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Das Bewusstseinsrad

Karten, Metaphern und Mechanismen

So, wie wir uns auf eine Reise vorbereiten, orientieren wir uns für den bevorstehenden Trip, indem wir uns einen Gesamteindruck darüber verschaffen, wohin wir gehen wollen und welcher Weg uns dorthin führt. Eine Karte ist ein nützliches Hilfsmittel, welches das Terrain zeigt, das uns erwartet – die Berge und Täler, die Flüsse und Seen, die Schnell- und Landstraßen, denen wir auf unsere Reise begegnen könnten. Das Bewusstseinsrad bietet die allgemeine Vorstellung eines Rads, um Aspekte des mentalen Lebens darzustellen, Prozesse des Geistes, die nicht unbedingt mit den spezifischen räumlichen Lokalisierungen innerhalb unseres Gehirns oder anderen physischen Strukturen korrespondieren. Es ist eine visuelle Metapher, die versucht, eine Karte des Terrains unseres mentalen Lebens zu zeigen.

Doch eine Karte des Raums zu visualisieren, wie es das Rad tut, kann von großem Vorteil sein, um uns auf unserer Reise zum Geist anzuleiten. Aus diesen Gründen ist es wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass das Rad – und Karten im Allgemeinen – lediglich eine symbolische Darstellung ist; es ist nicht das tatsächliche Terrain. Wenn eine Karte für das tatsächliche Terrain gehalten wird, könnte es zu großer Verwirrung und Frustration kommen. Wenn Sie beispielsweise von Kalifornien zum Grand Canyon Arizonas reisen und währenddessen die schönen Frühlingsfotos auf der farbigen Karte, die Sie benutzen, visualisieren, könnten Sie bestürzt sein, wenn Sie ankommen, und stattdessen nur schneebedeckte Klippen entdecken, da es im Grand Canyon tatsächlich Dezember ist. In diesem Szenario ist es möglich, dass Sie, indem Sie sich in die Bilder der Karte verlieben, die Herrlichkeit des wirklichen Canyons aus den Augen verlieren.

Ein anderes potenzielles Risiko, Karten zu benutzen, liegt darin, dass Sie sich auf Ihrem Weg nur auf den Zielort fokussieren könnten und die Gelegenheit versäumen, die Wirklichkeit dieser Reichtümer, welche die Reise selbst bietet, zu erfahren.

Das Rad als visuelle Metapher – als eine Karte – für den Geist zu gebrauchen, hat dieselben potenziellen Kehrseiten. Je nachdem, wie wir sie nutzen, können wir von ihr profitieren. Während wir das Bewusstseinsrad als Werkzeug für die persönliche Transformation nutzen, und uns eben nicht nur auf einen imaginierten Endpunkt oder ein idealisiertes Ziel fokussieren, lassen Sie uns die Reise genießen und erleben. Dies wird beim Gebrauch des Rads auf konstruktive und befreiende Art und Weise wesentlich sein. Abgesehen davon, lassen Sie uns einen Blick auf die Einzelteile der Karte werfen und sehen, was sie in unserem Leben bedeuten könnten.

Wie wir besprochen haben, stellt die Nabe des Rads die Erfahrung des Gewahrseins, des Wissens, dar. Der Rand repräsentiert das, dessen wir gewahr sind, das Gewusste des Bewusstseins. Das Bild des Rads stellt eine Verknüpfung des Wissens der Nabe mit dem Gewussten des Rands über eine Speiche der Aufmerksamkeit dar. Die einzelne Speiche des Rads (im Gegensatz zu den vielen Speichen in einem tatsächlichen Rad) ist ein Symbol für fokale Aufmerksamkeit, das präzise Strömen des Energie- und Informationsflusses, den wir zu jedem beliebigen Zeitpunkt aufs Gewahrsein richten.

Die Grundidee besteht darin, das Bewusstsein zu integrieren und den Geist zu stärken, indem der Energie- und Informationsfluss differenziert und innerhalb des Gewahrseins verknüpft wird. Da Regulation Beobachten und Modifizieren bedeutet, stärkt das Rad den Geist, indem es die Art und Weise festigt, wie wir den Energie- und Informationsfluss verfolgen und wie wir dann diesen Fluss integrierend transformieren. So benutzen wir das Rad, um unser Leben zu integrieren.

Während Sie das Rad als eine Idee und Übung erkunden, könnte es nützlich sein, sich daran zu erinnern, dass diese visuelle Metapher für den Geist eine große Hilfe beim Erkunden Ihres mentalen Lebens sein kann. Doch sobald Sie zu Ihrer Reise zum Grand Canyon aufgebrochen sind, und insbesondere dann, wenn Sie dort ankommen, behalten Sie die Karte in Ihrer Tasche und genießen Sie die Erfahrung der Reise an sich. Lassen Sie die Karte Ihre Hilfe sein und nicht Ihr Gefängnis. Erkunden und genießen Sie Ihren Geist.

Das einfache und das vollständige Bewusstseinsrad

Bevor wir unsere Übung mit dem einfachen Bewusstseinsrad beginnen, möchte ich gerne einen Überblick über die ganze bevorstehende Reise geben. Detailliertere Anleitungen zu jedem Teil der Übung werden in den folgenden Abschnitten angeboten, doch hier werden Sie alle Schritte finden. Das einfache Bewusstseinsrad führt Sie durch die wesentliche Erfahrung der Radmetapher, um die Natur des Bewusstseins und seiner differenzierten Teile zu beleuchten, einschließlich der Nabe des Wissens, des Rands des Gewussten und der Speiche der Aufmerksamkeit (Nummer 1 bis 4 und dann 6 in der Übung des vollständigen Rads). Die vollständige Rad-Übung geht darüber hinaus, um das Gewahrsein des Gewahrseins zu entwickeln, und zwar, indem die Aufmerksamkeitsspeiche in Richtung Nabe des Wissens zurückgebogen wird (Nummer 5) und der Fokus auf eine auf Innen-, Zwischen- und »Ich-Wir«- ausgerichtete Fürsorge und Anteilnahme (Nummer 7) innerhalb des vierten Randsegments, indem die positive Absicht und Freundlichkeit bekundet wird.

