Читать книгу Blackcouch.com - Daniela Zörner - Страница 7

Kapitel 2

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Um kurz nach 21 Uhr hetzt Jessica die Sredzkistraße entlang.

Sascha sieht ihr von der obersten Stufe neben der Eingangstür des ‚Casa Nostra‘ entgegen.

Neugierig taxiert sie sein Outfit aus schwarzer Jeans, grünweißen Sneakern, aber vor allem sein graues T-Shirt. Darauf steht fett gedruckt:

NO I AM NOT ON F*!#ING FACEBOOK

„Hi“, keucht sie. „Wollen wir uns draußen hinsetzen?“ Entschlossen weist Jessica auf den letzten, freien Gartentisch.

Zum Himmel deutend erklärt er: „Dir ist ein Gewitter auf den Fersen.“

„Blöd.“

„Dafür haben wir drinnen freie Auswahl.“

Wenig begeistert folgt Jessica ihm hinein.

Gähnende Leere.

„Hallo, Sascha. Geiles T-Shirt. Zwei Personen?“, begrüßt ihn der Kellner.

Jessicas Augenbrauen wandern überrascht nach oben. Er ist hier Stammkunde? Und das bedeutet? Etwas angefasst folgt sie den beiden zu einem Ecktisch, umgeben von offenen Fenstern.

Auf den Fensterbänken flackern Windlichter romantisch zwischen üppigen Kräutertöpfen. Gar nicht so übel für ein Date, die Location. Dann warten wir mal ab, beschließt Jessica für sich.

Sascha winkt bereits mit zwei Karten. „Wein oder Cocktails?“

Dies soll für Jessica auf gar keinen Fall eine der üblichen Absahn-Candy Hours werden. Denn die bringt frau klugerweise oft heftig alkoholisiert über die Bühne. Entschieden deutet sie auf die Weinkarte, als ihr Smartphone jingelt.

˃ Wie läuft es? :-x Bea ˂

„Wollen wir uns Salat und Pizza teilen? Die Portionen sind immer riesig.“ Sascha schaut hinter seiner Karte hervor.

„Kommt auf deine Vorlieben an“, meint Jessica. Wieder jingelt es. „Bestell du einfach mal und ich lasse mich überraschen. Oder isst du etwa Fleisch?“

„Selten.“

„Echt jetzt?“, fragt sie mit leicht angewidertem Blick.

Verlegen sucht Sascha schnell nach Veggiepizzen.

˃ Du hast heimlich ein Superdate? ;-) Lina ˂

Grinsend verfolgt Jessica, wie in der WhatsApp-Community die Gerüchteküche brodelt.

˃ Dein Touch-Sascha looks hot. *fg* Schon abgelegt? Susan ˂

Jessica simst hastig an ihre Community:

˃ Kb jetzt! Später mehr. Jessi ˂

„Was Wichtiges?“

„Hmmh?“

˃ Das kannst du uns nicht antun. :-& Meggy ˂

Sascha deutet auf ihr Smartphone. „Wichtig?“

„Nur meine zickende Clique.“ Langsam schiebt sie es ein Stück beiseite.

„Wisst ihr schon, was ihr essen möchtet?“ Der Kellner zieht einen Bleistift hinter seinem Ohr hervor.

Jessica deutet auf Sascha.

Während er bestellt, meldet sich ausgerechnet ihre Mum. Sie schielt auf das leuchtende Display.

˃ Jessica, kann die Nummer von Tante Sofie nicht finden. Eilt! Mum ˂

„Mensch, Mum“, stöhnt Jessica leise. Für Sascha erklärt sie: „Ava bringt es ständig fertig, ihr Adressbuch zu löschen.“

Der Kellner serviert eine Karaffe Rotwein, dazu Oliven, Kräuteröl und frisch gebackenes Ciabatta.

Die Zwei stoßen an, während draußen unüberhörbar Donner grollt.

„Warum hast du gerade Japanisch studiert?“

„Warum hast du Russisch studiert?“ gibt sie keck zurück.

„Meine Mutter ist Russin. Deshalb hat sie sich riesig über meine Berufswahl gefreut. Außerdem bin ich ohnehin zweisprachig aufgewachsen.“ Erwartungsvoll sieht er Jessica an.

„Ähem, also unter uns. Ja? In der Oberstufe stand ich total auf Mangas und habe deswegen Japanischkurse belegt. Irgendwie blieb es eben dabei.“

„Klingt fast so, als wäre deine Begeisterung inzwischen verflogen.“

„Von morgens bis abends Gebrauchsanleitungen und solchen Mist übersetzen? Na, Danke.“

˃ Gib endlich Infos, wir schmoren. Bea ˂

Langsam zieht sie das Smartphone wieder näher heran, um besser lesen zu können.

