Читать книгу Wenn das Leben dir Zitronen gibt... - Daniel Wächter - Страница 11
Kapitel 3
ОглавлениеSo brutal und vor allem unrealistisch es an diesem Punkt zu sein schien, aber an diesem Tag begann eine wunderbare Freundschaft. Doch wurden wir leider erstmals auch mit dem kriminellen Untergrund Erstfelds konfrontiert. Dieser wird uns wohl nie mehr loslassen.
Nachdem der ganze Zirkus sein Gastspiel im La Finca wohl beendet hatte, kriegte Alexander auf diesen Schock hin nun so richtig Durst. Marija kam zu unserem Tisch, nahm die Bestellung auf und just als sie zurück zur Bar gehen wollte, um die Biergläser zu füllen, wurde die Tür des La Finca brutal aufgeschleudert, so dass sie beinahe in den Angeln hing.
„War wohl ein schnelles Date!“, frotzelte Marcel.
„Wahrscheinlich hat er ihr von seiner Familie erzählt“, ergänzte Alexander. Doch weder Mariella noch Pasquale waren hereingeschneit.
Drei Kerle, die von den Körpermassen her Kleiderschränken glichen, eilten schnurstracks zur Bar. Anfänglich dachte ich, dass sie bestellen würden, doch ihr Interesse galt offenbar Marija.
„Wo ist er?“, fragte einer mit stark ausgeprägtem südosteuropäischen Akzent.
„Wo ist Simon?“
Marija schüttelte den Kopf. „Kein Ahnung, ich habe ihn seit heute Morgen nicht mehr gesehen!“
„Das interessiert uns nicht, Schätzchen! Er schuldet uns nämlich Geld!“
Marija stellte das Bierglas ab und musterte die drei jungen Herren mit erhobener Augenbraue. „Und was geht mich das an? Er hat sein Leben, ich meines.“
Einer der Typen grinste, die anderen beiden lachten leise. Doch nur der Wortführer schien mit der Fähigkeit, sprechen zu können, gesegnet zu sein.
„Du kannst uns dabei helfen. Du vögelst mit uns und dann ist Simon schuldenfrei.“
„Wie bitte?“ Marija knallte das Bierglas auf den Tisch, so dass es in Scherben zerbrach. „Ich bin doch kein Stück Fleisch, das herumgereicht werden kann!“
„Aber eine Nutte. Bist du nicht willig, so kannst deinem Stecher ausrichten, dass er gefälligst seine Kohle zu bezahlen hat. Sonst werden du und er das noch bitter bereuen, du...“
In diesem Moment war ich nicht mehr Herr meiner Sinne gewesen, war aufgestanden und hatte dem Primitivling einen Faustschlag verpasst. Er war wohl ein wenig überrascht, denn er taumelte und schrie auf. Als sich seine beiden Kumpels neben ihm aufstellten, taten Marcel und Alexander das Gleiche.
Wie in einem Mafiafilm beim Duell der zwei Clans standen wir uns in zwei Dreiergruppen gegenüber, die Luft war zum Schneiden, Spannung lag in der Luft, wir wagten kaum zu atmen. Ich sah Entschlossenheit in ihren Augen, Entschlossenheit zur puren Gewalt. Ja, in diesem Moment hatte ich ein kleines bisschen Angst.
Just als sich die Spannung in eine Eskalation zu entladen drohte, platzte Frowin Baumann ins Lokal. Auch wenn ich diesen schmierigen Typen nicht mochte, war ich doch froh, denn ich wollte mir nicht ausmalen, was hätte geschehen können.
„Was ist denn hier los?“, fragte er und musterte Marija und die Scherben des zerbrochenen Glases auf dem Tresen. „Hast du diese Knaben hierhergeholt? Das ist sehr schlecht! Ach ja, solltest du das Bierglas kaputt gemacht haben, wird es von deinem Gehalt abgezogen!“
Als Marija etwas entgegnen wollte, befahl er ihr mit einer Geste zu schweigen. Dann wandte er sich an die drei Kerle.
„Ihr verschwindet, bevor ich die Polizei hole!“
Dann verliessen die Schläger und Frowin die Bar wieder und wir boten Marija an, sich an unseren Tisch zu setzen.
So hat die Freundschaft zwischen ihr und uns angefangen.
Später waren wir samt Marija ins Auld Triangle zurückgekehrt, mittlerweile hatte auch Natascha ihre Schicht angetreten und Severin hatte doch noch Zeit gefunden und sich zu uns gesellt. Er hätte die Nachricht nicht gesehen, hatte er entschuldigend gemeint.
Natascha war für uns wie eine Mutterfigur, zeigte Interesse und ehrliches Mitgefühl an ihren Gästen, gab auch den einen oder anderen wertvollen Ratschlag mit auf den Weg.
Auch ihr erzählten wir von Intermezzo im La Finca, woraufhin sie sofort in die Küche eilte und mit einem Eisbeutel für Marija zurückkehrte.
„Ich würde die Typen anzeigen“, empfahl Natascha, doch Marija schüttelte den Kopf.
„Warum denn nicht?“ Natascha stemmte die Hände in die Hüfte.
„Weil sie sonst wütend werden und mir oder Simon was antun werden!“ Mittlerweile hatte Marija zu schluchzen begonnen und ich strich ihr beruhigend über den Rücken.