Nochmals, wenn Sie einfach mit dem Rad als eine Übung beginnen, empfehle ich Ihnen, mit den Grundschritten Nummer 1 bis 6 anzufangen, indem Sie Nummer 5 auslassen. Wenn Sie Erfahrungen mit anderen Übungen der inneren Einkehr haben oder bereit sind, sich in das vollständige Rad zu vertiefen, dann probieren Sie alle Schritte von 1 bis 7 aus. Wie auch bei der Atemübung, rufen Sie sich in Erinnerung, dass Sie diese Schritte nachlesen und sie dann aus dem Gedächtnis ausprobieren können oder sie sich von einem Freund vorlesen lassen.

Jeder dieser sieben Schritte, die alle zusammen das vollständige Bewusstseinsrad bilden, wird in der folgenden Übersicht der Rad-Übung zusammengefasst.

Die vollständige Rad-Übung

Die vollständige Bewusstseinsrad-Übung kann folgendermaßen skizziert werden:

1. Atem: Beginnen Sie mit dem Atem, um die Aufmerksamkeit zu verankern und sich für die Rad-Übung zu erden.

2. Die ersten fünf Sinne auf dem ersten Randsegment: Lassen Sie den Atem als Fokus der Aufmerksamkeit los und richten Sie den Fokus auf das erste Randsegment – die ersten fünf Sinne, indem Sie sich jeweils einem Sinn widmen: hören, sehen, riechen, schmecken und berühren.

3. Interozeption auf dem zweiten Randsegment: Nehmen Sie einen tiefen Atemzug, und bewegen Sie die Speiche zum zweiten Randsegment, das die inneren Signale des Körpers repräsentiert. Bewegen Sie systematisch die Speiche der Aufmerksamkeit um den Körper, indem Sie mit den Empfindungen der Muskeln und Knochen der Gesichtsregion beginnen und dann fortfahren, jeweils zu den Empfindungen des Kopfes, des Nackens, der Schultern, der Arme, des oberen Rückens und der Brust, des unteren Rückens und der Muskeln des Bauchs, der Hüften, der Beine und des Beckenbereichs. Gehen Sie nun zu den Empfindungen der Genitalien, im Bauch, des Atemsystems, des Herzens und des ganzen Körpers über.

4. Mentale Aktivitäten auf dem dritten Randsegment: Nehmen Sie einen tiefen Atemzug, und bewegen Sie die Speiche zum dritten Randsegment, das die mentalen Aktivitäten repräsentiert. Erster Teil: Laden Sie jede Art mentaler Aktivität – Gefühle, Gedanken, Erinnerungen, was auch immer – ins Gewahrsein ein. Viele Dinge könnten auftauchen oder nichts könnte auftauchen; was immer auch geschieht, es ist in Ordnung. Zweiter Teil: Nochmals, laden Sie alles ins Gewahrsein ein, doch dieses Mal widmen Sie besondere Aufmerksamkeit der Art und Weise, wie die mentalen Aktivitäten auftauchen, bleiben Sie präsent, und dann verlassen Sie das Gewahrsein. Wenn eine mentale Aktivität nicht sofort durch eine andere Aktivität ersetzt wurde, wie fühlt sich die Lücke dazwischen an, bevor eine neue Aktivität auftaucht?

5. Nabe-in-Nabe mit Gewahrsein des Gewahrseins: Bevor wir die Speiche der Aufmerksamkeit zum vierten und letzten Randsegment bewegen, werden wir die Nabe selbst erkunden. Mit anderen Worten, wir werden unsere Fähigkeit stärken, des Gewahrseins gewahr zu sein. Dies kann erreicht werden, indem man sich vorstellt, die Speiche der Aufmerksamkeit so zurückzubiegen, dass sie selbst auf die Nabe zurückverweist: Manche bevorzugen das Bild, wie die Speiche in die Nabe zurückgezogen wird oder wie sie in der Nabe des Gewahrseins bleibt. Welche Vorstellung oder welches visuelle Bild für Sie auch immer am besten funktioniert, die Idee dieses Teils der Übung ist die gleiche: Gewahrsein des Gewahrseins selbst (lassen Sie eine Minute oder mehr Zeit verstreichen). Finden Sie zurück zum Atem, und folgen Sie dem Einatem und Ausatem, ein und aus … Sie können sich nun bereitmachen, die Speiche auf das vierte und letzte Randsegment, unseren relationalen Sinn auszurichten und auszufahren.

6. Der relationale Sinn auf dem vierten Randsegment: Im letzten Randsegment werden wir unsere Verbundenheit mit anderen Menschen und unserer Umwelt, in die wir hineingeboren wurden, erkunden. Lassen Sie uns mit jemandem beginnen, die oder der gerade in Ihrer Nähe ist. Öffnen Sie sich für die Verbindung zu Freunden und zur Familie … für eine Verbindung zu Menschen, mit denen Sie arbeiten … mit Menschen, die in Ihrer Nachbarschaft leben, die Teil Ihrer Gemeinde sind … die in Ihrer Stadt leben … Öffnen Sie sich für eine Verbindung zu jenen, die zu Ihrem Land oder Ihrer Religion gehören … zu den Menschen, die in Ihrem Land leben … Nun öffnen Sie sich für eine Verbindung zu allen Menschen, die auf der Erde leben… und nun sehen Sie, ob Sie sich der Verbundenheit mit allen Lebewesen auf der Erde öffnen können…

7. Kultivierung einer freundlicher Absicht: Die Wissenschaft hat neuerdings herausgefunden, was die Weisheitstraditionen seit vielen Jahren gewusst haben – dass nämlich die Entwicklung von freundlicher Absicht, Fürsorge, Empathie und Mitgefühl positive Veränderungen für unsere Innen- und interpersonellen Welten herbeiführen kann. Daher lade ich Sie dazu ein, die folgenden Sätze still in Ihrem Geist zu wiederholen. Wir werden mit kurzen, einfachen Sätzen der Freundlichkeit beginnen und dann übergehen zu ausführlicheren Absichten.

