Читать книгу Wenn das Leben dir Zitronen gibt... - Daniel Wächter - Страница 13
Kapitel 5
ОглавлениеDas Leben spielt oftmals die absurdesten Geschichten. Mariella liess sich durch Pasquales Süssholzgeraspel überreden, auch wenn es ihr missfiel, dass er offenbar auch Kontakt mit ihrer Freundin hatte.
Als Mariella ihre Augen aufschlug, wusste sie einen Moment lang nicht, wo sie war. Erst als ihr Blick auf den schlafenden, nackten Mann neben ihr fiel, realisierte sie, dass sie sich immer noch in Pasquales Schlafzimmer befand. Sie hatte zum ersten Mal gegen ihre Prinzipien verstossen: Nach dem Sex immer nach Hause gehen, keinesfalls bei den Typen übernachten.
Doch Pasquale schien eine gute Partie zu sein, das Schlafzimmer hatte er geschmackvoll eingerichtet. An das Wohnzimmer konnte sie sich nicht mehr erinnern, waren sie doch verdächtig schnell nach Betreten der Wohnung in seinem Bett verschwunden.
Ciao bella. Seine Worte klangen wie Musik in ihren Ohren.
Schnulzig wie Adriano Celentano, erotisch wie Francesco Totti.
Ihre Augen fanden Pasquales Wecker. Kurz nach halb zehn, stellte sie zufrieden fest, in knapp einer Stunde würde ihre Schicht im La Finca anfangen. Die notgeilen Säufer waren bestimmt schon da, um sie anzusabbern. Wie sie solch’ gierigen Blicke liebte, unbezahlbar.
Als erstes griff sie nach ihrem Handy und loggte sich bei Facebook ein. Der erste Eintrag fiel ihr ins Auge. Wütend umklammerte sie ihr Handy und fixierte das Bild, hochgeladen von Marija.
Ein Selfie von ihr mit mir, Marcel, Alexander – und was sie am meisten störte, Severin. Seit Jahren stand sie auf ihn und Marija wusste das. Diese hinterhältige Schlange wollte ihr nicht helfen, ihn auf sie aufmerksam zu machen und warf sich stattdessen an seinen Hals.
Wütend kramte Mariella ihre Kleider zusammen und tappte leise, um Pasquale nicht zu wecken.
Längst hatte sie die Schuhe ausgezogen, als sie durch die Strassen Erstfelds schritt. Glücklicherweise lebte Pasquale nicht weit von Leandra entfernt, ihrer besten Freundin.
Doch als sie an der Tür klingelte, war sie nicht da.
Genervt wühlte Mariella in ihrer Tasche und bestellte sie ein Taxi. Doch Erstfeld schien absolute Wildnis zu sein, denn das Taxi brauchte eine geschlagene Viertelstunde. Sie war fast schon erleichtert, als es mit quietschenden Reifen vor ihr hielt.
„Ach, schön sind sie auch schon da?“, keifte sie.
„Es gibt da etwas, das nennt sich Verkehrsregeln, falls sie das kennen“, konterte der Taxifahrer. „Wohin soll’s denn gehen?“
„Zum La Finca, bitte. Sofort!“
„Jetzt vögelst du auch noch Gisler?“, keifte Mariella in Marijas Gesicht, als diese zur Arbeit erschien und sich daran machte, die Biergläser des letzten Abends abzuwaschen. Mariella ihrerseits sass auf einem Hocker am Tresen, eine Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger eingeklemmt. Der Rauch kringelte sich der Decke entgegen.
„Von was redest du?“ Mariella verstand die Welt nicht mehr. Am Morgen war sie aufgewacht; Marcel, Severin und ich waren noch dagewesen. Alexander liess ausrichten, dass er bereits gefahren war, da er auch wieder arbeiten musste.
Nachdem sie uns drei kurzerhand aus der Wohnung geworfen hatte, natürlich nicht ohne uns dreifach versichert zu haben, dass es ihr gut gehen würde. Am hartnäckigsten war wohl ich gewesen, der sie nicht gehen lassen wollte.
Ich liess mich dann mit dem Versprechen abspeisen, dass ich nach meiner Arbeit gerne einen Abstecher zum Finca machen dürfte, um klar sicherzugehen, dass es Marija gut gehen würde.
„Ich hab euer Selfie gesehen. Du, Severin, Marcel und Alessandro!“, verächtlich blies Mariella den Rauch in Marijas Gesicht. „Du wusstest, dass ich ihn liebe und du hast mich verraten, du miese Hure!“
„Ach wenn du ihn so liebst, warum bist du dann mit diesem Macho gestern Porsche gefahren?“, schlug Marija zurück.
Der Konter sass. Mariella funkelte sie wütend an.
