Читать книгу Bilder vom Tod - Danuta Reah - Страница 8

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Die Straße, die vom Friedhof wegführte, war dunkel und nass gewesen. Kerry hatte sich verlaufen, eine falsche Abzweigung genommen und war dann durch dunkle Straßen geirrt, die fast ländlich wirkten, denn Gras schlug ihr gegen die Knöchel, und grüne Ranken hingen über Mauern und verfingen sich in ihrem Haar. Endlich hatte sie den Weg zurück auf die Hauptstraße gefunden, aber jetzt war es dunkel. Sie sah auf die Uhr.

Lyn würde in dem Café auf sie warten, wo sie sich immer trafen. Bestimmt war sie wütend, wenn Kerry sich verspätete. Lyn war ohnehin wütend auf Kerry. Bei ihrem letzten Treffen hatten sie sich wegen Kerrys Vater gestritten. Immer kam es wegen Papa zum Streit. Aber vielleicht tat es Lyn ja auch ein wenig Leid wegen ihrer Äußerungen. Kerry hielt das Handy umklammert und warf erneut einen Blick darauf, als sie die Tasten drückte. Die gespeicherte Nachricht lief über das Display: … wg.d1em Papa. CU Cafy 7 KONIZUSPÄ … Lyn entschuldigte sich nie, aber Kerry wusste, wenn ihr etwas Leid tat.

Vor ihr war eine Bushaltestelle, und sie humpelte darauf zu und ließ sich dankbar auf die Mauer fallen. Sie befreite ihren Fuß aus ihren Schuhen – es waren ihre besten – und rieb sich die Zehen. Ihre Füße waren nass und schmutzig. Mit zusammengekniffenen Augen in den Regen blinzelnd, der die Lichter verzerrte, schaute sie die Straße entlang. Und da kam auch schon der Bus, setzte sich von den Lichtern ab.

Sie stieg ein, froh um die Wärme. Der Fahrer war freundlich und lächelte sie an. »Du bist ganz schön nass, meine Liebe«, meinte er fröhlich. Der Bus war fast leer. Kerry drückte ihr Gesicht an die beschlagene Scheibe. Ruckelnd und ratternd fuhr der Bus los, so dass ihr Kopf gegen das Glas schlug.

Sie sah auf die Uhr. Sie sollte längst da sein. Sie tippte Lyns Nummer ein, aber sie bekam nur den Auftragsdienst. Also schrieb sie eine neue Nachricht: Bitte warte. Bitte warte. Bitte, bitte warte auf mich!

Lyn tat nie etwas, wozu sie keine Lust hatte. Und genau das hatte sie Kerry auch beizubringen versucht. »Du musst nicht tun, was er sagt«, pflegte sie zu sagen, wenn Papa Kerry anwies, ins Bett zu gehen oder ihr Zimmer aufzuräumen oder ihre Hausaufgaben zu machen. Aber Papa war auch nicht Lyns Papa. Lyns Papa war abgehauen. »Sie ist eifersüchtig, Kizz«, erwiderte Papa darauf. »Sie wird darüber hinwegkommen.« Und er hatte sich um einen freundschaftlichen Umgang mit Lyn bemüht, aber Lyn wollte nichts davon wissen. Manchmal machte Kerry das wütend. So las Papa ihr etwa eine Gutenachtgeschichte vor, und dann kam Lyn hereingeschneit und tat so, als würde sie etwas suchen. »Du bist zu alt für Geschichten«, meinte sie. Oder Papa versprach, mit Kerry schwimmen zu gehen. »Ich gehe mit ihr«, mischte Lyn sich dann ein. »Sie ist meine Schwester.« Aber dann vergaß sie es für gewöhnlich, und Kerry kam überhaupt nicht zum Schwimmen.

Und dann war Lyn weggegangen.