Mögen alle Lebewesen… glücklich sein.

Mögen alle Lebewesen… gesund sein.

Mögen alle Lebewesen… sicher sein.

Mögen alle Lebewesen… blühen und gedeihen.

Nach einem tiefen Atemzug schicken wir nun die gleichen Wünsche, etwas konkreter formuliert, zu unserem tieferen Ich, einem inneren Gefühl dessen, wer wir sind:

Möge ich … glücklich sein und ein sinnvolles, mit anderen verbundenes und gelassenes Leben mit einem spielerischen, dankbaren und freudigen Herzen führen.

Möge ich gesund sein und einen Körper haben, der mir Energie und Flexibilität, Kraft und Stabilität verleiht.

Möge ich … sicher und geschützt vor innerer und äußerer Verletzung sein.

Möge ich … blühen und gedeihen und mit der Leichtigkeit und Wohlbefinden leben.

Indem wir wieder einen tiefen Atemzug nehmen, schicken wir nun die gleichen Wünsche einem integrierten Gefühl dessen, wer wir sind. Indem wir unser inneres Ich mit unserem vernetzten Wir verbinden, fahren wir mit Wünschen freundlicher Absicht für dieses Ich-Wir fort.«3

Mögen Ich-Wir glücklich sein und ein sinnvolles, mit anderen verbundenes und gelassenes Leben mit einem spielerischen, dankbaren und freudigen Herzen führen.

Mögen Ich-Wir… gesund sein und einen Körper haben, der mir/uns Energie und Flexibilität, Kraft und Stabilität verleiht.

Mögen Ich-Wir… sicher und geschützt vor allen Arten inneren und äußeren Schadens sein.

Mögen Ich-Wir… blühen und gedeihen und mit der Leichtigkeit und Wohlbefinden leben.

Ich lade Sie nochmals dazu ein, sich mit dem Atem zu verbinden und ein- und auszuatmen … Indem Sie Ihre Augen öffnen, falls diese geschlossen sind, endet diese Übung mit dem Bewusstseinsrad.

Eine Karte des einfachen Bewusstseinsrads

Bevor Sie sich in die Übung mit dem Rad stürzen, lassen Sie uns zuerst unsere Karte nochmals in Augenschein nehmen. Sie werden sich daran erinnern, dass der Rand in vier Segmente unterteilt werden kann. Das erste Segment umfasst unsere ersten fünf Sinne: hören, sehen, riechen, schmecken und berühren. Das zweite Segment des Rands umfasst die Empfindungen des Körperinneren – die Signale unserer Muskeln und Knochen sowie die Signale, die von unseren inneren Organen ausgehen, wie etwa von unserem Darm, den Lungen und von unserem Herzen. In der Wissenschaft nennen wir dies Interozeption, für die Perzeption (-zeption) des Inneren (-intero), und wir nennen dies den sechsten Sinn. Das dritte Segment des Rands repräsentiert unsere mentalen Aktivitäten, wie etwa unsere Emotionen, Gedanken und Erinnerungen.

Wir können diese unseren siebten Sinn nennen – unsere Fähigkeit, uns solcher mentalen Aktivitäten gewahr zu sein. Auf dem vierten Randsegment liegt unser Vernetzungssinn mit Dingen außerhalb unseres Körpers – unsere Beziehungen zu anderen Menschen, zu Haustieren, zum Planeten, zur Natur, zu Gott und zu allem anderen außerhalb des Körpers oder zu dem, was über diesen hinausreicht. Diesen nennen wir unseren relationalen Sinn, unseren achten Sinn.

Jeder dieser Sinne ist eine Form des Energie- und Informationsflusses, ein bestimmter Aspekt der Energie, die entsprechend den CLIFF-Merkmalen variiert: Kontur, Lokalisation, Intensität, Frequenz und Form (»CLIFF« ist ein engl. Akronym für «contour, location, intensity, frequency, form«, A.d.Ü.). Einen »Energiefluss« wahrzunehmen heißt einfach, für diese Variablen und die verschiedenen Energiemuster, die sie bilden und in Ihre Erfahrung überführen, offen zu sein.

Die Aufmerksamkeitsspeiche kann diese Energiemuster systematisch zur Nabe des Gewahrseins, zur Erfahrung des Wissens, lenken. Sie können die Speiche lenken, indem Sie die Aufmerksamkeit in der Übung, Segment für Segment um den Rand herum, ausrichten. Ihr Geist kann auch »seinen eigenen Kopf haben« und die Aufmerksamkeit kann sich verändern, vom Gelenkt-Werden zum Abgelenkt-Werden in Richtungen, die sich Ihrer Wahl entziehen. Wie wir in der Atem-Gewahrseins-Übung gesehen haben, ist das die Art und Weise, wie der Geist funktioniert.


Wenn es also für Sie möglich ist, erinnern Sie sich bitte daran, freundlich zu sich selbst zu sein, indem Sie offen, geduldig und verständnisvoll sind. Rufen Sie sich ins Gedächtnis, dass abgelenkt zu werden lediglich bedeutet, dass Sie ein Mensch sind.

Wenn die Aufmerksamkeit Energie ins Gewahrsein strömen lässt, handelt es sich um fokale Aufmerksamkeit. Manchmal werden Sie gelenkte fokale Aufmerksamkeit haben; zu anderen Zeiten abgelenkte fokale Aufmerksamkeit. Zu bestimmten Zeiten während der Übung werden Sie, wie in den ersten beiden Segmenten, die Komponente fokussierter Aufmerksamkeit verbessern. Sie werden absichtsvoll die Aufmerksamkeit auf die ersten fünf Sinne und dann auf den sechsten Sinn lenken. Doch natürlich können während der Übung mit dem Rad Ablenkungen auftreten, und genau so, wie Sie es bei der Atemübung machen, nehmen Sie die Ablenkung zur Kenntnis, lassen sie los und lenken dann die Aufmerksamkeit auf irgendeinen Aspekt des Rands, den Sie in diesem Moment fokussieren, zurück.