Plötzlich steht eine große Salatschüssel mitten auf dem Tisch.

Anscheinend falsches Thema, beschließt Sascha, und startet einen neuen Versuch. „Wo wohnst du eigentlich, dass du vorhin so aus der Puste warst?“

„Noch in meiner Lichtenberger Studentenbude, unweit U-Magdalenenstraße.“

„Magdalenenstraße? Sagt mir nichts.“

˃ Kunde beeindruckt. Toller Einsatz. Danke. Mario ˂

„Hah, der Chef persönlich.“

Völlig verwirrt braucht ihr Date eine Sekunde, bis reichlich genervt kommt: „Mario? Was will der denn jetzt noch?“

Stolz zeigt Jessica ihm die SMS.

„So was habe ich von Mario noch nie zu hören gekriegt.“

Der Kellner schleudert einen riesigen Pizzateller auf ihren Tisch, hastet weiter zu den Fenstern, schlägt sie zu und in der nächsten Sekunde klatscht die erste Sturmböe prasselnden Regen dagegen.

„Gutes Timing!“, ruft Sascha ihm nach.

Lärmend stürzen mindestens 25 Gäste mit ihren Handys, Gläsern, Tellern oder Taschen in den Händen hinein.

Verzweifelt bemühen sich die drei Kellner im strömenden Regen, so viele Speisen wie möglich von den Gartentischen zu retten.

Jessica nutzt den Tumult, schnell Nachrichten an Bea und ihre Mum abzusetzen.

Daraufhin bemerkt Sascha mit unüberhörbarem Sarkasmus in der Stimme: „Ziemlich große Tischgesellschaft.“

Verwundert guckt Jessica auf und schaut sich im Restaurant um. „Welche meinst du?“

Mit dem Zeigefinger deutet er auf die Tischplatte vor sich.

„Verstehe ich nicht. Soll das ein Joke sein?“

„Na ja, ich dachte, ich wäre nur mit dir verabredet.“

Totale Verständnislosigkeit in ihrem Gesicht.

Also zählt er auf: „Deine ganze Clique, deine Mutter, Mario. Noch wen vergessen?“

„Das sagst du jetzt nur, weil du dein Smartphone vergessen hast“, gibt sie unsicher zurück. „Oder?“ Aber denkt bei sich: Der Typ ist schon etwas speziell.

„Ich kann ohne.“

„Und das soll wozu gut sein?“

„Sich unterhalten, beispielsweise?“

Jessicas braune Augen irrlichten zwischen ihrem Smartphone, dem kaum angerührten Salat und dem bereits kalt gewordenen Pizzastück auf ihrem Teller umher. Aufblickend findet sie in Saschas grünen Augen einen heißeren Fixpunkt. Blind tastet ihre rechte Hand nach dem Jingeln und stopft das Teil in ihren Beutel, der über der Stuhllehne hängt. Dumpf plumpst er zu Boden. Sie belässt es dabei.

„Noch Wein?“, lächelt Sascha.

Wortlos streckt Jessica ihr Glas hin.

Gegen Mitternacht stehen sie gemeinsam in der Mitte des U2-Bahnsteigs Eberswalder Straße.

„Dann bis morgen“, verabschiedet sich Sascha, als seine U-Bahn zuerst einfährt.

„Komm gut nach Hause.“

Über ihr hastig hervor gekramtes Smartphone gebeugt, entgeht Jessica, dass er sich beim Einsteigen nochmal kurz zu ihr umdreht.

Enttäuscht lässt Sascha seine halb erhobene Hand sinken.

Zwei Minuten später verschwindet auch Jessica in der U-Bahn. Sie twittert drauflos.

> Jessica1991@crazytimes #Montagnacht in Berlin. Rendezvous mit Candyman #-) <

> Merkurlove@bluehorizon #Montagnacht. POIDH!!!!! Wo bleibt das Selfie? <

> Jessica1991@crazytimes #Montagnacht. Steht er nicht so drauf. <

> Schokofrosch@wuenschmirwas #Montagnacht. Sondern??? <

> Jessica1991@crazytimes #Montagnacht. :-X. Süße Träume… <

> Merkurlove@bluehorizon #Montagnacht. :-( <

Gähnend trottet Jessica von der U-Bahnstation Magdalenenstraße aus ihrer Miniwohnung entgegen.

