lade dich ein. Ich habe gestern keine nette Dame getroffen und habe noch ein paar Münzen“ muntere ich Walter weiter auf. Walters Gesicht erhellt sich wieder. „Das höre ich gerne! Aber nenne mich nicht Kleiner“ antwortet Walter nun fröhlicher und knufft mir in die Seite. „Das ist der erste echte Lichtblick an diesem sonnigen Tag. Den Rest kann ich getrost vergessen. Mein erster Fehler heute war, ich hätte bei der netten Dame gar nicht wieder aufstehen sollen und einfach bis Morgen durch schlafen sollen“ antwortet Walter resümierend.

Der Wecker klingelt, wieder so ein seltsamer Traum. Was habe ich da schon wieder verarbeitet? Diesen Stein am Bach hinter der Brücke kenne ich. Allerdings ist es sicher schon ein Jahr her, dass wir dort bei einer Fahrradtour vorbei gekommen sind. Langsam frage ich mich wirklich was mir diese Träume sagen wollen. Sind es wirklich nur Träume? Bin ich besessen? Immerhin kommen immer wieder die gleichen Leute in meinen Träumen vor. Neu in diesen Träumen ist auch, dass alles nicht unklar ist, sondern die Leute haben ganz konkrete Namen und sie wirken ganz real. Auch scheint es nicht das hier und jetzt zu sein, sondern eine längst vergangene Zeit, eine Zeit in dem Kutschen noch Statussymbole waren und Autos nicht oder kaum existiert haben. Ein Detail aus dem Traum wäre auch heute noch greifbar. Die Münze die Walter verloren hatte müsste doch noch in der Nähe von dem Stein im Boden schlummern, um entdeckt zu werden. Zumindest, wenn es sich nicht nur um Hirngespinste handelt oder jemand die Münze doch noch gefunden hat. Ich denke, ich sollte dem nachgehen, um Klarheit zu bekommen, ob mein Gehirn in letzter Zeit einfach seltsame Wege beschreitet oder ob wirklich mehr hinter diesen Träumen steckt. Erst einmal brauche ich ein Werkzeug dafür und ich denke nun nicht an einen Spaten. Die komplette Gegend zu durchwühlen wäre mir viel zu anstrengend, und da ich vom Grund auf faul bin, denke ich an einen Metalldetektor. In meiner Jugend habe ich einmal einen gebaut, mit eher mäßigem Erfolg. Er hat auch funktioniert, für ca. 3 Sekunden, dann ist er für immer verstummt. Irgendwo hatte ich da etwas falsch berechnet oder zusammengebaut. Also lieber ein professionelles Gerät kaufen. Vor der Arbeit habe ich noch über eine halbe Stunde, also heute dann einmal unrasiert und ohne Brot zur Arbeit. Den morgendlichen Kaffee zu verkneifen fällt mir schon schwerer, aber was tut man nicht alles für ein wenig Klarheit. Auf der Arbeit kann ich mir auch etwas zu essen kaufen und Kaffee gibt es da auch umsonst. Also erst einmal an den PC und stöbern. Metalldetektoren gibt es viele schon für unter 100 Euro zu erstehen. Ziemlich schnell merke ich jedoch, dass die meisten Detektoren Münzen nur bis 12 cm Tiefe aufspüren können. Das wäre dann schon ein wenig knapp. Am Ende lande ich bei einem Gerät von Whites, welches zwar fast 400 Euro kostet, dafür aber Münzen bis 40 cm Tiefe aufspürt. So tief kann ein Kaninchenbau eigentlich auch nicht sein. Also einmal tief in die Tasche greifen und schon ist das gute Stück bestellt. Nun aber auf zur Arbeit. Einige Tage später kommt der Detektor an, Jenny hat nur mit dem Kopf geschüttelt, als ich ihr davon erzählt habe. Ein kurzer Test im Wohnzimmer und es zeigt sich, der Detektor ist einfach zu handhaben und funktioniert. Nun muss er sich nur noch im freien Feld bewähren. Am nächsten Sonntag soll es losgehen. Als der große Tag erreicht ist, nieselt es ein wenig. „Ich baue lieber ein Vogelhäuschen, aber Du kannst gerne mit deiner Tochter auf Schatzsuche gehen“ sagt Jenny belustigt. „Ja Papa! Wir finden einen Schatz!“ ruft Xiameh freudig. Also gut, bin ich einmal ein guter Vater und mache mit meiner Tochter eine kleine Schatzsuche. Bewaffnet mit dem Metalldetektor, einen Spaten, einer Packung Butterkeksen und einer Flasche Wasser, schwingen wir uns auf unsere Drahtesel. Am Stein angekommen machen wir alles bereit und fangen mit der Suche an. Kaninchen gibt es hier anscheinend keine mehr, zumindest sind keine Löcher im Boden zu sehen. Kaum ist das Gerät angeschaltet, hat es auch schon etwas gefunden. Aufgeregt hebe ich etwas Erde aus dem Boden und wir durchsuchen den Aushub. „Da Papa, ich habe was!