Während der Übung werden Sie dazu angeleitet, die Aufmerksamkeit zu verlagern, um neue Aspekte des Energie- und Informationsflusses aufzunehmen, Randsegment für Randsegment, und indem Sie das tun, werden Sie Ihre Fähigkeit stärken, die Aufmerksamkeit zu lenken, den Fokus der Aufmerksamkeit absichtlich zu verschieben.

Sobald wir zum dritten Randsegment kommen, werden wir uns mit einem anderen Aspekt der Stärkung des Geistes beschäftigen, nämlich mit einem Prozess, der als offenes Gewahrsein bezeichnet wird. Im Gegensatz zum absichtsvollen Fokus auf einen Randpunkt mithilfe fokussierter Aufmerksamkeit in den beiden ersten Segmenten werden Sie nun einen anderen Prozess ausprobieren, das offene Beobachten. Lassen Sie hier das Gewahrsein sich füllen mit allem, was einströmt. Es könnte nichts auftauchen oder es könnten viele Dinge auftauchen. Was immer auch eintritt, es ist einfach das, was ins Bewusstsein einströmt. Wie wir später noch ausführlicher sehen werden, ist es genauso wichtig, unsere Fähigkeit zum offenen Gewahrsein zu stärken wie die der fokussierten Aufmerksamkeit, weil es uns dazu befähigt, die Erfahrung des Gewahrseins (das Wissen der Nabe) vom dem zu unterscheiden, dessen wir gewahr sind (die Punkte auf dem Rand). Diese Fähigkeit, das Wissen vom Gewussten, die Nabe vom Rand, zu unterscheiden, ermöglicht uns innere Freiheit. Diese Integration des Bewusstseins hilft uns zu vermeiden, dass wir uns nur mit den sich stets verändernden Randinhalten unseres Geistes identifizieren, mit den mentalen Aktivitäten, in die wir oft hineingezogen werden, indem »wir uns in unserem Rand verlieren«. Offene Aufmerksamkeit erlaubt der Nabe des Rads zu einem Zufluchtsort der Klarheit inmitten des manchmal unaufhörlichen Geplappers der mentalen Aktivitäten auf dem Rand zu werden. Dies ist die Klarheit, dass das integrierende Bewusstsein – das Differenzieren und Verknüpfen von Nabe und Rand – uns stärken kann, um während der Übung einen Geisteszustand zu erleben, den wir dann als Gelassenheit und Resilienz in unserem Alltagsleben genießen.

Von dem offenen Gewahrsein des dritten Segments werden wir voranschreiten, um das vierte Randsegment zu erkunden, den Sinn für die Verbundenheit zu Menschen oder unserer Umwelt. Dieser relationale Sinn umfasst das Fokussieren auf bestimmte Empfindungen, und damit werden wir weiterhin den Beobachtungsaspekt des Geistes stärken. Dieses Segment enthält auch einen Sinn für Vernetzung und Freundlichkeit, indem es dazu befähigt, über uns selbst hinauszugehen – sogar noch bevor wir, in der vollständigen Version der Rad-Übung, freundliche Wünsche hinzufügen. Das relationale Segment des Rands hilft so, die dritte wissenschaftlich belegte Säule des Geistestrainings zu entwickeln, nämlich die Kultivierung freundlicher Absicht, indem wir unseren Sinn für Mitgefühl und Verbundenheit mit der Welt entwickeln.

Die Übung mit dem Rad gibt uns zudem Gelegenheit, in einer Sitzung die große Bandbreite der Erfahrungen, die in unserem mentalen Leben auftauchen, Tag für Tag systematisch zu erkunden, und dies auf eine Art und Weise, die uns dabei unterstützt, unserem häufig fragmentierten und hektischen Leben außerhalb der Übung innerer Einkehr näher zu kommen, mit Fokus, Ruhe und Mitgefühl.

Bereit, loszulegen?

Mit dem einfachen Bewusstseinsrad üben

Suchen Sie sich einen ruhigen Ort aus, an dem Sie für ungefähr eine halbe Stunde ungestört sitzen, liegen oder stehen können. Schalten Sie Ihre mobilen Geräte aus. Schauen Sie sich nochmals das Rad-Diagramm an (die Abbildung im ersten Abschnitt). Sie müssen lediglich die Struktur des Rads kennen; es ist nicht nötig, das Rad als eine Karte visualisieren zu können. Rufen Sie sich ins Gedächtnis, dass die Nabe das Wissen des Gewahrseins repräsentiert; der Rand das Gewusste und die Speiche den Fokus der Aufmerksamkeit. (Nochmals, es empfiehlt sich, sich die ganze Übung durchzulesen, bevor Sie die Übung ausprobieren, und sich dann selbst aus dem Gedächtnis anzuleiten. Beginnen Sie mit dem einfachen Rad; das vollständige werden wir später auf unserem Weg erkunden.

Lassen Sie uns beginnen, indem wir uns auf den Atem als eine Möglichkeit der Zentrierung fokussieren. Lassen Sie die Empfindung des Atems einfach Ihr Gewahrsein füllen. Ziehen Sie Ihre Aufmerksamkeit von Ihrem Atem weg. Stellen Sie sich vor, im Zentrum des Rads zu sein, in der Nabe des Wissens, des Gewahrseins. Stellen Sie sich vor, wie Sie eine Speiche der Aufmerksamkeit von der Nabe des Wissens auf das erste Segment des Rands richten. Beginnen Sie damit, die Aufmerksamkeit auf die Empfindung des Hörens zu richten, indem Sie das Gewahrsein sich mit Klang füllen lassen … (Es kann hilfreich sein, bei jeder Empfindung fünfzehn bis dreißig Sekunden zu verweilen.)