Kurz vor Studienbeginn hatten ihre Eltern sie quasi vor die Tür gesetzt. Die Beiden wollten endlich eine Totalrenovierung veranstalten und bei der Gelegenheit aus ihrem Jugendzimmer ein Gästezimmer machen. „Damit wir unsere Freunde morgens nicht mehr schnarchend im Wohnzimmer vorfinden“, so der O-Ton ihrer Mum. Und ihr Vater hatte lapidar gemeint: „Würdest du in Hamburg, Köln oder sonst wo studieren, müsstest du dir ja auch eine eigene Bude suchen.“

Also stifteten ihre Eltern die abgewetzte, schwarze Schlafcouch aus dem Wohnzimmer und bauten gut gelaunt Jessicas paar Möbel für den Abtransport auseinander. Das war es.

Seitdem haust sie auf 34 verwilderten Quadratmetern ohne großartigen Antrieb, daran etwas zu ändern.

Noch angezogen und geschminkt lässt sich Jessica auf das zerwühlte Couchbett fallen. Was für ein Hammertag! Gähnend wie ein Scheunentor knipst sie gedankenlos die alte Stehlampe aus – und vergisst, die Wecker-App zu aktivieren.

Mit dem Gedanken, ein bisschen antiquiert, aber wirklich süß, der Junge, schläft sie ein.

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Status: Update 24-06-2016/ Jaensch/Jessica

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…Ruschestr. 20 / Magdalenenstr. / Alexanderpl. / Eberswalder Str. / Sredzkistr. 17 …show more

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21:09 >Wie läuft es? Bea<

21:12 >Du hast heimlich ein Superdate? Lina<

21:13 >Dein Touch-Sascha looks hot. Schon abgelegt? Susan<

21:14 >Kb jetzt! Später mehr. Jessi<

23:57 <Jessica1991@crazytimes>

Tweet: >#Montagnacht in Berlin …details

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Gegen 9 Uhr 30 auch schon mal auf dem Weg ins Büro, genießt Jessica ihren Sitzplatz in einer ungewohnt leeren U-Bahn.

> belle@hell #Katerdienstag. _zz* Voll verpennt. #:-o <

> Avakadavra@zxxryy_ #Katerdienstag. 8-O Ach du Scheiße! Muss ein toller Typ sein!? <

> belle@hell #Katerdienstag. *bg* <

Schon da?“, macht Anna sie auf dem Weg zum Kaffeeautomaten an.

„Keine Nörgeleien von Coffein-Junkies“, ätzt Jessica zurück.

„Hast echt Schwein, dass Big Boss auf Termin ist.“ An Annas neuer, schwarzer Halskette baumelt eine grüne Glaskugel hin und her, aus der seltsam zirpende Geräusche kommen.

„Puuuh, super!“ Doch kein Riesenanschiss.

Im Mailfach warten fünf Nachrichten, gleich zwei von Sascha. Der verpennt bestimmt nie.

Sicherheitshalber checkt sie zuerst die Deadlines von Q…Emmas neuen Aufträgen. „Kann eine Minute warten.“ Dahinter folgt Marios knappe Ankündigung, der neue Kunde würde „in historisch kurzer Frist“ reichlich Arbeit für sie herüberschaufeln. „Ich freue mich ja so“, mault Jessica.

˃ Hallo, Jessica! Mittagspause im Café Mokka? Gruß Sascha ˂

˃ Bist du okay? Sascha ˂

Schnell haut sie in die Tasten.

˃ Hi, Sascha! Verschlafen!!! Viel Arbeit, keine Pause…Magst du mir evtl. ein Veggie-Sandwich mitbringen? Jessica ˂

˃ Oh shit! Geht klar. Sascha ˂

Das verbessert ihre Laune glatt um einige Graustufen nach oben.

Gefühlt den Rest der Woche quält sich Jessica durch Gebrauchsanleitungen für Wasserkocher, bis Sascha vorsichtig eine Tüte mit ihrem Frühstücksmittag neben der Tastatur ablegt.

„Du bist ein Schatz!“, strahlt sie ihn an.

„Aspirin dazu?“

„Nee, der Wein war Spitze. Vielleicht klappt es morgen mit der Mittagspause?!“

„Morgen bin ich verabredet.“

Sie beißt sich gerade noch auf die Zunge, bevor ihr „mit wem?“ herausflutschen kann.

„Übermorgen?“, legt er hastig nach.

„Ja-a, meinetwegen.“

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08:17 “Reiter/Emma” <e.reiter@brindorf.de>

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08:54 “Reiter/Emma” <e.reiter@brindorf.de>

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09:16 >Hallo Jessica! Mittagspause …details

09:33 <belle@hell>

Tweet: >#Katerdienstag. Voll verpennt.<…details

09:51 >Bist du okay? Sascha<

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20:57 <belle@hell>

Comment: > Empfehle Löschtaste!!!!<

21:34 <belle@hell>

Comment: >Wtf??? Dein Face mit Clownsmaske verwechselt?<

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