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Montag, 09. März 2020

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Julius

Vorstellungsgespräch im ehemaligen Stasi-Gefängnis.

Ich glaube, ich war bislang ganz gut. Vorstellungsgespräche sind ja sonst nicht so mein Ding. Ich mag es nicht, mich zu verkaufen. Aber so läuft das Spiel eben. Das Zimmer hier sieht aber auch mehr nach einem Verhörzimmer aus.

„Herr Dr. von Witzleben. Die Zeit geht nun zu Ende, können Sie noch einmal kurz zusammenfassen, warum Sie der geeignete Kandidat für die Stelle sind?“

„Gerne. Ich arbeite nun schon fünf Jahre in der Gedenkstätte Hohenschönhausen und führe Gruppen durch das ehemalige Stasi-Gefängnis. Durch meine Promotion zum Thema Der Einfluss der Adenauerschen Arbeitsmarktpolitik auf den Mauerbau 1961 und meine Tätigkeit an der Freien Universität Berlin bin ich zusätzlich umfassend über den aktuellen Forschungsstand der Deutsch-Deutschen Geschichte informiert.“

„Und es stört Sie nicht, dass die Stelle nur einen Umfang von 30 Stunden hat?“

„Nun gut, Sie meinen wohl, dass nur 30 Stunden vergütet werden? Aber nein, das macht mir nichts. Als Historiker bin ich es gewohnt. Für meine Promotion hatte ich auch nur eine halbe Stelle und habe dennoch voll für meinen Professor gearbeitet und eine ganze Promotion geschrieben.“

Freundliches Lachen.

„Im Ernst, 30 Stunden Archivarbeit und dann noch die Führungen, das ist ideal für mich.“

„Ich danke Ihnen, Herr Dr. von Witzleben.“

„Ich danke Ihnen, meine Herren.“

„Herr Dr. von Witzleben, ich würde Sie gerne noch kurz im Sekretariat sprechen. Warten Sie bitte dort auf mich. Ich bin in 15 Minuten bei Ihnen.“

15 Minuten später.

„Und, wie war ich?“

„Sehr überzeugend. Du warst sehr überzeugend, Julius.“

„Und habe ich den Job?“

„Das darf ich Dir nicht sagen. Und es muss ja auch noch zum Personalrat, zur Schwerbehindertenvertretung...“

„Also ich habe den Job.“

„Also, ich sage nichts. Inoffiziell. Ja. Aber, ich wollte noch kurz über den aktuellen Stand der Führungen mit Dir sprechen.“

„OK.“

„Könntest Du gleich noch einspringen? Heinrich hat sich gerade per whatsapp bis auf Weiteres krankgemeldet. Die Gruppe startet in 15 Minuten.“

„Mist. War abzusehen. Es ging ihm die letzte Zeit nicht gut mit seiner Depression. Was die Stasi-Schweine auch mit ihm gemacht haben. Klar, mache ich. Ich muss dann aber leider den Turbo einlegen, denn ich habe heute Abend noch den Flüchtlingskurs an der Sprachschule.“

„Super. Auf Dich ist echt Verlass, Julius. Am Mittwoch fällt die Führung dafür leider aus. Die Schule hat wegen Corona abgesagt.“

„Und am Donnerstag? Die Gruppe aus Weinheim. Kommt die?“

„Ja. Stand jetzt kommen die.“

„Ok, dann gehe ich mal meine Gruppe im Hof suchen.“

Weinheim. Daniel ist in Weinheim. Wir wollten nach Weinheim ziehen. Vorgestern hatte Daniel Geburtstag. Hätte ich ihm vielleicht eine Nachricht schicken sollen? Wie lange hatten wir jetzt schon keinen Kontakt mehr? Er hatte ein Beileidsschreiben für mich zu Thekla geschickt, als mein Vater Weihnachten starb. Komisch. Weinheim. Und plötzlich ist es, als wäre es gestern gewesen.

Sonntag, 13. Februar 1938

Ein SS-Mann hat seine Sympathie für mich entdeckt. Er kommt auch aus dem Sudetenland, wie ich und freut sich, dass seine Heimat nun Teil des neuen starken Reiches ist. Ich halte meinen Mund, wenn er so spricht. Er will bestimmt nicht hören, dass meine Frau, meine zwei Töchter und ich unser Haus, die Fabrik, einfach alles zurücklassen mussten, als das Sudetenland heim ins Reich geführt wurde. Er spricht ein paar Brocken Tschechisch und freut sich, wenn ich mit ihm etwas Tschechisch rede. Er ist nicht bösartig, wie die anderen. Nur etwas dumm.

Corona

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