Lassen Sie nun das Hören los, und rücken Sie die Aufmerksamkeitsspeiche ein bisschen weiter auf diesem ersten Segment zum Sehsinn vor, indem Sie das Gewahrsein sich mit Licht füllen lassen …

Lassen Sie nun die Aufmerksamkeitsspeiche wieder vorrücken, und gehen Sie zum Geruchssinn über, indem Sie das Gewahrsein sich mit Düften füllen lassen …

Rücken Sie nun die Aufmerksamkeitsspeiche vor, indem Sie sich dem Geschmackssinn öffnen und das Gewahrsein sich mit Geschmäckern füllen lassen…

Lassen Sie nun die Aufmerksamkeitsspeiche zum Tastsinn vorrücken, indem Sie das Gewahrsein sich mit der Empfindung von Haut, die Haut berührt (Hand in Hand), von Haut, die Kleidung und Boden berührt, füllen lassen …

Einen tiefen Atemzug nehmend rücken Sie nun die Aufmerksamkeitsspeiche zum nächsten Segment des Rands vor, das das Innere des Körpers repräsentiert – die Empfindungen der Muskeln und Knochen sowie der inneren Organe. (Hier wird die Zeitdauer für jeden erwähnten Körperteil variieren, zwischen ein paar Sekunden und fünfzehn Sekunden oder so.) Lassen Sie uns mit der Gesichtsregion beginnen, indem Sie die Empfindungen der Gesichtsmuskeln und -knochen das Gewahrsein füllen lassen … Lenken Sie die Aufmerksamkeit zur Stirn und zur oberen Kopfhaut, nun an den Seiten der Kopfhaut hinunter, an den Ohren vorbei und zu den Muskeln und Knochen des Halses und Nackens. Lenken Sie nun die Aufmerksamkeit zu den Schultern, und lassen Sie sie beide Arme hinab zu den Fingerspitzen strömen … Bringen Sie nun die Aufmerksamkeit zum oberen Rücken und zur Brust … nun zum unteren Rücken und den Bauchmuskeln … und nun fokussieren Sie die Aufmerksamkeit auf die Empfindungen der Lippen … und lassen Sie die Aufmerksamkeit beide Beine hinab zu den Zehenspitzen strömen.

Fokussieren Sie nun die Aufmerksamkeit auf die Beckenregion. Öffnen Sie das Gewahrsein für die Empfindungen der Geschlechtsorgane … richten Sie die Aufmerksamkeit auf das Innere des Bauchs, indem Sie mit den Organen tief im Bauch beginnen … und nun bewegen Sie sich aufwärts zur Magenregion im Oberbauch … und nun folgen Sie den Empfindungen vom Magen durch die Brustmitte, indem Sie sich den Empfindungen in der Speiseröhre öffnen, die den Magen mit der Kehle und dem Mundinneren verbindet. Gehen Sie nun zum Atmungsapparat über, indem Sie hinter den Wangenknochen mit den Empfindungen der Nebenhöhlen beginnen … dann zur Nase … und zum Mund … und dann die Kehle vorne hinunter zur Luftröhre, der Röhre, welche die Leben spendende Luft in die Mitte der Lungen bringt, in das Innere des Brustkorbs … zu den Lungen, die sich auf beiden Seiten ausdehnen und zusammenziehen … Lassen Sie nun den Fokus der Aufmerksamkeit zur Herzregion übergehen, indem Sie das Gewahrsein den Empfindungen des Herzens öffnen.

Lassen Sie nun die Empfindungen des ganzen Körperinneren das Gewahrsein füllen, vom Kopf bis zu den Zehen. Inzwischen hat die Wissenschaft aufgezeigt hat, was die Weisheitstraditionen seit vielen Jahren wussten: Das Öffnen des Gewahrseins für die Empfindungen des Körpers ist eine machtvolle Quelle der Weisheit und Intuition. Daher lade ich Sie dazu ein, einen tieferen Atemzug zu nehmen und – im Wissen, dass Sie stets zum Erkunden dieser sechs Sinne der Körperempfindungen zurückkehren können – die Aufmerksamkeitsspeiche zum nächsten Randsegment vorzurücken.

Wir werden nun die Speiche der Aufmerksamkeit auf das dritte Randsegment fokussieren, das Segment, das die mentalen Aktivitäten der Emotionen, Gedanken, Erinnerungen, Vorstellungen, Absichten, Hoffnungen und Träume repräsentiert. Ich ermutige Sie dazu, alle mentalen Aktivitäten einzuladen – Gedanken, Gefühle und Erinnerungen –, zur Nabe des Wissens zu kommen. Seien Sie offen für alles, was vom Rand auftaucht – oder eben nicht auftaucht. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Viele Dinge könnten kommen oder nichts könnte kommen. Öffnen Sie einfach die Nabe für alle mentalen Aktivitäten vom Rand. Lassen Sie uns mit dieser Übung sogleich beginnen … (und fahren Sie damit für anderthalb Minuten fort.)

Während Sie alle mentalen Aktivitäten in die Nabe des Wissens einladen, lade ich Sie als Nächstes dazu ein, die Aufmerksamkeit besonders darauf zu richten, wie eine mentale Aktivität, also ein Gedanke, zuerst ins Gewahrsein tritt. Taucht sie plötzlich oder allmählich auf? Sobald sie sich selbst dem Gewahrsein gezeigt hat, auf welche Art und Weise bleibt sie präsent? Ist sie stabil? Vibrierend? Und wie verlässt die mentale Aktivität, der Gedanke, die Erinnerung oder die Emotion, das Gewahrsein? Geht sie von einem »Ort« zu einem anderen? Allmählich oder plötzlich? Wird sie lediglich durch eine andere mentale Aktivität, also einen anderen Gedanken, ein Gefühl oder eine Erinnerung ersetzt? Und wenn nicht, wie fühlt sich die Lücke zwischen der einen mentalen Aktivität und der nächsten an? Ich lade Sie dazu ein, die Architektur des mentalen Lebens zu erforschen, indem Sie studieren, wie mentale Aktivitäten zuerst im Gewahrsein auftauchen, präsent bleiben und dann das Gewahrsein verlassen. Lassen Sie uns mit der Übung beginnen, gleich jetzt … (und fahren Sie für anderthalb Minuten damit fort).

(Hinweis: Wenn Sie die vollständige Rad-Übung machen, geschieht dies dann, wenn Sie die Speiche zur Nabe zurückbiegen. Ich gehe darauf in einem späteren Kapitel ein.)

