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Freitag, 31. Januar 2020

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CORONA

Liebe im Grenzbereich

meinen Eltern

Dieser Roman hat viele biografische Anleihen, ist aber nicht autobiografisch. Die Fluchtgeschichte meiner Großmutter mütterlicherseits, die Spionage-Tätigkeit meiner Großeltern väterlicherseits, deren Haft in Hohenschönhausen und die dadurch nachhaltig geprägte Biographie meines Vaters waren Inspiration für Teile der Geschichte.

Darüber hinaus sind Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sowie realen Geschehnissen rein zufällig und unbeabsichtigt.

Ich danke meinem Ehemann für die Unterstützung, meiner Schwägerin für die Gespräche und meinen Freundinnen D.H. und A.S. für das Korrektorat.

Julius

So, jetzt ist es bald geschafft. Nur noch zwei Kisten, dann fahre ich den Panda und mein Bruder die Robbe zu Theklas Wohnung. Ich habe schon einen kleinen Lieferwagen genommen… Und ich hatte noch befürchtet, mein Bruder und ich müssten zweimal fahren. Dabei ist die Robbe noch halb leer. Bald werde ich 39 und mein Hausstand passt in einen kleinen Lieferwagen. Irgendwas habe ich wohl falsch gemacht.

„So Brüderchen, das ist die letzte Kiste. Ich fahre dann schon mal zu Thekla. Bist Du sicher, Julius, dass Du bei ihr einziehen willst? Du könntest auch zu uns, vorübergehend.“

„Na, zurzeit ist Tantchen ja noch im Krankenhaus und dann auf Kur. Aber danke für das Angebot. Fahr Du ruhig schon mal vor. Ich schaue nochmal, ob ich alles habe und dann komme ich gleich nach. Will mich nur noch bei meiner alten Nachbarin verabschieden.“

So, hier ist alles in Ordnung. So, das Badezimmer passt auch. Mist, ich habe vergessen, das Klo zu putzen. Ach egal. Wenn ich es so recht bedenke, ich sollte eigentlich noch einmal reinkacken und nicht spülen. Ah, auf dem Balkon ist noch ein Blumenkasten. Den kriege ich aber auch im Panda weg. Dann nur noch bei Frau Simon Tschüss sagen.

„Hallo Frau Simon. Ich wollte mich noch bei Ihnen verabschieden.“

„Verreisen Sie, Herr von Witzleben?“

Das habe ich doch schon alles erzählt.

„Nein, ich ziehe doch aus.“

„Ach, wohin denn?“

„Erstmal nach Zehlendorf zu meiner Tante.“

„Aber warum denn?“

Das habe ich doch schon alles erzählt.

„Die Vermieterin hat auf Eigenbedarf gekündigt.“

„Ja will die denn hier einziehen? In eine Einraumwohnung? Als Anwältin?“

„Sie sagte, sie brauche die Wohnung, wenn sie ihre Enkel in Berlin besuchen will. Sie wohnt ja in Potsdam. Aber ich glaube, sie will die Wohnung verkaufen, gerade jetzt wegen des Mietendeckels.“

„Ach so? Aber warum haben Sie sich dann nicht gewehrt, Herr von Witzleben?“

„Weil ich keine Nerven und kein Geld für einen Prozess habe.“

Schweigen.

„Also, Frau Simon, ich wünsche Ihnen alles Gute.“

„Danke. Und danke, dass Sie mir immer die Wasserkisten nach oben getragen haben.“

„Hab ich gerne gemacht. Also, wie gesagt, alles Gute.“

„Ihnen auch, Herr von Witzleben.“

So das war’s. Good Bye, Friedrichshain. Good Bye, eigene Wohnung. So schnell kann‘s gehen. Bald werde ich 39, keine Wohnung, keinen festen Job, keinen festen Freund und mein Hausstand passt in eine halbe Robbe. Irgendetwas muss ich definitiv falsch gemacht haben.

Mittwoch, 09. November 1938

An der Wand hängt ein Ölgemälde. Eine Yacht. Arkona. Die Yacht des Herrn von Witzleben.

Dieser Herr von Witzleben schaut das Material, eine verbesserte Form des Bakelits, genau an und hält es gegen eine Lampe. Das Material ist so dünn, dass das Licht hindurchfällt. Sein Blick fällt auf mein Patent. Er nickt zufrieden und greift nach seinem Scheckbuch. Wir geben uns die Hand. In diesen verrückten Zeiten hätte ich keinen besseren Preis bekommen können, denn meine Fabrik ist, genauso wie das Sudetenland, bereits heim im Reich. Er begleitet mich zu meinem Auto. Im Rückspiegel sehe ich, wie er in seiner Villa am Wannsee verschwindet. Jetzt fahre ich zu meinen Verwandten nach Charlottenburg, hole morgen das Geld von der Bank, fahre zurück nach Prag und schaue, dass ich ein Visum für mich, meine Frau und meine beiden Töchter, Eliska und Lea, bekomme.

Corona

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