Читать книгу Kartellrecht und Ökonomie - Dirk Uwer, Daniel Zimmer - Страница 67
e) Folgerungen
ОглавлениеZusammenfassend lässt sich feststellen, dass aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten über Preise und abgesetzte Mengen, z.B. Scannerdaten und verbesserter ökonometrischer Methoden, eine Reihe empirischer Verfahren vorliegen, mit deren Hilfe in vielen Fällen eine Marktabgrenzung im Rahmen des hypothetischen Monopolistentests entweder durch eine Implementation über die Schätzung des kritischen Absatzrückgangs, kritischer Elastizitäten oder verschiedener Preistests vorgenommen werden kann. Diese Verfahren sind von unterschiedlicher Komplexität und stellen unterschiedliche Anforderungen an die Daten. Einige Methoden, wie die Schätzungen von Elastizitäten der Residualnachfragefunktionen, erfordern komplexere ökonometrische Untersuchungen und haben hohe Anforderungen an die Menge und Qualität der Daten. Andere Methoden, wie z.B. die Schockanalyse, sind einfach anzuwenden und kommen häufig mit wenigen Daten aus. Für die gleiche Fragestellung können dabei unterschiedliche methodische Ansätze herangezogen werden, die zu unterschiedlichen Resultaten führen können. Es ist daher bei einer empirischen Analyse immer die verwendete Methodik, die Annahmen und das verwendete Datenmaterial offenzulegen, damit die Resultate nachvollziehbar sind und eine objektive Diskussion über die geeignete Methode und die sinnvollsten Annahmen erfolgen kann. Auch mit geringem Datenmaterial sollte, wenn immer möglich, eine empirische Analyse durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass eine auf rein theoretischen Überlegungen basierende Marktabgrenzung den empirischen Fakten zumindest nicht offenkundig widerspricht. Allerdings wird es aber auch künftig Fälle geben, in denen keine ausreichenden Daten zur Verfügung stehen oder der Zeitrahmen eine empirische Analyse nicht zulässt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dadurch das Konzept des hypothetischen Monopolistentests in Frage gestellt wird. Um einen Markt ökonomisch sinnvoll abzugrenzen, sind die Schranken festzustellen, die der Marktmacht durch Angebots- und Nachfragesubstitution gesetzt werden und dies wird durch den hypothetischen Monopolistentest gewährleistet. In solchen Fällen sollte vor allem auch qualitative Evidenz berücksichtigt werden. Hierzu gehören z.B. die Art und das Ausmaß der Produktdifferenzierung, die für die Käufer bedeutsam ist, beobachtete Nachfrageänderungen aufgrund von Preisänderungen in der Vergangenheit, Befragungen von Konsumenten und von Branchenkennern wie z.B. Marktforschungsinstituten oder Industrieexperten.177 Allerdings stellt sich die Frage, ob bei einigen spezifischen Märkten, bei denen eine Marktabgrenzung konzeptionell schwierig und problematisch ist, wie z.B. bei Märkten mit differenzierten Gütern, zwei- und mehrseitigen Märkten sowie Märkten, auf denen eine Leistung zu einem monetären Preis von Null angeboten wird, auf eine Marktabgrenzung als ersten Schritt verzichtet werden kann, wie das auch in den US-amerikanischen Leitlinien für Horizontalfusionen der Fall ist.178 Stattdessen könnte man versuchen, mithilfe eines wirkungsbasierten Ansatzes zu ermitteln, ob ein Fusionsvorhaben wettbewerbliche Bedenken rechtfertigt und eine genauere Prüfung erforderlich macht.