Ich lade Sie dazu ein, einen tiefen Atemzug zu nehmen und dann die Speiche der Aufmerksamkeit zum vierten und letzten Segment des Rands vorzurücken. Dies ist der Teil des Rands, der unseren relationalen Sinn repräsentiert, unsere Verbundenheit zu anderen Menschen und unserer Umwelt, in die wir hineingeboren wurden.

Mithilfe der Aufmerksamkeitsspeiche auf diesem vierten Randsegment lassen Sie nun das Gewahrsein sich mit dem Gefühl der Verbundenheit zu Menschen füllen, die Ihnen körperlich nah sind, genau jetzt. Öffnen Sie sich dann für das Gefühl der Verbundenheit mit der Familie und mit Freunden, die weiter weg sind. Nun lassen Sie das Gewahrsein sich mit einem Gefühl der Verbundenheit mit Menschen füllen, mit denen Sie arbeiten – in der Schule, am Arbeitsplatz, in Ihrer Gemeinde. Öffnen Sie sich für das Gefühl der Verbundenheit mit Menschen, die in Ihrer Nachbarschaft leben … für das Gefühl der Verbundenheit mit Menschen, die Ihrer Gemeinde angehören … Mit Menschen, die in Ihrem Dorf oder Ihrer Stadt leben … und nun öffnen Sie sich dem Gefühl der Verbundenheit mit Menschen, die in Ihrer Region oder Ihrem Bundesland leben … und mit Menschen, die in Ihrem Land leben … mit Menschen, die auf dem gleichen Kontinent wie Sie leben. Und nun sehen Sie, ob Sie Ihr Gefühl der Verbundenheit allen Menschen gegenüber öffnen können, die auf diesem kostbaren Planeten leben, diesem Ort, den wir Erde genannt haben.

Und nun sehen Sie, ob Sie dieses Gefühl der Verbundenheit auf alle Lebewesen auf der Erde ausdehnen können…

(Bei der Übung mit dem vollständigen Rad geschieht dies, wenn Sie die Wünsche freundlicher Absicht hinzufügen.)

Ich lade Sie ein, nun wieder zum Atem zurückzufinden und den Atemwellen zu folgen, ein und aus … Während Sie einen bewussteren und vielleicht tieferen Atemzug nehmen, bereiten Sie sich darauf vor, Ihre Augen zu öffnen, wenn sie geschlossen gewesen sind, und diese Übung mit dem Bewusstseinsrad für heute zu einem Ende kommen zu lassen.

Über den Geist nachdenken: Ihre Erfahrung mit dem einfachen Rad

Sie haben gerade die Übung mit dem einfachen Bewusstseinsrad durchgeführt. Wie war das für Sie? Fanden Sie es schwierig, Ihre Aufmerksamkeit auf den verschiedenen Segmenten des Rands aufrechtzuerhalten? Wie war es für Sie, die Aufmerksamkeit zurückzuholen, sobald eine Ablenkung die Kontrolle über das Gewahrsein übernahm? Wie fühlten sich die verschiedenen Aspekte der Übung für Sie an? Lassen Sie uns diese nochmals in Augenschein nehmen, Segment für Segment. Vielleicht hilft es Ihnen, in diesem Abschnitt und in weiteren, Ihre Überlegungen in ein spezielles Tagebuch hineinzuschreiben, an einen Ort, an den Sie zurückkehren können, während wir auf unserer Forschungsreise zum Geist fortfahren.

Im ersten Segment, den fünf Sinnen, wie fühlte sich der Klang an? Haben Sie irgendeine Veränderung in der Qualität des Hörens bemerkt, als der Klang zum einzigen Fokus in diesem Moment ausgewählt wurde? Wie fühlte sich das Licht an, als Sie sich auf visuelle Empfindungen fokussierten? Wie kamen Ihnen Farbe und Kontrast vor, als das Sehen von anderen Sinnen unterschieden wurde? Mit dem Geruchssinn als Fokus, wie fühlten sich die Gerüche im Gewahrsein an? Waren sie schwieriger oder einfacher als die anderen Empfindungen wahrzunehmen? Wie fühlte es sich an, zum Schmecken überzugehen? Haben Sie Ihren Mund oder Ihre sich bewegende Zunge bemerkt, um die Empfindungen des Schmeckens zu steigern? Und wie fühlte es sich an, die Haut des Körpers zu »scannen«, während Sie der Berührungsempfindung gewahr wurden? Fühlten sich bestimmte Bereiche empfindlicher als andere an?

Sich diese Zeit zu nehmen, um die ersten fünf Sinne voneinander zu differenzieren, ermöglicht vielen Menschen eine gesteigerte Erfahrung des Gewahrseins jedes sensorischen Stroms. Durch Übung wird diese Fähigkeit, klarer und detaillierter wahrzunehmen, Ihre Freude am täglichen Leben erhöhen, indem Sie Ihren Alltagserfahrungen mehr Intensität und Vergnügen sowie mehr Lebendigkeit verschafft.

Während Sie sich auf das zweite Segment des Rands fokussierten, wie fühlte es sich an, die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken? Wie fühlte es sich an, sich auf die Empfindungen der Muskeln und Knochen zu fokussieren? Wurden Sie Empfindungen gewahr, die vielleicht für Ihr Gewahrsein neu waren? Empfindungen gibt es sogar außerhalb des Gewahrseins, aber sie werden nur dann zu einem Teil unserer subjektiven Erfahrung, wenn wir sie ins Bewusstsein bringen, und zwar mithilfe fokaler Aufmerksamkeit, ob mit gelenkter oder abgelenkter. Wie fühlte es sich an, die Aufmerksamkeit auf diese Empfindungen zu lenken? Gab es irgendwelche Bereiche, die herausfordernder waren als andere?