„Und zudem kennst du sicherlich die Polizei hier?“, warf Alexander ein. Unsere Polizei hatte landesweit nach mehreren juristischen Verfahren nicht mehr gerade den besten Ruf und es gab einige Individuen, die sich offenbar alles leisten konnten und trotzdem immer den Kopf aus der Schlinge ziehen konnten. Frowin Baumann war ein typischer Vertreter dieser Kategorie, genauso einer seiner besten Freunde, welcher ein einschlägiges Etablissement zwei Häuser weiter an der Gotthardstrasse betrieb.
„Dann trenn dich von deinem Freund!“ Dies war ein Attribut, das Natascha auszeichnete. Sie wollte immer das Gute für alle, gab niemals auf. „Wer ist er denn überhaupt?“
„Simon Zgraggen!“, antwortete Marija.
„Um Gottes Willen!“ Natascha schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund. „Wie bist du denn an den gekommen?“
„Kennst du ihn denn?“
Natascha lachte auf. „Kennen? Dieser Bengel hat hier mal gearbeitet. Doch statt den Abwasch zu machen hat er lieber Drogen vertickt, bis ich ihn hochkant rausgeschmissen habe!“
Sie beugte sich zu Marija vor.
„Schätzchen, ich gebe dir jetzt einen sehr gut gemeinten Rat, so jetzt von Frau zu Frau. Schiess den Burschen in den Wind, und zwar lieber heute statt morgen. Du siehst, der bringt nichts weiter als Ärger!“
In einem idyllischen Restaurant in Seedorf, direkt am See gelegen, sassen sich Mariella und Pasquale an einem kleinen Zweiertischchen direkt gegenüber. Um den Kitsch zu vervollständigen, brannten auf einem kleinen, goldenen Kerzenständer zwei Kerzen. Mariella hatte den Kopf auf ihre Hände gebettet und himmelte Pasquale an, der ihr leidenschaftlich aus seinem Leben erzählte.
„Und du wirst wirklich Küchenchef?“
„Na klar, ich bin der Beste. Diesen Weiss schlage ich um Längen. Kennst du den?“
Mariella nickte. „Schaut manchmal mit seinen minderbemittelten Kumpels bei uns vorbei, arrogantes Arschloch!“
Später entschuldigte sich Pasquale auf die Toilette. Gelangweilt kramte Mariella in ihrer Handtasche und suchte ihr Smartphone, als es vibrierte. Doch es war nicht das ihrige, sondern Pasquales Handy, das er auf dem Tisch zurückgelassen hatte, surrte friedlich vor sich hin. Das Pop-up, das aufleuchtete, erweckte Mariellas Aufmerksamkeit.
„Du Schlampe, dir werde ich das Leben zur Hölle machen!“
„Hast du es gesendet?“, fragte Severin. Marija nickte. Sie war stolz, ein solch perfektes Selfie von ihnen allen geschossen zu haben, selbst Natascha hatte sich dazugesellt. Ihre Laune hatte sich schlagartig gebessert, sie war sich sicher, hier echte Freunde gefunden zu haben, nicht so falsche wie Mariella. Deshalb hatte sie auch ein wenig Schadenfreude, dass ausgerechnet Severin dieser Clique angehörte, hatte Mariella diesem doch immer wieder mit Avancen gemacht - sprich, sie hatte immer ihren Ausschnitt extra betont, wenn Severin ein Getränk orderte.
Pasquale war verdutzt, als er bei seiner Rückkehr einen leeren Tisch vorfand. Das heisst, keine Mariella, aber dafür ein wütender Kellner, der ihm die Rechnung unter die Nase hielt.
„Salvatore, beruhige dich!“, lachte er, doch dieser wies nur auf die Rechnung. Pasquale seufzte, ergriff diese und gab sie Salvatore zurück.
„Du hast meinen Rabatt vergessen!“
Salvatore gluckste. „Deine Herzensdame lässt ausrichten, dass du dir deinen Rabatt sonst wohin schieben kannst!“
Wütenden Schrittes eilte Mariella den Gehweg entlang. Spätestens jetzt verfluchte sie ihre hochhackigen Schuhe. Wieso musste sich dieses vermaledeite Seerestaurant sich auch so abgelegen befinden? Ein Gehweg war nicht vorhanden, genauso wenig wie eine Strassenbeleuchtung. Als irgendein Vieh, vermutlich ein Fuchs, die Strasse überquerte, kreischte Mariella laut auf. Hören konnte sie hier sowieso niemand. Innerlich zwang sie sich, durchzuhalten.
Mit jedem Schritt kommst du deinem Ziel näher.
Mit jedem Schritt trittst du diesem selbstherrlichen Arschloch eins in seine jämmerliche Hackfresse.
Das tiefe Brummen des Porsches hörte sie schon von Weitem. War ja klar, dass er angekrochen kam. Doch nicht mit ihr.
Wenig später wurde eine Seitenscheibe heruntergelassen und Pasquale steckte seinen Kopf durch die Öffnung.
„Ciao bella. Warum bist du so wütend?“
„Du hast ein Bild einer anderen Schlampe erhalten, die dazu noch eine Freundin von mir ist!“
„Ach mit der läuft doch nichts, bella. Ich liebe dich, nur dich! Steig ein!“
Sie zögerte einen Moment, doch als er sie mit einem Blick ansah, der sie erregte, gab sie nach.