147 Ausführliche Darstellungen empirischer und ökonometrischer Verfahren im gesamten Gebiet der Wettbewerbstheorie, einschließlich der Abgrenzung des relevanten Marktes, geben Davis/Garcés (2009) sowie Bishop/Walker, (2010), 493–626. 148 Im Rahmen dieses Artikels werden nur die bekanntesten und gebräuchlichsten Verfahren dargestellt. Auf einige der sehr komplexen ökonometrischen Methoden, wie Kausalitätsanalysen, Kointegration etc. wird nicht eingegangen. Vgl. hierzu Davis/Garcés (2009) sowie Bishop/Walker (2010) und die dort angegebene Literatur. 149 Für die Frage, welche Produkte dem Kandidatenmarkt hinzugefügt werden, können Kreuzpreiselastizitäten und Umlenkungskennziffern (diversion ratios) Hinweise liefern. 150 Vgl. Baker, J./Bresnahan (1988, 1992); Froeb/Werden (1991); Scheffman (1992). Vor allem im Rahmen der quantitativen Analyse der Auswirkungen von Fusionen werden auch Nachfragesysteme geschätzt. Diese werden auf den Seiten 362–366 dargestellt, sie können aber auch für Fragen der Marktabgrenzung herangezogen werden. 151 Eine grundlegende Darstellung der Regressionsanalyse gibt Wooldridge (2008). Eine Einführung im Rahmen der Wettbewerbsanalyse findet sich in Davis/Garcés (2009), 63–89 sowie in Bishop/Walker (2010), 723–758. 152 „Over the last decade, critical elasticity and critical loss analyses have become standard analytical tools; they are now used in the investigation and litigation phase of most merger cases.“ Werden (2002b), 14–15. Der Begriff „critical loss“ wurde von Harris/Simon (1988) eingeführt. Für detaillierte Analysen des kritischen Absatzrückgangs vgl. Coate/William (2005); Danger/Frech III (2001); Farrell/Shapiro (2008a); Harris/Veljanovski (2003); Katz/Shapiro (2003, 2004); Langenfeld/Li (2001); O’Brian/Wickelgren (2003); Scheffman/Simons (2003); Werden (1998, 2002c); Werden/Froeb (2002). 153 Die Darstellung des kritischen Absatzrückgangs orientiert sich an Schwalbe/Maier-Rigaud (2012). 154 Für den kritischen Absatzrückgang gibt es also einen ähnlichen Unterschied wie beim SSNIP-Test zwischen einer profitablen Preiserhöhung und einer, die ein gewinnmaximierender hypothetischer Monopolist auch tatsächlich durchführen würde. 155 Für die Herleitung der Formeln vgl. Werden (1998). 156 Eine Diskussion des erforderlichen Vorgehens und einige kritische Anmerkungen finden sich in Katz/Shapiro (2003, 2004), O’Brien/Wickelgren (2003) sowie Scheffman/Simon (2003). 157 Vgl. z.B. Coate/Simons (2009), (2010a) und (2010b); Coate/Williams (2005) und (2008); Daljord/Sørgard/Thomassen (2007); Farrell/Shapiro (2008) und (2010); Katz/Shapiro (2003) und (2004); O’Brien/Wickelgren (2003) und (2004) sowie Scheffman/Simons (2003). 158 Der Lerner-Index kann geschrieben werden als m =1/ɛ. 159 Vgl. Katz/Shapiro (2008). 160 Vgl. Strand (2006, 2007). 161 Vgl. Evans/Noel (2005, 2008); Filistrucchi (2008a). 162 Einen Überblick über die Diskussion gibt Hüschelrath (2009). 163 Auf dieses Problem wurde bereits auf den Seiten 116–119 hingewiesen. 164 Eine Übersicht über den kritischen Absatzrückgang bei verschiedenen Kostenstrukturen geben Coate/Williams (2005). 165 Bei diesen sogenannten Preistests ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie die grundlegende Frage der wettbewerblichen Schranken von Marktmacht nicht beantworten. Dies sollte bei ihrer Verwendung immer bedacht werden. 166 Das Instrument der Preiskorrelationsanalyse zur Abgrenzung relevanter Märkte wurde erstmalig von Stigler/Sherwin (1965), vorgeschlagen. Vgl. Bishop/Walker, (2010), 492–527; Davies/Garcés (2009), 169–185; Lexecon (2003), 5–8; Office of Fair Trading (1999), 53–55. 167 Vgl. Bishop/Walker, (2010), 496. 168 Vgl. Bishop/Walker, (2010), 516–519; Lexecon, (2003), 7. 169 Dies kann bisweilen schon durch eine graphische Darstellung der Preisreihen festgestellt werden. Vgl. Office of Fair Trading (1999), 55. 170 Vgl. Lexecon (2003), 9–13. 171 Vgl. Forni (2004) für eine Verteidigung dieser Ansätze. Kritisch dagegen äußern sich Baker (1993,2006), Hosken/Tylor (2004) sowie Werden/Froeb (1993). Für eine Anwendung auf die räumliche Marktabgrenzung vgl. Boshoff (2006). 172 Vgl. Bishop/Walker, (2010), 592–604; Davies/Garcés (2009), 185–188; Lexecon (2003), 34–36. 173 Für einen Überblick über die Abgrenzung des relevanten Markts mittels einer Schockanalyse und eine Anwendung auf den Fährmarkt in der Nordsee vgl. Daljord/Sørgard/Thomassen (2007). 174 Vgl. Elzinga/Hogarty (1973). Eine gute Darstellung dieses Tests findet sich in Bishop/Walker, (2010), 669–686. Kritische Anmerkungen dazu machen Baker (2007) sowie Werden (1981). 175 Vgl. Baker (2007). 176 Vgl. Haldrup (2003). Für eine Diskussion der verschiedenen Verfahren zur Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes einschließlich des Elzinga-Hogarty-Tests sowie verschiedenen Preistests vgl. Scheffman/Spiller (1987). 177 Vgl. Baker/Bresnahan (2008), 11–15. 178US Department of Justice and the FTC (2010), 21.