Als wir zu den Organen des Körpers übergingen, indem wir mit den Empfindungen in den Genitalien begannen, wie fühlte sich das an? Verschiedene Empfindungen könnten verschiedene Gefühle evozieren, einschließlich Erinnerungen an die Vergangenheit oder Körpersignale, die gerade jetzt stattfinden. Für diese Signale offen zu werden, insbesondere für die der Genitalien, kann – wenn man in bestimmten Gemeinschaften aufwächst, wo es unangenehm ist, darüber zu sprechen, oder wenn es eine Erfahrung sexuellen Traumas gegeben hat – dieses Segment der Rad-Übung ziemlich herausfordernd machen. Wenn es Ihnen schwerfiel, diese Signale wahrzunehmen oder diese sie überwältigten, könnte dies ein Weg sein, dass Erstarrung oder Chaos mit der Geschichte dieser Körperregion verbunden für Sie sind. Wenn Sie diese Erfahrung gemacht haben, ziehen Sie in Betracht, sich Zeit für einen speziellen Fokus auf diesen Bereich bei künftigen Übungen zu nehmen, und wenn die Erfahrung überwältigend wird, dann kann es sehr hilfreich sein, darüber Tagebuch zu führen oder sich professionelle Unterstützung zu suchen.

Wenn ein Teil der Rad-Übung eine überwältigende Empfindung hervorruft, können Sie die Übung auch stets abändern, um selbst zu beobachten, was vor sich geht, und eine Veränderung vorzunehmen, um jedes Unwohlsein, das sich im Moment unerträglich anfühlt, auszugleichen. Rufen Sie sich Teresas Erfahrung mit dem Rad ins Gedächtnis, das wir im zweiten Kapitel des Buches besprochen haben, und wie es ihr half, die Aspekte durchzugehen und ungelöste traumatische Probleme zu transformieren. Zu einem Aspekt des Rands zurückzukehren, der besonders beunruhigend war, ist etwas, für das Sie sich entscheiden können, um diese Erfahrung in Ihr ganzes Leben zu integrieren. Was sich beim ersten Schritt unangenehm anfühlte, wird durch Übung tiefergehend verständlich, indem Sie herausfinden, welche Bedeutung jene Empfindungen in Ihrem Leben haben – jetzt und in der Vergangenheit. Wir sind einzigartige Individuen, und Ihre besondere Erfahrung wertzuschätzen ist wichtig, während Sie sich auf diese Reise begeben.

Als wir zum Fokus auf das Innere des Bauchs übergingen, wie fühlte sich das für Sie an? Unsere Bauchorgane besitzen unzählige neuronale Netzwerke und Neurotransmitter, und das Gewahrsein für sie zu öffnen, kann ein wichtiges Fenster zur Weisheit der »Bauch-Gefühle« werden. Nicht jede Intuition des Bauchs oder des Körpers generell ist richtig, doch offen zu sein für das, was diese Signale uns sagen wollen, kann uns helfen, in Kontakt mit nicht-logischer Verarbeitung zu kommen.

Als Sie die Aufmerksamkeit in den unteren Bauch zur Magenregion lenkten, wie fühlte sich das für Sie an? Wie war es, sich den Empfindungen der Speiseröhre zu öffnen? Für viele ist das ziemlich neu. Und in der Mundhöhle, im Mundinneren, gibt es viele Signale, die mit allerlei früheren Erfahrungen verbunden sein könnten. Wenn Sie Ihr Gewahrsein dieser unterschiedlichen Körperempfindungen erweitern, könnten Sie entdecken, dass das, was auftaucht, eine Mischung aus dem, was im Moment geschieht, und den Elementen der Vergangenheit ist.

Als wir den Fokus auf den Atemapparat legten, wie fühlte es sich an, die fokale Aufmerksamkeit auf die Nebenhöhlen und dann den Hals hinunter zu lenken? Manchmal verbirgt sich Angst in diesem Bereich, und diese kann gespürt werden, indem wir die Luftröhre hinunter in die Lungen wandern und es schwer finden, Atem zu holen. Die Empfindungen des Körpers zu unterstützen, ganz gleich, aus welchen Bereichen in diesem Moment auffällige Signale gesendet werden, ist ein wichtiger Teil des interozeptiven oder inneren körperlichen Gewahrseins.

Als wir zur Herzregion übergingen, wie fühlte sich das an? Die Aufmerksamkeit auf den Herzbereich zu richten – sogar dann, wenn Sie den Empfindungen Ihres Herzschlags nicht wirklich gewahr sind – hat sich laut einigen Studien als hilfreich herausgestellt, um den Geist zu beruhigen, da dies die Kontrolle unseres Gehirns über das koordiniert, was als vegetatives Nervensystem bezeichnet wird. Dies kann auch für das Gewahrwerden des Atemzyklus gelten. Mithilfe dieses körperlichen Gewahrseins sind wir, wie die Forschung zeigt, in der Lage, das, was man als Gaspedal und als Bremse des Gehirns bezeichnet, auszubalancieren, sodass wir lernen, das »Körperauto« auf eine sanftere, glattere, besser koordinierte Art und Weise »zu fahren«. Würden Sie gerne gleichzeitig auf die Bremse und das Gaspedal treten? Nein – Sie möchten diese beiden Kontrollfunktionen koordinieren. Sich auf die Herzregion oder auf den Atem zu fokussieren hilft uns, den Körper zu koordinieren und auszubalancieren sowie den Geist zu stabilisieren.

Wenn wir das Innere des Körpers als Ganzes wahrnehmen, kann es sich manchmal überwältigend anfühlen, nachdem wir uns jeden Bereich, Teil für Teil, vorgenommen haben. Wie fühlte es sich an, dazu eingeladen zu werden, derart empfänglich zu sein? Die Idee dahinter, des ganzen Körpers gewahr zu sein, besteht einfach darin, optimale Voraussetzungen für Ihr Alltagsleben zu schaffen. Wenn ich beispielsweise eine schwierige Interaktion mit jemandem habe, werde ich mich selbst daran erinnern, kurz meinen Körper wahrzunehmen, bevor ich reagiere. Mein Herz könnte auffällige Signale in diesem Moment aussenden oder mein Darm könnte Aufmerksamkeit einfordern. Ich könnte Spannung in meinen Armmuskeln verspüren oder Anspannung in meinem Kiefer. In der Lage zu sein, Körperempfindungen ins Gewahrsein zu bringen, bedeutet die Möglichkeit, alle auftauchenden Signale dazu einzuladen, ins Bewusstsein zu treten, sodass sie respektiert, inspiziert und in ihrer Bedeutung integriert werden können. Studien zeigen, dass Menschen, die über bessere interozeptive Fähigkeiten verfügen, eine größere Kapazität im Hinblick auf Einsicht und Empathie haben, ebenso emotionale Ausgeglichenheit und Intuition. Daher ist die Entwicklung dieser Fertigkeiten körperlichen Gewahrseins ein direkter Weg zu einer tieferen Verbindung mit unserem Innenleben und unserem interpersonellen Leben.