„Das wirst du noch bitter bereuen, Mäuschen!“
Marija ignorierte die Kampfansage und machte sich an die Arbeit. Nahm Bestellungen auf, goss Bier in die Gläser und ignorierte die lärmenden Kinder der Eigentümerfamilie, Frowin Baumanns Enkel. Die Schule war wohl schon wieder zu Ende. Mariella schrie irgendwas zu ihnen, ehe sie sich wieder ihren Verehrern an der Bar widmete. Tagtäglich sassen die da, von Arbeit nicht die Spur. Sie waren treue Kunden, man durfte sie nicht verärgern, denn Stammkunden waren Baumanns wichtigste Klienten. Doch Marija fand es eklig, wie sie sich an ihr oder Mariella ergötzten.
„Eine Stange bitte!“, rief einer. Marija konnte sich sogar an seinen Namen erinnern. Herbert Zwyssig. Einer der Dauerfrustrierten, die offenbar keinen Sinn mehr im Leben sahen.
„Kommt sofort!“, gab Marija zurück. Sie hielt das Glas unter den Zapfhahn und betätigte diesen. Langsam floss der Gerstensaft ein, sie war darauf bedacht, dass sich möglichst wenig Schaum bildete.
„Marija, geht das nicht schneller. Er hat Durst!“, keifte Mariella dazwischen. Natürlich fläzte sie sich noch auf ihrem Hocker, als Marija augenverdrehend an ihr vorbeischritt, um dem durstigen Herrn sein Bier zu reichen.
„Das macht dann fünf Franken!“, entgegnete sie und Zwyssig knallte ihr die Münze in die offene Handfläche.
„Für dich, Schätzchen!“
„Danke schön!“ Die anzügliche Bemerkung ignorierte sie.
Sie wollte gerade Mariella bitten, ein wenig für sie einzuspringen, damit sie eine kurze Pause machen konnte, da wurde die Tür des Finca geöffnet und João trat ein. João, der verheiratete Portugiese, der eigentlich bei der Arbeit sein sollte.
Mariella sprang von ihrem Hocker und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Um diese Zeit schon hier?“, säuselte sie.
„Nun ja, habe kurz Pause. Amaliá sollte nicht bemerken, dass ich hier bin!“
Amaliá war Joãos eifersüchtige Ehefrau, welche seine ausserehelichen Aktivitäten ahnte, aber ihnen noch nicht auf die Schliche gekommen war.
„Sehr gut!“, strahlte Mariella. „Dann komm doch bitte mit!“
Sie nahm in bei der Hand und zog ihn zur Treppe ins Untergeschoss, wo sich die Toiletten befanden.
„Noch eins bitte!“, ertönte Zwyssigs Stimme. Marija runzelte die Stirn. War der etwa Alkoholiker?
Auch wenn es erst später Vormittag war, einige Liter Bier waren schon Herbert Zwyssigs Kehle runtergeflossen. Deswegen war auch sein Gang nicht mehr allzu stabil, als er gegen halb elf von seinem Stuhl im Finca aufstand, um nach Hause zu gehen.
Nach Hause zu seiner bettlägerigen Frau Marlies. Den ganzen Tag lag sie im Bett, angeschlossen an mobile Dialysegeräte, die ihnen vom Kantonsspital in Altdorf zur Verfügung gestellt wurden, damit Marlies wenigstens zu Hause gepflegt werden konnte.
Die paar morgendlichen Stunden im Finca waren die einzigen Momente am Tag, wo er diesem Elend entfliehen konnte. Doch konnte er den Kopf kaum lüften, deswegen gönnte er sich die eine oder andere Stange Bier, wenn auch seine Freunde zwischendurch auf Wasser oder einen Espresso umstiegen. Gut, Kaffee mochte er nicht.
Er schloss seine Wohnungstür auf, etwas länger als üblich, hatte der Alkohol doch negative Auswirkungen auf seine Feinmotorik. Seine Tochter Claudia kam ihm entgegen. Da sie auf ihrer Arbeit als Krankenschwester meistens Spätschicht hatte, erklärte sie sich jeweils bereit, am Vormittag ihre pflegebedürftige Mutter zu betreuen, um ihren Vater zu entlasten.
„Wie geht es ihr?“, erkundigte sich Herbert. Claudia rümpfte die Nase.
„Hast du wieder getrunken?“, stellte sie eine Gegenfrage. Als er betreten zu Boden sah, seufzte sie.
„Hör zu Papa, so geht das nicht weiter. Du schadest deiner Gesundheit!“
„Ich brauche das, ich kann es sonst nicht ertragen, Marlies so leiden zu sehen!“
„Wir müssen uns überlegen, ob ein Pflegeheim vielleicht nicht die bessere Lösung wäre...“
„Nein!“, rief Herbert aus. „Das kommt nicht in Frage!“
Er schob Claudia beiseite, eilte ins Schlafzimmer seiner Frau. Fast schon leblos lag sie da, nur ihre Augen bewegten sich. Sie erkannte ihn, begann zu lächeln.
„Herbert!“, begrüsste sie ihn. Ihre Augen funkelten wie Edelsteine.
Er drehte den Kopf zu seiner Tochter, welche ihm gefolgt war.
„Marlies kommt in kein Pflegeheim!“