“ ruft Xiameh aufgeregt. „Oh, ein Kronkorken, gut gesehen Xiameh“ lobe ich sie. Es geht weiter und wenige Sekunden später schon der nächste Fund. Diesmal sehe ich den Kronkorken direkt im Gras. Vier weitere Kronkorken später lasse ich Xiameh erst einmal weiter suchen. Der Stein scheint ein beliebter Treffpunkt zu sein, in den nächsten zwei Stunden findet Xiameh noch 17 weitere Kronkorken und eine Schraube. Eisen kann man eigentlich herausfiltern bei dem Gerät, aber ich habe keine Ahnung, aus was so eine Münze eigentlich ist. Meine Klamotten sind schon ganz Klamm vom Nieselregen, Xiameh scheint es eher wenig auszumachen. Begeistert zieht sie einen Kronkorken nach dem anderen aus der Erde. Für sie sind es wirklich Schätze, ich hätte nun lieber einen Kaffee. Anscheinend sind es wirklich nur Träume, in was habe ich mich da hineingesteigert? „Papa? Ich habe jetzt genug Schätze gefunden, darf ich meine Schätze am Bach sauber machen?“ fragt sie nach zwei Stunden. „Okay, viel nasser können wir eh nicht mehr werden. Bleibe aber hier in der Nähe, sodass ich dich sehen und hören kann“ erlaube ich es ihr. Der Bach ist im Moment nur ein kleines Rinnsal, an dem nicht viel passieren kann. Okay, Walter saß hier auf dem Stein, also müsste die Münze direkt daneben sein. Das ist genau die Stelle, wo wir den ersten Spatenstich gemacht haben. Vermutlich hat sie bereits jemand gefunden oder die Münze hat einfach nie existiert. Unmotiviert nehme ich den Detektor zur Hand und lasse die Suchspule über die Stelle schweifen. Wieder schlägt der Metalldetektor an, diesmal im Loch. Das kommt hin, so tief sollten Kronkorken nicht liegen! Aufgeregt hebe ich weitere Erde direkt aus dem Loch aus und durchsuche aufgeregt die Erde. Es ist nichts zu finden. Ich schweife mit dem Detektor über den Aushub und er schlägt nicht an. Dann noch einmal über dem Loch und da ist wieder etwas. Mit dem Spaten hebe ich noch mehr Erde aus und prüfe nun erst mit dem Detektor, bevor ich wieder im Dreck wühle. Diesmal ist die Ursache für das piepen des Detektors im Aushub. Ich lasse mich also wieder auf die Knie und wühle wieder im Dreck. Da ist sie! Da ist tatsächlich eine Münze! Sie ist ziemlich Dreck verkrustet und ich gehe erst einmal zum Bach um sie zu säubern. „Na Papa, hast Du noch etwas gefunden? Meine Kronkorken glänzen alle schon“ äußert sich Xiameh. „Ja, habe ich. Schau einmal, eine Münze“ antworte ich ihr. Nach einigen Minuten habe ich die Münze vom Dreck befreit. Eine fünf Pfennig Münze von 1901. Also ist an den Träumen doch etwas dran! Nun ist nur die Frage, ob ich hellseherische Fähigkeiten entwickelt habe, besessen bin oder ob ich das tatsächlich einmal erlebt habe. So klar wie ich es mit erhofft habe ist es nun doch nicht geworden, ich kann nur ausschließen, dass es reine Hirngespinste sind. Wir machen uns auf den Heimweg und Jenny empfängt uns mit selbst gebackenen Käsekuchen, Kaffee und für Xiameh hat sie ein Schatzkästchen gebastelt. „Doch keine Lust gehabt ein Vogelhäuschen zu bauen?“ frage ich nach. „Nein, ich habe mir gedacht, dass Ihr auch eine Kiste für euren Schatz braucht“ neckt sie mich. „Für Xiamehs Schatz braucht man vielleicht eine Truhe, ich habe nur eine Münze gefunden“ grinse ich und zeige ihr die fünf Pfennig Münze. „Oh, Ihr habt wirklich eine Münze gefunden“ antwortet Jenny etwas verblüfft. So langsam ist es ein wenig unheimlich“ erwidert Jenny überrascht und betrachtet die Münze. Xiameh ist glücklich mit Ihrer Schatztruhe und steckt die blanken Kronkorken in sie hinein, um die Kiste kurze Zeit später in Ihrem Kinderzimmer zu sichern. Ob sich die 400 Euro gelohnt haben weiß ich nicht, aber immerhin hatten wir einen spannenden Tag, Xiameh ist glücklich und ich habe nun Gewissheit, dass diese Träume anscheinend doch etwas mehr sind als nur einfache Träume.

Das alte Leben

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