Als wir zum dritten Segment vorrückten, zu den mentalen Aktivitäten – unserem siebten Sinn –, wie fühlte es sich an, den Fokus von den äußeren Sinnen und dem Inneren der Körperempfindungen auf die mentalen Aktivitäten der Gefühle, Gedanken, Erinnerungen und Absichten zu verlagern? Wie war es, im Gewahrsein einfach offen zu sein für alles, was auftauchte oder nicht auftauchte? Dieser Wechsel von der fokussierten Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt auf den ersten beiden Randsegmenten (Klang, Sicht, eine Empfindung eines besonderen Körperteils) zu einem offenen Gewahrsein, das ins Gewahrsein einlädt, was immer auftaucht, gleicht in gewisser Weise dem Moment des zweiten Segmentteils, in dem es darum ging, den ganzen Körper ins Gewahrsein zu nehmen und offen zu sein für jede Körperempfindung. Was tauchte auf, als Sie alles einluden? Manche werden von Gefühlen oder Bildern überflutet. Das ist ganz natürlich, so wird der Geist empfänglich für die vielen Dinge im eigenen Geist.

Dagegen verschafft diese Erfahrung anderen eine friedliche Offenheit, eine Klarheit und Ruhe, die etwas ironisch wirkt in Anbetracht der Tatsache, dass sie alles eingeladen haben, ins Gewahrsein zu treten, aber nichts kommt. Menschen, die dies erleben, erklären häufig, dass sie niemals zuvor eine derartige Stille erfahren hätten, da sie eher vertraut sind mit dem Geplapper des Affengeists der Alltagssorgen, dem geschäftigen, unaufhörlichen Gefühl, von Emotionen, Erinnerungen und Gedanken, die sie erleben, überwältigt zu sein. Dem Geist die Erlaubnis zu erteilen, offen zu sein für alles, was auftaucht, kann ihn dazu befähigen, klar und empfänglich zu werden.

Als wir dann zum nächsten Aspekt der Erforschung des siebten Sinns kamen, wie war es für Sie, der Dynamik mentaler Aktivitäten Aufmerksamkeit zu schenken – wie sie auftauchten, präsent blieben und dann das Bewusstsein verließen? Dies kann für viele besonders herausfordernd sein, da es sowohl eine Offenheit für alles, was auftaucht (wie im ersten Teil der Erforschung dieses Segments) als auch einen speziellen Fokus auf das natürliche Kommen und Gehen umschließt. Für manche ist die Lücke zwischen den mentalen Aktivitäten besonders faszinierend, da dieser Raum, sagen wir mal zwischen Gedanken oder Erinnerungen oder Emotionen, eine sehr ungewöhnliche Qualität besitzt, die für viele Menschen, die das erstmals erleben, neu ist. Wer noch keine Erfahrung mit Meditation oder mit einer Übung innerer Einkehr wie beim Rad hat, kann es recht aufschlussreich finden, die subtileren Details mentaler Aktivität wahrzunehmen. Wir haben vielleicht die Erfahrung gemacht, dass unser Gewahrsein von mentalen Aktivitäten wie ständigem Geplapper des Geistes oder einem unaufhörlichen Gedankenstrom dominiert wurde und wir wissen nicht, dass wir in der Tat mehr sind als das Geplapper unseres Geistes. Mit der Erforschung des dritten Segments lässt sich eine neue Erfahrung offenen Gewahrseins – die Nabe – noch klarer von den Randelementen unterscheiden. Für viele kann dieses Gewahrsein lebensverändernd und buchstäblich bewusstseinsverändernd sein – sogar verblüffend. Dies ist der Beginn eines Prozesses, um das Wissen vom Gewussten noch besser unterscheiden zu können.

Wie eine Mutter einmal zu mir sagte, als ich ihr und ihrem jugendlichen Sohn diese Übung beibrachte: »Ich wusste nicht, dass ich mehr als meine Gedanken oder Gefühle bin.« Zwischen Nabe und Rand zu unterscheiden war für sie eine revolutionäre Erfahrung, die sie darin bestärkte, sich mit dem Leben auf eine vielfältigere und nuancenreichere Art und Weise zu beschäftigen.

Als wir die Aufmerksamkeit auf das vierte Randsegment lenkten, wie fühlte sich dieses relationale Empfindungsvermögen, unser achter Sinn, für Sie an? Wie war es, die Aufmerksamkeit von den mentalen Aktivitäten zu lösen und zu einem Fokus auf die Verbundenheit mit anderen überzugehen? Dieser achte relationale Sinn kann als verwirrend erfahren werden, da einige sich nicht sicher sind, auf was genau sie sich fokussieren. Bei anderen taucht ein tiefes Gefühl der Liebe, des Friedens, der Freundlichkeit und der Verbundenheit auf und sie werden von Freudentränen und Dankbarkeit erfüllt. Wie auch immer Ihre Erfahrung ist, es ist Ihre Erfahrung. Im nächsten Abschnitt werden wir direkte Wünsche der Freundlichkeit und Fürsorge hinzufügen, die auf diesen verbindenden Erfahrungen aufbauen und die, wie die Forschung gezeigt hat, positive Veränderungen in unser Innenleben und in unsere Beziehungen bringen.

3 Der Autor verwendet das Kürzel »MWe«, für »me« und »we«, es wird hier mit »Ich-Wir« übersetzt, A.d.Ü.

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