Sie presste ihr Gesicht gegen die Scheibe. Sie waren fast da. Ungeduldig zappelnd stellte sie sich an die Tür. »Ich kann dich hier nicht rauslassen, meine Liebe«, sagte der Fahrer. »Ich muss warten, bis wir die Haltestelle erreicht haben.«

Und dann öffneten sich die Türen, und Kerry war schon draußen aus dem Bus und rannte los, als das »Pass auf dich auf, Kleine« des Fahrers ihr nachhallte. Es hatte zu regnen aufgehört, aber ihre Kleider waren nass, und ihre Füße schmerzten. Sie rannte die Rampe hinauf, die zu den Straßenbahngeleisen führte, und dann über die Brücke hoch über der Straße. Hier ging es zur Straßenbahn und nach Meadowhall. Dort ging es zum alten Markt.

Die Stufen führten zu einer leeren Straße und einem Parkplatz, beides roch nach Pisse. Diese Stufen war sie immer mit Ellie hinuntergerannt, und beide hatten sich mit zugehaltenen Nasen lachend an den Leuten vorbeigedrängt, begeistert von all den Geschäften, den Lichtern und den Menschen. Und Papa kam hinterher gerannt, auch er lachend, und sagte Dinge wie: »Vorsicht, Kizz, mach langsam, denk dran, ihr habt einen alten Mann dabei.« Und dann kaufte er ihnen einen Burger – Ellies Mama sah es nicht gern, wenn Ellie Burger aß, also war es ein Geheimnis. Kerry und ihr Papa liebten Geheimnisse und … Darüber wollte Kerry nicht nachdenken.

Sie versuchte, auch nicht an den Nachmittag zurückzudenken, daran, wie der Nebel ihr fast die Sicht versperrt hatte, als sie den Pfad entlangging, an das schwarze Erdrechteck und all die Blumen, tot wie die Menschen in den Gräbern. Und die Namen. Es waren nur Namen, keine Menschen, bis sie den Stein mit den Goldlettern sah. Ellie … Ellie und Kerry.

Keine Ellie mehr. Ihr fielen die Kinder wieder ein, die an jenem letzten Morgen an ihrem Haus vorbeigelaufen waren, an dem Tag, als die Polizei gekommen war und Kerrys Papa weggebracht hatte. Sie mussten auf diesem Weg vorbeikommen, es gab keinen anderen Weg für sie, und Kerry wartete darauf, dass sie ihr zuriefen: »He, Kizz, kommst du?«, wartete und rannte nicht wie üblich hinaus, um sich der untergehakten Mädchen anzuschließen, die zur Schule unterwegs waren, aber keine rief und keine sah her, jedenfalls nicht wirklich, nur Seitenblicke, die Kerry, hinter den Tüllgardinen versteckt, beobachten konnte, und ihre Gesichter waren angespannt und verängstigt, und sie flüsterten im Vorübergehen miteinander und ließen ihre Blicke wieder über das Haus schweifen, und dann rannten sie los, die Straße entlang.

Und sie hatte sich auf den Weg gemacht, Maggie zu besuchen. Maggie unterhielt sich immer mit Kerry, wenn Mama krank war. »Du bist in Ordnung, Kerry«, sagte sie dann. »Du bist ein großartiges Kind.« Und sie meinte es auch so. Jedenfalls war Kerry sich sicher gewesen, dass sie es so meinte. Aber dann war Kerry zu Maggie gegangen, und Maggies Gesicht war verzerrt und fleckig gewesen wie das von Mama, und sie hatte Kerry angesehen, als würde sie sie hassen. »Geh weg von mir«, hatte sie gesagt. Sie hatte es nicht geschrien, sondern auf kalte Weise gesagt, wie tot. »Geh weg von mir, du …« Aber da war jemand an die Tür gekommen und hatte Maggie ins Haus gezogen und Kerry auf dieselbe Weise angeblickt und die Tür zugeschlagen. Und Kerry hörte nur noch Weinen.

