Читать книгу Schwester! Können Sie mal eben kommen? - Daniela Triebsch - Страница 10

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Pflege als gesellschaftliche Herausforderung

Die Pflegemissstände sind nahezu allen bekannt, wenn nicht direkt, dann über Berichterstattungen der Medien. Dass Pflege zum Thema wurde, lag u. a. daran, dass einige mutige Leute geschildert haben, wie die Pflegesituation tatsächlich aussieht. Beispielsweise wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2017 von einem Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege in der ARD-Wahlarena mit den Missständen konfrontiert. Verschiedene Parteien haben folglich das Thema Pflege auf ihre Wahlkampfagenda gesetzt. Nach und nach scheint das Thema jedoch wieder an Präsenz zu verlieren. Woran liegt das?

Die breite Berufsgruppe der Pflegenden schaut einfach nur zu. Der Großteil wird nicht aktiv. Im privaten Bereich und in sozialen Netzwerken wird sich zwar heftig über die Situation beklagt, Veränderungen in ihrem Denken und Tun nehmen sie jedoch nicht vor. Ich denke, dass vielen Pflegenden nicht bewusst ist, welche Kraft, Veränderungen zu erzielen, sie hätten, wenn sie sich organisieren und gemeinsam aktiv werden würden. Dann müssten die Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen verbessern. Offensive, mutige Pflegekräfte werden häufig gemobbt und aus der Pflege rausgeekelt, anstatt Unterstützung zu erfahren. Angst, das gewohnte Milieu verlassen zu müssen, kann ein Grund für das Verhalten sein.

Aber auch Leitungskräfte in der Pflege sind nicht unschuldig. Sie lassen sich teils in Strukturen pressen und erwarten von ihren Pflegekräften Unmögliches – perfekte Pflege bei niedriger Personaldichte beispielsweise. Bei manchen geht es sogar, wie schon angesprochen, um Gewinn und nicht um die Menschenwürde.

Und auch die Politik müsste sich folglich ernsthaft dem Thema stellen – nur:

Tipp 3: Machen Sie sich bewusst: Ohne Druck der “ Pflegekräfte von „unten“ verändert sich „oben“ nicht viel.

Warum auch? Es läuft doch.

Tipp 4: Bedenken Sie, dass Sie mit einer defensiven Haltung die miserable Pflegesituation unterstützen.

Die Politik steht in der Verantwortung, einen Rahmen zu schaffen, der gute Pflege ermöglicht. Doch die vereinzelten Aufschreie sind noch gut zu überhören und der völlige Pflegekollaps ist noch nicht greifbar genug.

Tatsache ist, dass es Fälle in der Pflege gibt, in denen gegen Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßen wird: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Von würdevollem Handeln kann nicht die Rede sein, wenn z. B. einer Bewohnerin bzw. einem Bewohner Essen in den Mund „geschoben“ wird, obwohl diese*r nicht essen möchte.

Dass Menschen, die krank und hilfebedürftig sind, leiden müssen, scheint nicht zu reichen, um das Steuer in die Hand zu nehmen. Wenn die Politik das nämlich tun würde, wären die Aufschreie von Personen, die viel Geld mit der Ausbeutung von Pflegenden verdienen, sehr laut. Und diese Personengruppe scheint eine große Lobby zu haben und entsprechend stark ist der Einfluss auf politische Geschehnisse.

Die Gesellschaft muss über die Pflege sprechen und nicht nur dann, wenn wieder ein Missstand in einem Pflegeheim aufgedeckt wurde. Es muss verstanden werden, dass nicht der Pflegeberuf als solcher schlecht ist, sondern die erschaffenen Rahmenbedingungen. Da viele mit dem Thema Pflege konfrontiert sind oder in Zukunft sein werden, ist es die Aufgabe jeder einzelnen Person, sich für bessere Bedingungen einzusetzen. Wenn nicht aus eigenem Interesse, dann vielleicht aus Zivilcourage oder Nächstenliebe. Das kann z. B. in Form von politischem Engagement, Nachbarschaftshilfe oder ehrenamtlichen Tätigkeiten im Pflegegebereich geschehen. Wem das zu viel Zeit und Kraft abverlangt, der sollte zumindest an seiner wertschätzenden Haltung gegenüber professionell Pflegenden und pflegenden Angehörigen arbeiten.

Die Pflegesituation in Deutschland und auch der Umgang mit dem riesigen Problem macht mich traurig und wütend zugleich. Aber aus diesen Gefühlen hat sich bei mir ein Ehrgeiz entwickelt, alles mir Mögliche zu tun, damit unsere Bevölkerung alt und krank werden darf, ohne Angst vor schlechter Versorgung haben zu müssen.

Tipp 5: Viele Menschen haben Angst davor, pflegebedürftig zu werden. Nehmen Sie die Angst ernst, anstatt sie zu verdrängen.

Was Pflegende konkret tun können und sollten, damit menschenwürdig gepflegt werden kann, werde ich in den folgenden Kapiteln erläutern.

Schwester! Können Sie mal eben kommen?

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