Und Papa war ins Gefängnis gekommen. Er schrieb Kerry. Einmal in der Woche kamen die Briefe, und Kerry schrieb zurück. Aber sie konnten einander nichts Wichtiges mitteilen. Kerry konnte nicht darüber schreiben, wie es mit Mama zu Hause war, oder was in ihrer letzten Schule und der Wohnung, in der sie gewohnt hatten, passiert war. Sie erinnerte sich noch immer an die Stimmen in der Nacht: Pädo! Pädo! Und an das Geräusch klirrenden Glases, als ein Ziegelstein durch das Vorderfenster flog. Davon konnte sie Papa nichts erzählen. Und er erzählte Kerry auch nichts. Er schrieb Dinge wie: Wenn man sich erst mal daran gewöhnt hat, ist es gar nicht mehr so schlimm und Keine Sorge, ich bin bald wieder zu Hause. Nur dass er das jetzt nicht mehr so häufig schrieb. In seinem letzten Brief hatte er geschrieben: Das Gefängnis verändert die Menschen, Kizz …

Sie schaute im Fernsehen keine Nachrichten, sie las keine Zeitungen. Die Lehrer sagten, dass sie das tun sollten. Aber Kerry wollte nicht lesen, was sie über ihren Vater sagten: Perverser. Monster. Bösewicht …

Sie war angekommen – Victoria Quays, der Eingang zum Kanalbecken. Das Wasser war schwarz und spiegelte das Weiß des Mondes. Sie eilte über das Kopfsteinpflaster auf das Café zu, und ihre Füße knickten um auf dem holprigen Untergrund.

Sie presste ihre Nase ans Fenster. Lyn? Die Tür zum Café war aufgegangen, und einige Leute waren herausgekommen. Kerry knabberte an ihren Fingernägeln. Sie konnte durch die beschlagenen Fenster hineinsehen. Es waren nur ein paar Leute drin, und sie war sich sicher … Sie schaute angestrengt hinein. Lyn war nicht da.

Sie versuchte es unter Lyns Nummer, aber wieder landete sie beim Auftragsdienst. »Ich bin da«, sagte sie. »Ich hab sie bekommen.« Ich habe die Nachricht bekommen. So was Dummes. Natürlich hatte sie die Nachricht bekommen. Lyn wusste das. Es war spät, also war sie es leid gewesen, zu warten, und war gegangen.

Aber noch wollte Kerry nicht aufgeben. Sie könnte den Treidelpfad entlanglaufen, zur Galerie gehen. Vielleicht war Lyn dort. Sie sah den schwachen Schimmer des Wassers vor ihr. Die Lichter der Stadt glühten orange vor dem Himmel, aber der Pfad lag im Dunkeln. Sie zögerte einen Moment, dann trat sie in den Schatten der ersten Brücke. Die Luft war kalt und feucht, und der Boden fühlte sich unter ihren Füßen weich und glitschig an.

Von der Tunnelmündung her drang ein schwacher Schein zu ihr, und der muffige Geruch des Wassers umfing sie. Sie ertastete sich ihren Weg, die Hände gegen die geschwungene Steinmauer gepresst, die sich tief über sie wölbte, fast bis zu ihrem Kopf. Das Wasser klatschte plötzlich gegen das Gemäuer, als hätte etwas eine Störung verursacht.

Als sie aus dem Tunnel herauskam, zeichnete sich eine Form im Wasser ab, ein vertäutes Boot, dunkel und konturenlos, halb verborgen im Schatten der Brücke. Die Planken an Deck waren grau und uneben. Der Pfad schien hier zu Ende zu sein, die Gebäude reichten bis an den Uferrand. Vor ihr erhob sich eine Ziegelmauer. Sie befand sich auf der falschen Seite des Kanals. Sie musste zurück zum Kanalbecken.

Der Mond kam zwischen den Wolken hervor, und auf dem Wasser spiegelte sich das Kanalufer. Die Wasseroberfläche bewegte sich nicht. Sie konnte die Mauern erkennen, die den Pfad säumten, die im Spiegel des Kanals gerahmten Sträucher und den Pfad. Sie machte kehrt, und vor ihr lag Dunkelheit, das schwarze Maul des Tunnels, der Geruch des Kanals, dessen Oberfläche sich gekräuselt hatte, als hätte sich etwas durchs Wasser bewegt. Sie wollte diesen Weg nicht zurückgehen.

Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie wandte sich noch mal um, das Boot lag neben ihr tief im Wasser, vor ihr ragte eine Ziegelmauer auf. Sie blickte zurück, aber der Tunnel wartete, lockte Kerry in die Falle zwischen Kanal und Mauer.

Eliza konnte nicht schlafen. Sie verhedderte sich in der Decke, als sie eine bequeme Stellung zu finden versuchte, und ihr war zu heiß, dann wieder zu kalt. Es regnete erneut, und aus dem stetigen Schlagen gegen das Fenster wurde ein unregelmäßiges Prasseln, da der Wind den Regen in Schauern dagegen peitschte. Das Dach knarrte. Sie drehte sich um und klopfte das Kissen in Form und legte ihren Arm abgewinkelt unter ihren Kopf. Tief und langsam atmen, lass dich ins Bett fallen, lass einfach los und schmilz weg … Von der anderen Wandseite drang ein Klappern zu ihr, als wäre etwas auf den Boden gefallen und drehte sich dort im Kreis, bis es zur Ruhe kam. Wieder war sie wach.

Sie dachte an Maggie und an Ellie. Der Anblick von Caras Baby hatte sie daran erinnert, wie sie Ellie das erste Mal gesehen hatte, ein winziges Bündel in Maggies Arm. Mit der älteren Ellie hatte Eliza mehr anzufangen gewusst, mit dem klugen Mädchen, das die Begabung ihrer Mutter für Kunst besaß und sich für Wörter begeisterte, die ihre eigenen zu sein schienen. Ebeil Azile …

Bilder der Ausstellung nahmen vor ihrem geistigen Auge Gestalt an. Sie wollte sie nicht sehen, nicht jetzt. Plötzlich war ihr dieser mittelalterliche Totentanz unheimlich. Sie drehte sich wieder um, brachte die Steppdecke in Unordnung. Ein kalter Luftzug traf sie. Sie sah auf die Uhr. Ein Uhr. Der morgige Tag würde hart werden. Sie brauchte dringend Schlaf. Wieder spürte sie den Luftzug. Sie wusste, was es war – es war schon öfter vorgekommen. Cara war offenbar über die Außentreppe heraufgekommen und hatte die Tür nicht richtig zugemacht, so dass der Wind sie aufgestoßen hatte.

Sie stand auf. Es war eiskalt. Vor Kälte zitternd, zog sie ihren Morgenmantel fest um sich, und warf einen Blick durch ihre Tür nach draußen. Der Flur lag im Dunkeln, aber die Tür stand offen und bewegte sich im Wind. Wo es hereingeregnet hatte, stand Wasser auf dem Boden. Mit einem kräftigen Schlag, damit sie auch ins Schloss fiel, zog sie die Tür zu und hoffte fast, Cara möge es hören und mitkriegen, was passiert war.

Sie kuschelte sich wieder ins Bett, doch die mühsam errungene Wärme war weg. Jemand lief auf der anderen Seite der Wand umher. Sie konnte weiche Schritte hören, die sich rückwärts und vorwärts, rückwärts und vorwärts bewegten. Seit Cara eingezogen war, hatte das Baby fast jede Nacht geschrien.

Es regnete jetzt heftiger, und sie konnte die von der Dachrinne auf die Feuerleiter platschenden Tropfen hören. Eliza entglitt in jenen Schwebezustand, der weder Schlaf noch Wachen war. Gedankenfetzen formten sich zu Träumen. Dann war sie wieder wach. Im Halbschlaf ein plötzliches Geräusch. Sie lauschte. Nur der Regen und der peitschende Wind. Manchmal fegte er durch die kaputten Dächer und Fenster der Gebäude längs des Kanals und gab einen schrillen, klagenden Ton von sich. Von der anderen Seite der Wand hörte sie das Baby. Wieder schaute sie auf die Uhr. Zwei. Jetzt war sie hellwach. Vielleicht sollte sie sich einen Kakao machen.

Sie musste schlafen. Sie würde es mit heißer Milch versuchen. Sie stand auf und ging zum Kühlschrank. Es war nicht mehr viel Milch übrig, aber es reichte. Gerade so eben. Gähnend und vor Kälte zitternd, goss sie die Milch in einen Topf und zündete das Gas an. Vielleicht sollte sie sich vor dem Feuer in einen Sessel kuscheln, ihre Milch trinken und dort versuchen einzuschlafen.

Die Milch begann zu schäumen. Sie goss sie in ein Glas und streute etwas Schokolade obendrauf. Dann legte sie sich eine Decke um die Schultern und kuschelte sich auf den Sessel. Der Regen trommelte gegen das Oberlicht über ihrem Kopf. Der Wind wurde stärker, und das Fenster klapperte. Sie hörte die Treppe knarren, und einen Moment lang glaubte sie, es sei jemand draußen, aber es war nur der Wind, der das Gebäude zum Ächzen und Stöhnen brachte.

Das Weinen war einem schluckaufartigen Schluchzen gewichen. Eliza rutschte unruhig hin und her. Sie konnte nichts tun. Sie trank ihre Milch und versuchte, das Geräusch auszublenden. Die Milch war warm und tat gut, und der Sessel war weich und bequem, als sie zurück in die Polster sank. Ihr wurden die Augen schwer, und sie ließ das leere Glas zu Boden fallen. Weich und warm. Ein Schluchzen, dann Stille. Ein Schluchzen, und Stille. Sie sah nach dem Baby. Der Flur war lang, und es gab Türen, und hinter einer davon war das Baby, dann war sie in der Galerie, und das Gemälde an der Wand war der Friedhof, und sie protestierte, weil sie dieses Gemälde nicht haben wollte. »Du musst.« Es war Maggies Stimme, und sie lachte. Sie wollte nach dem Gemälde greifen, aber als sie es berührte, zerfiel es ihr unter den Fingern, die Farbe blätterte ab, fiel von der Leinwand und verschwand, als ihre Hand sich tiefer und tiefer ins Dunkel grub, durch das Schwarz des Mutterbodens, das Gelb des Lehms, und dann war es der Kanal, und sie konnte die Gestalt erkennen, die immer wieder aus den Tiefen des Wassers herauskam, aus dem gemalten Grab.

Und dann war der Morgen da, öde und trostlos. Steif und kalt erwachte sie im Sessel. Es hatte zu regnen aufgehört, und auf der anderen Wandseite war alles still.

Die leeren Gebäude waren im Morgengrauen nur undeutlich zu erkennen, doch ihr Verfall wurde offenkundig, je höher die Sonne stieg. Das umgebaute Lagerhaus wirkte fehl am Platz, neu. Still lag das Wasser da und glänzte im Morgenlicht. Hier wurde der Kanal kaum genutzt. Weiter unten am Treidelpfad führte eine Brücke über den Kanal, der sich unter der Straße durch einen kurzen Bogentunnel schob. Als der Himmel heller wurde, zeichnete sich die Brücke als Silhouette ab, das Wasser im Tunnel darunter war von undurchsichtigem Schwarz. Der wolkenverhangene Himmel versprach noch mehr Regen. Frühmorgendlicher Autoverkehr störte die Stille, und der Geruch von Autoabgasen erfüllte die Luft. Das Licht kroch über das Wasser, über die Tunnelmündung und spiegelte sich oben am Mauerwerk. Farben wurden erkennbar, das stumpfe Grün des Unterholzes am Treidelpfad, das Schwarz der durchweichten Erde, das Rot, Gelb und Blau weggeworfener Chips-Tüten, Limodosen, Zigarettenpackungen. Das Licht streifte das bröckelnde Mauerwerk, das in den Fugen wuchernde Unkraut. Der Schatten des Tunnels legte sich scharf auf das Wasser, das, vom Wind sacht bewegt, gegen die Uferböschung klatschte.

Wieder setzte Regen ein, trübte das Licht und brachte die Wasseroberfläche zum Tanzen. Und dort unter der Brücke lag etwas im Wasser. Es erinnerte an ein Gewirr aus Wasserpflanzen und Stoff, lag halb im Schatten und tauchte ein in das ölige Wasser. Wenn das Wasser sich kräuselte, bewegte das Bündel sich leicht und wiegte sich sacht. Hob sich und senkte sich. Hob sich und senkte sich. Und wenn es sich bewegte, schimmerte manchmal ein schwacher Schein von etwas fast Bläulich-Weißem im dünnen Morgenlicht durch das Wasser.

Bilder vom Tod

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